Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs fest, daß im Falle einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 oder 2 AO grundsätzlich der ganze Steuerfall neu aufzurollen ist.

Der Grundsatz von Treu und Glauben wird nicht dadurch verletzt, daß im Verlaufe einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 bzw. 2 AO ein Finanzamt den Steuerfall neu aufrollt bzw. ein Steuerpflichtiger die Wiederaufrollung des Steuerfalles verlangt, obwohl die durch die neuen Tatsachen und die durch die Wiederaufrollung sich ergebenden Mehrsteuern zahlenmäßig stark voneinander abweichen.

Der Grundsatz von Treu und Glauben kommt in solchen Fällen regelmäßig nur dann zum Zuge, wenn besondere, nachweisbare Umstände hinzutreten, die die Wiederaufrollung des ganzen Falles als unbillig erscheinen lassen.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Die Umsatzsteuer der Steuerpflichtigen für 1955 war durch Bescheid im Anschluß an eine Betriebsprüfung unter Zugrundelegung eines Umsatzes von ... DM rechtskräftig auf ... DM festgesetzt worden.

Anläßlich einer bei der Steuerpflichtigen in den Jahren 1958 und 1959 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Steuerpflichtige im Jahre 1955 Beträge von insgesamt 70.376 DM zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen hatte (= weniger an Umsatzsteuer 2.815,04 DM). Den Antrag der Steuerpflichtigen, die Umsatzsteuer-Veranlagung für 1955 entsprechend zu berichtigen und bei der Wiederaufrollung des Steuerfalles die Umsatzsteuer um weitere ... DM Zusatzsteuer (angenommen 1/2 Mio DM) zu kürzen, die infolge der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 18/56 vom 5. März 1958 (BGBl 1958 I S. 154) festgestellten Nichtigkeit der Hersteller-Zusatzsteuer zu Unrecht erhoben worden sind, lehnte das Finanzamt ab. Es vertrat die Auffassung, die bei der Betriebsprüfung festgestellten neuen Tatsachen rechtfertigten wegen ihrer Geringfügigkeit im Verhältnis zur veranlagten Umsatzsteuer eine Berichtigung zugunsten der Steuerpflichtigen nicht.

Hiergegen legte die Steuerpflichtige Sprungberufung ein mit der Begründung, die Frage, ob neue Tatsachen gewichtig genug seien, um im Wege der Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO eine niedrigere Veranlagung zu rechtfertigen, dürfe nicht nach einem relativen, sondern nur nach einem absoluten Maßstab beurteilt werden; ein Minderbetrag von rund 2.815 DM müsse wegen seiner absoluten Höhe als hinreichend gewichtig angesehen werden. Das Finanzgericht vertrat den Standpunkt, daß für die Frage der Gewichtigkeit neuer Tatsachen ein aus absoluten und relativen Grenzen gemischter Maßstab (untere absolute Grenze 50 DM, obere absolute Grenze 500 DM, relative Grenze 8 bis 10 v. H. des ursprünglichen Steuerbetrages) anzuwenden sei und daher ein Minderbetrag an Umsatzsteuer von 2.815 DM für eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO ausreiche. Nach dem Grundsatz, daß bei einer Berichtigungsveranlagung der gesamte Steuerfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wiederaufzurollen sei, müsse die Umsatzsteuer für 1955 auch um die zu Unrecht festgesetzte Zusatzsteuer gemindert werden. Die Umsatzsteuer-Minderung von mehr als 2.800 DM auf Grund der bei der Betriebsprüfung festgestellten neuen Tatsachen könne im Verhältnis zu der durch die Wiederaufrollung sich ergebenden weiteren Umsatzsteuer-Minderung von ... DM (angenommen 1/2 Mio DM) nicht als geringfügig angesehen werden. Das Finanzgericht setzte daher, dem Antrage der Steuerpflichtigen entsprechend, die Umsatzsteuer für 1955 unter Aufhebung der Verfügung des Finanzamts vom 24. März 1960 durch Berichtigungsbescheid gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO auf ... DM herab.

Gegen dieses Urteil hat die Oberfinanzdirektion Rb. eingelegt, die sie darauf stützt, daß die Vorentscheidung auf einer unrichtigen Anwendung des § 222 AO beruhe. Die sich auf Grund der neuen Tatsachen ergebende Mindersteuer (2.815,04 DM) betrage nur etwa ... v. H. der vom Finanzamt festgesetzten Umsatzsteuer; die neuen Tatsachen könnten daher für eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO nicht als hinreichend gewichtig angesehen werden. Bei der Prüfung der Gewichtigkeit sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 515/56 U vom 5. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 52, Slg. Bd. 66 S. 132) kein absoluter, sondern ein relativer Maßstab anzulegen. Stelle man aber nicht auf diesen Maßstab, sondern in erster Linie auf die gesamten Umstände des einzelnen Falles ab, so sei darauf hinzuweisen, daß die Steuerpflichtige monatelang Arbeitskräfte angesetzt habe, um irgendwelche neuen Tatsachen zu finden, die eine niedrigere Umsatzsteuerveranlagung rechtfertigen könnten, das Ergebnis aber betragsmäßig und zum Teil auch dem Inhalt nach (doppelte Erfassung von ... DM Inkassobeträgen, die schon im nächsten Jahr storniert worden sind) sehr mager ausgefallen sei.

Müsse man demnach schon die Berichtigung der ursprünglich festgesetzten Umsatzsteuer um die Mindersteuer von 2.815,04 DM ablehnen, so dürfe eine etwaige Berichtigungsveranlagung keinesfalls zu einer Erstattung der Zusatzsteuer von ... DM führen, die mit den aufgefundenen neuen Tatsachen in keinerlei Zusammenhang stehe. Diese neuen Tatsachen dienten der Steuerpflichtigen nur zum Vorwand, um auf dem Wege über die Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles die rechtskräftig festgesetzte Zusatzsteuer zurückzuerhalten, die etwa das 205fache der auf die neuen Tatsachen entfallenden Mindersteuer ausmache. Es sei aber in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben geringfügige neue Tatsachen nicht zum Vorwand genommen werden dürften, um damit nicht in Zusammenhang stehende Fehler von sehr erheblicher finanzieller Tragweite durch Wiederaufrollung des Steuerfalles zu korrigieren. Dieser für Berichtigungen zuungunsten der Steuerpflichtigen (ß 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO) aufgestellte Grundsatz müsse auch für Berichtigungen zugunsten der Steuerpflichtigen (ß 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO) gelten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Oberfinanzdirektion kann keinen Erfolg haben.

I. - Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nicht jeder gegenüber der ursprünglichen Veranlagung höhere Steuerbetrag eine Berichtigungsveranlagung rechtfertigt, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs vielmehr die neuen Tatsachen, wenn sie zu einer Berichtigungsveranlagung führen sollen, "von einigem Gewicht" sein müssen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 180/59 U vom 8. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 225, Slg. Bd. 74 S. 610 und die dort angeführten weiteren Urteile). Der Senat stimmt mit dem Finanzgericht auch darin überein, daß die Frage, wann Tatsachen von einigem Gewicht vorliegen - für Berichtigungen sowohl zuungunsten (ß 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO) als auch zugunsten des Steuerpflichtigen (ß 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO) -, am gerechtesten nach einem Maßstab beurteilt wird, der die relative mit der absoluten Abgrenzungsweise dergestalt verbindet, daß Steuermehr- bzw. Steuerminderbeträge bis zu einer unteren absoluten Grenze unberücksichtigt bleiben, Steuermehr- bzw. Steuerminderbeträge von einer oberen absoluten Grenze an immer als gewichtig angesehen werden und bei dazwischen liegenden Steuermehr- bzw. Steuerminderbeträgen entscheidend ist, ob im Einzelfalle der Mehr- bzw. Minderbetrag im Verhältnis zur bisherigen Steuerschuld einen bestimmten Hundertsatz übersteigt. Der Senat hält allerdings im Regelfalle höhere Grenzbeträge, als in der Vorentscheidung angegeben werden, für angebracht, nämlich als untere absolute Grenze einen Betrag von 100 DM, als obere absolute Grenze einen Betrag von 1.000 DM und als relativen Maßstab einen Hundertsatz von 10 (Urteil V 180/59 U vom 8. Februar 1962 a. a. O.). Da im Streitfalle der Steuerminderbetrag (2.815,04 DM; wenn man die im nächsten Jahr ausgeglichene doppelte Verbuchung der Inkassobeträge außer Betracht läßt, ... DM) die obere absolute Grenze übersteigt, hat das Finanzgericht die bei der Betriebsprüfung festgestellten neuen Tatsachen zu Recht als hinreichend gewichtig angesehen und sie im Wege einer Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO zugunsten der Steuerpflichtigen berücksichtigt.

II. - Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß bei einer Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO grundsätzlich der gesamte Steuerfall neu aufzurollen ist. Hierbei sind Fehler, die in tatsächlicher und (oder) rechtlicher Hinsicht bei der Veranlagung unterlaufen sind, zu beheben (Urteile des Bundesfinanzhofs I 141/60 U vom 17. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 130, Slg. Bd. 72 S. 347; I 95 und 110/60 S vom 5. Juni 1962, BStBl 1963 III S. 100, Slg. Bd. 76 S. 282; I 300/61 vom 27. Februar 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 311). Das gilt auch für Sachverhalte, die mit den neu festgestellten Tatsachen in keinem Zusammenhang stehen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 22/54 vom 23. Juli 1957, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 21).

Die Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles findet allerdings - wie die Oberfinanzdirektion zutreffend hervorhebt - ihre Grenzen in dem Grundsatz von Treu und Glauben (Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 40/51 U vom 3. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 202, Slg. Bd. 55 S. 494). Es kann der Oberfinanzdirektion aber nicht gefolgt werden, wenn sie annimmt, dieser Grundsatz werde schon dadurch verletzt, daß ein Finanzamt im Wege der Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO einen Steuerfall neu aufrollt, obwohl die durch die neuen Tatsachen ausgelöste Mehrsteuer in einem starken Mißverhältnis zu der durch die Wiederaufrollung erwachsenden Mehrsteuer steht. Ein solcher Schluß ist aus der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht herzuleiten. Weder im Urteil des Reichsfinanzhofs I A 19/30 vom 7. März 1930 (Reichssteuerblatt 1930 S. 444) noch im Urteil des Bundesfinanzhof I 22/54 vom 23. Juli 1957 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 21) werden die sich aus den neuen Tatsachen und die sich aus der Wiederaufrollung ergebenden Mehrsteuern in ihrem zahlenmäßigen Verhältnis zueinander untersucht. Der erkennende Senat hat im Urteil V 264/58 U vom 21. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 480, Slg. Bd. 71 S. 619) zwar ausgesprochen, es würde Treu und Glauben widersprechen, wenn das Finanzamt eine wegen neuer Tatsachen zulässige, aber geringfügige Erhöhung der rechtskräftig festgesetzten Steuer zum Anlaß nehmen würde, den Steuerfall zuungunsten des Pflichtigen neu aufzurollen. Gleich anschließend fährt er aber fort, ein solcher Fall liege nicht vor, weil der auf Grund der neuen Tatsachen nachzuholende Steuerbetrag von 18.000 DM nicht als geringfügig angesehen werden könne. Es wird in diesem Urteil also nicht auf die relative, sondern auf die absolute Höhe des Steuermehrbetrages abgestellt. Ganz eindeutig vertritt der III. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil III 143/61 U vom 21. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 437) den Standpunkt, eine Wiederaufrollung des ganzen Steuerfalles werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß die mit den neuen Tatsachen oder Beweismitteln zusammenhängende Mehrsteuer außer Verhältnis zu der gesamten Mehrsteuer steht.

Ein Verstoß des Finanzamts gegen Treu und Glauben setzt ein Tun voraus, das Gewissen und Anstand zuwiderläuft und das Vertrauensverhältnis zum Steuerpflichtigen stört. Das wird in den oben angeführten Urteilen, auf die sich die beschwerdeführende Oberfinanzdirektion beruft, keineswegs übersehen (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 19/30 "... eine unbedeutende Tatsache dazu zu benutzen, ..."; ähnlich Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 22/54; V 264/58 U "... eine geringfügige Erhöhung der rechtskräftig festgesetzten Steuer zum Anlaß nehmen würde, ..."). Die Durchführung einer Berichtigungsveranlagung entsprechend den gesetzlichen Vorschriften allein stellt eine Treu und Glauben verletzende Verhaltensweise grundsätzlich auch dann nicht dar, wenn die durch die neuen Tatsachen und die durch die Wiederaufrollung sich ergebenden Mehrsteuern zahlenmäßig stark voneinander abweichen. Es müssen vielmehr in der Regel noch besondere, nachweisbare Umstände hinzutreten, die die Wiederaufrollung des ganzen Falles im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung als unbillig erscheinen lassen (z. B. Irreführung des Steuerpflichtigen durch das Finanzamt; frühere Zusage des Finanzamts, einen rechtlich zweifelhaften Sachverhalt in bestimmter Weise zu behandeln, und dergleichen). Bei Mehrsteuern auf Grund neuer Tatsachen, die in ihrer absoluten Höhe geringfügig sind, kann es im Einzelfalle gelegentlich anders sein. Da der Senat für die Umsatzsteuer Berichtigungsveranlagungen nur unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt (vgl. oben unter I.), werden solche Ausnahmefälle auf dem Gebiet der Umsatzsteuer nur selten praktisch werden.

Diese bisher für den Fall des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO aufgestellten Grundsätze müssen erst recht gelten, wenn es sich im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO um eine Wiederaufrollung des ganzen Steuerfalles und im Zusammenhang damit um die Beseitigung eines Rechtsfehlers zugunsten eines Steuerpflichtigen handelt. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Gesetzgeber in § 222 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 AO Fehlerberichtigungen zugunsten der Steuerpflichtigen in weit größerem Umfange zuläßt als zuungunsten der Steuerpflichtigen.

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann - wie die Oberfinanzdirektion einräumt - nicht schon darin erblickt werden, daß die Steuerpflichtige nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 1958 (a. a. O.) über die Nichtigkeit der Hersteller-Zusatzsteuer in monatelanger Kleinarbeit ihre Bücher auf neue Tatsachen hat durchsehen lassen, die eine Berichtigung der rechtskräftigen Veranlagung zu ihren Gunsten herbeiführen konnten. Es ist das gute Recht des Steuerpflichtigen, eine solche Prüfung seiner Bücher vorzunehmen, ebenso wie es das Recht und sogar die Pflicht des Finanzamts ist, im Verlauf einer Betriebsprüfung alle neuen Tatsachen und Beweismittel zuungunsten wie zugunsten des Steuerpflichtigen festzuhalten und beim überschreiten der Gewichtigkeitsgrenzen (gegebenenfalls unter Beachtung des § 234 AO) eine Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 bzw. Ziff. 2 AO durchzuführen. Ein unbilliges Verhalten der Steuerpflichtigen ist auch nicht darin zu sehen, daß sie anläßlich der Betriebsprüfung das Finanzamt gebeten hat, bei der Berichtigungsveranlagung im Rahmen der Wiederaufrollung des ganzen Falles die zu Unrecht erfolgte Heranziehung zur Hersteller-Zusatzsteuer rückgängig zu machen. Stellt nach den obigen Ausführungen die Wiederaufrollung des ganzen Falles allein ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten regelmäßig nicht dar, so muß das erst recht für das bloße Verlangen einer Wiederaufrollung gelten. Hiervon abgesehen hätte es eines solchen Verlangens seitens der Steuerpflichtigen gar nicht bedurft. Denn das Finanzamt mußte gemäß § 204 Abs. 1 AO nach Kenntnisnahme von den eine Berichtigungsveranlagung zugunsten der Steuerpflichtigen auslösenden neuen Tatsachen die Wiederaufrollung, auch soweit sie der Steuerpflichtigen große steuerliche Vorteile brachte, von Amts wegen vornehmen. Sonstige Umstände, aus denen ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten der Steuerpflichtigen sich ergeben könnte, sind von der Oberfinanzdirektion nicht vorgetragen und aus den Akten nicht ersichtlich.

Da der Senat somit die Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles für berechtigt hält, bedarf es keines Eingehens auf die von der Vorinstanz zusätzlich erörterte Frage, ob eine Wiederaufrollung im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung ohne jede Einschränkung stattzufinden hat, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsnorm für verfassungswidrig erklärt hat.

Die Rb. der Oberfinanzdirektion war daher mit der Rechtsfolge aus §§ 307, 309 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411321

BStBl III 1964, 540

BFHE 1965, 185

BFHE 80, 185

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