Leitsatz (amtlich)

Der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagegesetz 1969 kann wirksam bereits vor Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung oder der der Anzahlung oder Teilherstellung endet.

 

Normenkette

InvZulG 1969 § 3 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber einer Gaststätte. Im Jahre 1972 erweiterte er diese Gaststätte indem er zusätzlichen Gastraum schaffte und weiteres Inventar erwarb. Nach seinen Angaben wandte er hierfür einen Betrag von ... DM auf. Der Aufwand wurde vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als förderungswürdige Investition i. S. des InvZulG 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) anerkannt.

Am 21. März 1972 ging beim Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) ein undatiertes Schreiben des Klägers mit folgendem Wortlaut ein:

"An das Finanzamt in A

Betr.: Gewährung einer Investitionszulage

Ein Antrag ist an den Herrn Minister für Wirtschaft und Verkehr in Kiel, ein weiterer Antrag an die Industrie- und Handelskammer Kiel gerichtet worden.

Hochachtungsvoll

gez...."

Diesem Schreiben war Durchschrift eines Antrags auf Erteilung der Bescheinigung nach § 1 Abs. 4 InvZulG nebst Anlage beigefügt. Mit Schreiben vom 28. März 1972 übersandte das FA dem Kläger Antragsvordrucke und teilte ihm gleichzeitig mit, daß der Antrag auf Gewährung der Zulage für Investitionen des Kalenderjahres 1972 bis 31. März 1973 beim FA zu stellen sei.

Mit Datum vom 3. Mai 1973 beantragte der Kläger mit amtlichem Vordruck die Gewährung einer Investitionszulage von ... DM. In dem Antrag sind die angeschafften Wirtschaftsgüter und die bauliche Erweiterung im einzelnen aufgeführt. Gleichzeitig beantragte er wegen eines Büroversehens des Bevollmächtigten die Gewährung von Nachsicht "wegen unverschuldeter Nichteinhaltung der Antragsfrist für die Gewährung einer Investitionszulage".

Das FA lehnte zunächst den Antrag auf Gewährung von Nachsicht ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm der Kläger jedoch wieder zurück. Danach vertrat der Kläger die Auffassung, ein Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage könne bereits vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung oder der Anzahlung oder Teilherstellung endet, wirksam gestellt werden. Das Schreiben vom März 1972 erfülle aber die Voraussetzungen, die an einen Investitionszulageantrag zu stellen seien.

Mit Bescheid vom ... lehnte das FA "den Antrag vom 3. Mai 1973 auf Gewährung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 1972" ab. In der Begründung wies es darauf hin, daß es das Schreiben vom März 1972 nicht als Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage angesehen habe.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG ließ es in seiner in den EFG 1976, 31, veröffentlichten Entscheidung dahingestellt, ob das am 21. März 1972 beim FA eingegangene undatierte Schreiben des Klägers bereits den Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage für 1972 beinhaltete oder einen Antrag unter Hinweis auf die beigefügten Anlagen nur ankündigen sollte; denn selbst wenn das Schreiben einen Antrag enthielte, wäre dieser nach Auffassung des FG unzulässig, weil er verfrüht gestellt worden sei. Ein Antrag hätte frühestens am 1. Januar 1973 und spätestens am 31. März 1973 gestellt werden können. Die eindeutige zeitliche Eingrenzung schließe nach dem Gesetzeswortlaut eine wirksame vorzeitige Antragstellung aus. Der unter dem 3. Mai 1973 gestellte Antrag sei jedoch verspätet eingereicht.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren weiter. Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, über den Antrag auf Gewährung der Investitionszulage für das Kalenderjahr 1971 vom 14. März 1972 sachlich zu entscheiden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Kläger rügt, das angefochtene Urteil verletze "materielles und formelles Recht, insbesondere § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 3 InvZulG". Der Senat sieht in diesem Revisionsvortrag des Klägers lediglich eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts; denn für die Verletzung formellen Rechts i. S. des finanzgerichtlichen Verfahrens sind keine Tatsachen vorgetragen, die den verfahrensrechtlichen Mangel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO), so daß die Rüge unzulässig wäre.

2. Soweit die Revision Verletzung des § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 3 InvZulG rügt, hat sie Erfolg. Die als verletzt gerügte Vorschrift entspricht dem für den Streitfall maßgeblichen § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 3 InvZulG 1969.

a) Die Investitionszulage wird auf Antrag gewährt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1969). Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung oder der Anzahlung oder Teilherstellung endet. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung des FG nicht dahin gehend zu verstehen, daß ein wirksamer Antrag nicht bereits vor Ablauf des maßgebenden Kalenderjahres gestellt werden kann.

Die Frist des § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969 ist eine Ausschlußfrist (Urteil des BFH vom 7. November 1975 III R 164/73, BFHE 117, 518, BStBl II 1976, 225). Die rechtliche Bedeutung einer solchen Frist bezieht sich auf deren Ablauf. An ihre Versäumung werden bestimmte Rechtsfolgen geknüpft. Nach dem Ablauf der gesetzlichen Ausschlußfrist ist die Geltendmachung des Rechtes, auf das sie sich bezieht, nicht mehr zulässig, es tritt Rechtsverlust ein (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 3 zu § 82 AO). Die Ausschlußfrist soll den zu einer Handlung Berechtigten veranlassen, diese Handlung nicht beliebig lange hinauszuschieben, sondern bis zum Ablauf einer bestimmten Frist vorzunehmen, sofern er nicht mit der Handlung ausgeschlossen werden will. Das Wesen der Ausschlußfrist besteht jedoch nicht gleichzeitig auch darin, eine wirksame Handlung vor Beginn des Laufs der Ausschlußfrist auszuschließen. Der Fristanfang ist nur insofern von Bedeutung, als von ihm an das für den Eintritt des Rechtsverlustes maßgebende Ende der Frist berechnet wird.

Diese Grundsätze gelten auch für die Ausschlußfrist des § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969. Der Gesetzgeber hat diese Frist bindend für die Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung einer Investitionszulage bestimmt mit der Maßgabe, daß nur die innerhalb, d. h. bis zum Ablauf der gesetzten Frist gestellten Anträge berücksichtigungsfähig sind. Entgegen der Auffassung des FG kann aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber damit ausnahmsweise nicht nur die Rechtsfolgen der Versäumung der Frist regeln, sondern gleichzeitig auch eine wirksame Antragstellung vor Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres ausschließen wollte.

Das FG beruft sich zur Begründung seiner Auffassung auf den "klaren Wortlaut" des § 3 Abs. 3 InvZulG, gegen den eine Auslegung nicht zulässig sei. Der Senat hält demgegenüber den Wortlaut des § 3 Abs. 3 InvZulG 1969 hinsichtlich des Zeitpunktes, von dem ab der Antrag rechtlich zulässig gestellt werden kann, nicht für eindeutig. Er sieht die von ihm vorgenommene Auslegung als noch durch den Wortsinn des § 3 Abs. 3 InvZulG 1969 gedeckt an. Die vom FG für die gegenteilige Ansicht angeführten Gründe (rationeller Verwaltungseinsatz, Möglichkeit verwaltungsökonomischer Anpassungen an wirtschaftliche Veränderungen oder Entwicklungen, Einheitlichkeit der Rechtsanwendung, zeitnahe statistische Erfassung) mögen zwar sachliche Gründe für eine entsprechende Regelung sein. Für die Auslegung des § 3 Abs. 3 InvZulG 1969 könnten sie aber nur herangezogen werden, wenn sich aus dem Investitionszulagegesetz selbst oder seiner Entstehungsgeschichte ergäbe, daß der Gesetzgeber sich von solchen Gründen hat leiten lassen. Das ist aber nicht der Fall.

b) Die Auslegung des Senats entspricht dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 3 InvZulG 1969.

Der Antrag ist eine Verfahrenshandlung, die das Festsetzungsverfahren einleitet. Er bildet nicht notwendig auch die Grundlage für die erst nach Ablauf des maßgebenden Kalenderjahres erfolgende Festsetzung der Investitionszulage. Dementsprechend muß ein fristwahrender Antrag nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. das Urteil vom 16. Juli 1976 III R 158/73, BStBl II 1976, 757) nur die zur Begründung der Anspruchsberechtigung, nicht notwendigerweise auch die zur Festsetzung des Investitionszulagebetrages erforderlichen Angaben enthalten. Diese können vielmehr noch nach Ablauf der Ausschlußfrist nachgereicht werden. Besteht der Zweck des Antrags aber lediglich in der Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung einer Investitionszulage, und kommt es dabei nicht darauf an, ob er gleichzeitig sämtliche zur Festsetzung der Investitionszulage erforderlichen Angaben enthält, so ist es gleichgültig, ob der Antrag vor oder nach Ablauf des maßgebenden Kalenderjahres gestellt wird.

b) Entgegen der Auffassung des FG kann aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Auslegung des dem § 3 Abs. 3 InvZulG 1969 entsprechenden § 19 BHG 1964 in der Verfügung der OFD Berlin vom 18. Dezember 1969 - St 21 - S 1977 - 16/69 (StEK - Berlinhilfegesetz Nr. 48) die den Investitionszulageantrag betreffende Vorschrift nicht geändert hat, nicht geschlossen werden, daß eine Antragstellung vor Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres unzulässig sei. Die OFD Berlin hat in der genannten Verfügung ausgeführt, daß der Antrag nach § 19 BHG "nur" in der Zeit vom 2. Januar bis zum 31. März gestellt werden könne. Zum Investitionszulagegesetz 1969 ist jedoch ein gesondertes Schreiben des BdF vom 12. Februar 1970 (IV B/2 - S 1987 - 9/70 -, BStBl I 1970, 226) ergangen, das die zeitlich frühere Regelung der OFD Berlin insoweit nicht übernommen hat. Nach Abschn. 10 Abs. 1 dieses Schreibens, dem gleichlautende Verwaltungserlasse der Länder entsprechen, muß der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres gestellt werden. Aus dem Wortlaut zumindest dieser Verwaltungsanweisungen kann nicht entnommen werden, daß ein vor Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres gestellter Antrag unzulässig sei. Insoweit besteht kein Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung. Deshalb bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung zu einer Klarstellung der Antragsvorschrift im Investitionszulagegesetz. Wenn die Verwaltung gleichwohl die vor Ablauf des jeweils maßgeblichen Kalenderjahres gestellten Anträge als unzulässig behandelt hat, so ist dies eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung, die der Überprüfung durch die zuständigen Gerichte unterliegt.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der Senat ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Investitionszulage vorliegen. Das FG hat dazu - von seiner Rechtsauffassung zutreffend - keine Feststellungen getroffen. Die Sache wird daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG wird nunmehr festzustellen haben, ob das am 21. März 1972 beim FA eingegangene undatierte Schreiben als Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage angesehen werden kann. Bei der Entscheidung hierüber wird es den in dem Schreiben zum Ausdruck kommenden Erklärungswillen des Steuerpflichtigen sowie den Stand des Investitionsvorhabens bei Eingang des Schreibens zu berücksichtigen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71994

BStBl II 1976, 759

BFHE 1977, 553

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