Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zurechnung von Einkünften gegenüber einer ausländischen Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Verluste, die eine ausländische Kapitalgesellschaft erzielt, können nicht ihren inländischen Gesellschaftern zugerechnet werden.

2. Für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft kommt es auf das Recht des Staates an, in dem die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung hat.

3. Auf Treu und Glauben kann sich ein Steuerpflichtiger nicht berufen, wenn er seinerseits seinen Mitwirkungspflichten nicht voll genügt hat.

 

Normenkette

FGO §§ 127, 96 Abs. 2; KStG 1977 § 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren seit 1971 Gesellschafter der von ihnen zusammen mit einem spanischen Strohmann gegründeten Sociedad Anonima (A-SA) mit Sitz auf Mallorca/Spanien. In die Gesellschaft wurde das von den Klägern im Jahre 1967 auf Mallorca errichtete Ferienhaus Casa A und ein in 1969 für die Errichtung eines Appartementhauses auf Mallorca erworbenes Grundstück Casa B eingebracht. Das Appartementhaus Casa B wurde von der Gesellschaft bis 1971 errichtet.

Als Folge einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die Streitjahre (1973 und 1974) Änderungsbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Mit der Begründung, daß die Kläger nicht Eigentümer des in Spanien belegenen Grundbesitzes seien, machte das FA den bisherigen Ansatz folgender Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung rückgängig:

1973 1974

Casa A + 623 DM ./. 582 DM

Casa B ./. 44084 DM ./. 41711 DM

./. 43461 DM ./. 42293 DM.

Zusätzlich setzte das FA unter Anwendung des § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) Einkünfte aus Kapitalvermögen (in Höhe von 26943 DM in 1973 und 30998 DM in 1974) wegen fiktiver Zinseinnahmen für von den Klägern der spanischen Gesellschaft gewährte Privatdarlehen an.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung der §§ 1 AStG und 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

Das FA hat am 13. November 1992 und damit während des Revisionsverfahrens die streitigen Beträge geändert, indem es mit Blick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Mai 1990 I R 97/88 (BFHE 160, 567, BStBl II 1990, 875) die Steuerbemessungsgrundlage um die angesetzten fiktiven Zinsen gemäß § 1 AStG gemindert und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt hat. Die Kläger haben die Änderungsbescheide gemäß § 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Revisionsverfahren übergeleitet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist mit der Maßgabe unbegründet, daß die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen die geänderten Bescheide abzuweisen war (§ 127 FGO).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die ergangenen Änderungsbescheide vom 13. November 1992. Nach § 127 FGO kann der BFH in einem solchen Fall das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen. Im Streitfall bedarf es keiner Zurückweisung, da die Sache spruchreif ist; denn hinsichtlich der Streitfrage, ob die Verluste aus Vermietung und Verpachtung der in Spanien belegenen Grundstücke den Klägern zuzurechnen sind, ist durch Änderung der Bescheide kein neuer Sachverhalt eingetreten.

Die Entscheidung in der Sache selbst setzt aber voraus, daß der BFH das FG-Urteil aufhebt, obwohl es in bezug auf die verbliebene Streitfrage keinen Rechtsfehler erkennen läßt (vgl. BFH-Urteile vom 20. Juli 1988 II R 164/85, BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 955, und vom 2. Februar 1973 III R 27/72, BFHE 108, 297, 299, BStBl II 1973, 501). Denn dieses Urteil betraf einen Verwaltungsakt, der nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.

2. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensrügen sind jedenfalls nicht begründet. Der Senat muß darüber entscheiden, obwohl er das FG-Urteil aufhob, denn die damit festgestellten Tatsachen bilden Grundlage der weiteren Entscheidung.

Das FG hat das Recht der Kläger auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) nicht verletzt. Sie konnten - da im FG-Verfahren rechtlich vertreten - entgegen ihrem Vorbringen nicht davon überrascht sein, daß der Senat des FG, der die angegriffene Entscheidung fällte, eine andere Rechtsauffassung vertreten hat als der Berichterstatter im voraufgehenden Erörterungstermin. Überdies konnte die Äußerung des Berichterstatters in diesem Erörterungstermin bei den Klägern nicht den Eindruck aufkommen lassen, die Rechtsfrage der Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 sei nach Auffassung des Berichterstatters zu ihren Gunsten geklärt. Ausweislich des Protokolls wies der Berichterstatter zwar das FA auf die Anlage zum Steuerbescheid 1972 hin, aus der sich Kenntnis der spanischen Einkünfte ableiten läßt. Mit Verfügung vom 18. Oktober 1990 gab aber der Berichterstatter den Klägern gemäß Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) auf, bis zum 15. November 1990 Ablichtungen der (spanischen) Belege vorzulegen, wonach sich nach Ansicht der Kläger das FA für die Streitjahre nicht mehr auf neue Tatsachen berufen könne. Zumindest daraus hätten die Kläger entnehmen müssen, daß die Frage der Änderungsbefugnis noch offen war, und dazu Stellung nehmen können.

Hinsichtlich der vom Kläger erhobenen Aufklärungsrüge, die ebenfalls ohne Erfolg bleibt, sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) von einer Begründung ab.

3. Der erkennende Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst. Die Klage gegen die streitigen Änderungsbescheide 1973 und 1974 war abzuweisen.

Aufgrund der Feststellungen des FG geht der Senat davon aus, daß die spanische A-S.A. die streitigen Verluste aus Vermietung und Verpachtung als Körperschaftsteuersubjekt i.S. des § 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG) erzielte. Die Verluste können damit nicht den Klägern zugerechnet werden.

a) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) verwirklicht und dadurch Einkünfte erzielt (BFH-Urteil vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des IX.Senats des BFH (vgl. Urteil vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319, BStBl II 1992, 506, m.w.N.) verwirklicht derjenige den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung, der Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist. Das FG hat mit Blick darauf, ob dem FA eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nachträglich bekannt geworden ist, ausgeführt, aus den Handwerkerrechnungen könne nicht schon entnommen werden, daß die A-S.A. diejenigen Mieteinkünfte erzielte, die von den Klägern als eigene ab 1973 erklärt wurden. Damit hat das FG konkludent festgestellt, daß die Mieteinkünfte der spanischen Gesellschaft und nicht den Klägern zuzurechnen sind. Dies ist zudem zwischen den Beteiligten unstreitig.

b) Das FG ist stillschweigend davon ausgegangen, daß die A-S.A. als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln ist, mithin die von ihr erzielten Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht den Klägern zugerechnet werden können. Auch insoweit wurden Einwendungen weder erhoben, noch sind solche ersichtlich.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt bei rechtsfähigen ausländischen Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland darauf ab, ob sie dem Typ nach einer der unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG fallenden Kapitalgesellschaften oder sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts entsprechen (BFH-Urteil vom 23. Juni 1992 IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972, m.w.N.). Nach den Feststellungen des FG hatte die A-S.A. ihren Sitz in Spanien. Unterstellt man, daß sie dort ebenfalls ihre Geschäftsleitung hatte, so ist diese Gesellschaft nach deutschem Steuerrecht als Körperschaftsteuersubjekt anzusehen.

Bei ausländischen Gesellschaften kommt es für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit auf das Recht des ausländischen Staates an, wenn die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung im Ausland hat (BFH-Urteile vom 6. November 1980 IV R 182/77, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220, und vom 27. Juli 1988 I R 161/87, BFH/NV 1989, 258; vgl. auch BFH-Beschluß vom 13. November 1991 I B 72/91, BFHE 166, 238, BStBl II 1992, 263). Nach dem im Streitfall maßgeblichen spanischen Gesellschaftsrecht ist aber die Sociedad Anónima als traditionelle Rechtsform der Kapitalgesellschaft wie die deutsche AG mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet (Fischer/Fischer, Spanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Heidelberg 1983, Rdnr. 52, und Gándara in Löber/Peuster, Aktuelles spanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Frankfurt/Köln u.a. 1991, S. 54) und entspricht ihrer Organisation und Struktur nach einer deutschen Kapitalgesellschaft (Dötsch/Eversberg/Jost/ Witt, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 1 Rdnr. 91; Flick/Wassermeyer/ Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, Anhang zu § 7 AStG; vgl. ferner Nr. 1 der Anlage zu § 44d EStG 1992).

Geht man hingegegen davon aus, daß die A-S.A. ihre Geschäftsleitung im Inland hat, so ist sie, da sie einer Kapitalgesellschaft vergleichbar ist, nach der Rechtsprechung des IX.Senats in BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972 als Körperschaftsteuersubjekt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 3 Abs. 1 KStG zu behandeln. In diesem Fall kommt es ebensowenig in Betracht, von ihr erzielte negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den Klägern zuzurechnen.

4. Das FA war - wie das FG zutreffend erkannt hat - berechtigt, gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 durch Änderung der ursprünglichen Steuerbescheide für die Streitjahre zu berücksichtigen, daß die streitigen Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht den Klägern zuzurechnen sind.

Diese Tatsache war dem FA beim Erlaß der Erstbescheide für 1973 und 1974 am 10. Juni 1975 und 18. August 1976 noch nicht bekannt. Dafür ist es ohne Belang, ob dem FA damals bereits die Existenz der spanischen Gesellschaft bekannt war. Denn daraus folgt nicht ohne weiteres, daß diese (und nicht die Kläger) die streitigen negativen Einkünfte erzielte.

Das Recht des FA zur Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist zwar nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn ihm die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Darauf zielt der Einwand der Kläger, das FA hätte aus den an die A-S.A. adressierten Rechnungen, mit denen die Kläger ihre Werbungskosten bei den streitigen Einkünften belegt hätten, entnehmen müssen, daß die Einkünfte nicht den Klägern, sondern der A-S.A. zuzurechnen seien. Auf Treu und Glauben können sich die Kläger aber nur dann berufen,wenn sie ihrerseits ihren Mitwirkungspflichten voll genügt haben (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241; vom 17. Oktober 1989 VII R 58/87, BFHE 158, 466, BStBl II 1990, 249, und vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047). Dem steht entgegen, daß die Kläger die streitigen Einkünfte nach den Feststellungen des FG in ihren Steuererklärungen ab 1973 als eigene erklärt hatten. Das FA braucht Steuererklärungen nicht mit Mißtrauen zu begegnen, sondern kann regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Steuererklärung ausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1). Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären - wie es im Streitfall in Betracht kommt -, dann trifft in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, daß der Steuerbescheid geändert werden kann. Hinzu kommt, daß vom FA ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen gewesen wäre, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs des EStG bezieht. Insoweit kam den Klägern eine gesteigerte Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO 1977 zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419292

BFH/NV 1994, 661

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