Entscheidungsstichwort (Thema)

Gutachtenübersendung an BFH ersetzt nicht die Revisionsbegründung

 

Leitsatz (NV)

Die bloße Einreichung des Gutachtens eines Universitätsprofessors ohne eigene sachliche Stellungnahme des Prozeßbevollmächtigten stellt keine ordnungsmäßige Revisionsbegründung dar (s. auch Urteil des BFH vom 16. 10. 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470).

 

Normenkette

FGO § 120; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben gegen das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg Revision eingelegt. Die Revisionsschrift enthält außer den Revisionsanträgen und einem Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist folgende Sätze:

,,Mit der Revision wird gerügt:

Die Rechtsauslegung im vorliegenden Fall verletzt materielles Recht (§ 118, Abs. 1 FGO), weil die an sich auf den Sachverhalt zutreffenden Rechtsnormen unrichtig ausgelegt sind. Die Rechtsanwendung zu § 18 EStG entbehrt der Logik.

Mit unserem Schriftsatz vom 14. 8. d. J. an das FG Hamburg wurde ein wesentlicher Sachbeitrag gegeben, der in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt wurde."

Innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist ging folgendes Schreiben der Prozeßbevollmächtigten vom 12. Mai 1981 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein:

,,Betr.: . . . (Name)

Az.: . . .

Begründung: Das beigegebene Gutachten von dem . . . Universitätsprofessor Dr. W. über die steuerliche Freiberuflereigenschaft der . . . "

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, denn sie wurde nicht formgerecht begründet.

Gemäß § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zu begründen. Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) sind, soweit es sich nicht um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, nur Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zur Vertretung vor dem BFH berechtigt. Aus beiden Vorschriften ergibt sich, daß die Revisionsbegründungsschrift von einer den genannten Berufskreisen angehörenden Person unterzeichnet sein muß. Sinn und Zweck dieses Vertretungszwanges ist es, daß an den BFH nur noch solche Rechtsmittel herangetragen werden, deren Erfolgsaussichten von Personen beurteilt worden sind, die dazu aufgrund ihrer fachlichen Vorbildung in der Lage sind. Die von dem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung muß deshalb erkennen lassen, daß dieser den Prozeßstoff überprüft und die volle Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernommen hat (BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1982 VI R 197/81, BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607, und vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470 m.w.N.).

Diesem Erfordernis ist dann nicht genügt, wenn der als Prozeßbevollmächtigte auftretende Rechtsanwalt oder Steuerberater sich in den von ihm selbst verfaßten Schriftsätzen nicht hinreichend mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzt und auch das einem Fachgutachten beigefügte Vorlageschreiben nicht erkennen läßt, daß der Prozeßbevollmächtigte sich selbst mit dem Prozeßstoff befaßt, ihn gesichtet, geprüft sowie rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607; s. auch Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 15. April 1981 1 BA 23/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1982, 80; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 19. Juli 1977 VIII CB 84/76, HFR 1978, 256). Zwar ist nicht erforderlich, daß der Inhalt eines zur Stützung der Revision vorgelegten Gutachtens in vollem Umfang in die Revisionsbegründungsschrift übernommen wird. Indes muß sich aus dieser Schrift durch zusammenfassende Abhandlung der wesentlichen Rechtsfragen zweifelsfrei erweisen, daß der Prozeßbevollmächtigte sich nicht nur wie ein Bote auf die Weiterbeförderung des Gutachtens beschränkt hat.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß die Revision nicht formgerecht begründet worden ist.

Die Revisionsschrift selbst enthält keine hinreichende Revisionsbegründung. Denn in ihr setzen sich die Prozeßbevollmächtigten nicht in dem erforderlichen Maße mit dem Prozeßstoff auseinander. Die bloße Behauptung, daß nicht näher bezeichnete Rechtsnormen unrichtig ausgelegt worden seien und daß die Rechtsanwendung zu § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Logik entbehre, läßt eine nachvollziehbare Gedankenführung nicht erkennen. Der Hinweis, daß ein Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt worden sei, könnte allenfalls dann als eine ausreichende Revisionsbegründung anzusehen sein, wenn dargelegt worden wäre, welchen Sach- oder Rechtsvortrag dieser Schriftsatz enthielt und aus welchen rechtlichen Erwägungen seine Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreits hätte führen können. Hierzu haben die Prozeßbevollmächtigten nichts vorgetragen.

Auch der Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten vom 12. Mai 1981 kann nicht als formgerechte Revisionsbegründung angesehen werden. Denn dieses Schreiben läßt nicht erkennen, ob die Prozeßbevollmächtigten sich mit dem Inhalt des von ihnen gleichzeitig vorgelegten Gutachtens befaßt haben. Die erforderliche Auseinandersetzung mit dem Prozeßstoff verbunden mit einer eigenen verantwortlichen Stellungnahme der postulationsbefugten Prozeßbevollmächtigten enthält der Schriftsatz nicht. Es handelt sich vielmehr um ein reines Weiterleitungsschreiben, das auch ein rechtlich nicht vorgebildeter Mitarbeiter der Sozietät entworfen haben könnte.

Der Senat verkennt nicht die Wahrscheinlichkeit, daß die Prozeßbevollmächtigten das von ihnen vorgelegte Gutachten eines Universitätsprofessors vor dessen Weiterleitung zur Kenntnis genommen und inhaltlich gebilligt haben. Diese Wahrscheinlichkeit kann indes zur Erfüllung der von der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgestellten Anforderungen an eine Revisionsbegründungsschrift nicht ausreichen. Denn über die Zulässigkeit einer Revision kann nicht von Fall zu Fall jeweils aufgrund von als wahrscheinlich erachteten Geschehensabläufen entschieden werden. Auch kann die Entscheidung nicht von der Bedeutung des Gutachters bzw. der Qualität des Gutachtens abhängen. Denn die Abhandlung allein läßt keinen zwingenden Schluß darauf zu, daß der Prozeßbevollmächtigte sich die darin enthaltenen Thesen zu eigen gemacht hat.

Schließlich kann auch das Gutachten selbst nicht als ordnungsgemäße Revisionsbegründung angesehen werden. Denn der Unterzeichner des Gutachtens hat nicht zu erkennen gegeben, daß er dem in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG umschriebenen Personenkreis angehört.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414071

BFH/NV 1986, 173

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