Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Vorsteuerabzug der Sozietät aus Erwerb durch einen Sozius; zur Bindung des FA nach Treu und Glauben an eine Auffassung des Betriebsprüfers

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Sozietät (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Gesellschafter Gegenstände erwerben und unentgeltlich im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit der Sozietät nutzen.

2. Sog. ,,Verständigungen" zwischen FA und Steuerpflichtigen im Rahmen von Schlußbesprechungen sind nur im Bereich von Sachverhaltsunklarheiten und -ungewißheiten möglich und setzen überdies voraus, daß auf seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist (nicht der Betriebsprüfer).

3. Steuervereinbarungen über den Steueranspruch sind grundsätzlich unzulässig - soweit die Absprache nicht als ,,Zusage" gesehen werden kann -.

 

Normenkette

UStG 1980 § 15; AO 1977 § 204

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine Anwaltssozietät - bestand bis zum 31. Dezember 1983. Jeder der Anwälte der Sozietät besaß einen auf seinen Namen zugelassenen Pkw, den er - so die Feststellungen - zu rd. 90 v. H. für Sozietätszwecke nutzte. Die Rechnungen über die Anschaffung der Pkw und die sonstigen Pkw-Kosten waren auf die einzelnen Anwälte ausgestellt. Die Vorsteuern aus diesen Rechnungen machte die Klägerin (Sozietät) geltend. Dieses Verfahren wurde nach Abschluß einer Betriebsprüfung für die Jahre 1976 bis 1978 im Rahmen einer Schlußbesprechung 1980 erörtert und nicht beanstandet.

Die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1980 bis 1982 ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung. Eine Betriebsprüfung für diese Besteuerungszeiträume im Jahr 1984 ergab hinsichtlich der Vorsteuern im Zusammenhang mit den Pkw-Kosten zunächst ebenfalls keine Beanstandungen. Die Vorgänge waren auch nicht mehr Gegenstand der Schlußbesprechung 1984. Im Betriebsprüfungsbericht vom 14. August 1984 hielt sich der Prüfer jedoch an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Januar 1984 V R 65/76 (BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231), das den Vorsteuerabzug durch eine Anwaltssozietät bei Anschaffung von Pkw durch die einzelnen Anwälte verneinte. In den geänderten Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA ―) die entsprechenden Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu.

Einspruch und Klage hatten zu diesem Punkt keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) bezog sich zum einen auf das Urteil in BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231. Zum anderen führte es aus, der Vorsteuerabzug könne auch nicht nach Treu und Glauben gewährt werden. Aus der Zustimmung des Betriebsprüfers zum Vorsteuerabzug durch die Sozietät im Rahmen der Schlußbesprechung 1980, auf die sich die Klägerin berufe, könne keine verbindliche Zusage der Finanzverwaltung des Inhalts hergeleitet werden, den Steuerfall auch für die damals noch nicht geprüften Streitjahre in gleicher Weise zu behandeln. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung könne nur ein für die Veranlagung zuständiger Beamter (im allgemeinen der Sachgebietsleiter) eine verbindliche Zusage erteilen. Der Betriebsprüfer gehöre grundsätzlich nicht zu den zuständigen Personen. Überdies seien im Rahmen der Betriebsprüfung des Jahres 1980 der Vorsteuerabzug nicht angesprochen und der Sachverhalt nicht eindeutig dargestellt worden, so daß die Veranlagungsbeamten die Streitfragen hätten erkennen können. Der Betriebsprüfer habe der Prüfung nur seine eigene Auffassung zugrunde gelegt und diese gegenüber den Vertretern der Klägerin geäußert. Daß die Klägerin diese Meinungsäußerung des Prüfers als für die Umsatzsteuerfestsetzung auch der folgenden Jahre verbindlich angesehen und darauf vertraut und entsprechend disponiert habe, führe nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu einer Bindung des FA für die folgenden Jahre (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1966 V 181/63, BFHE 87, 469, BStBl III 1967, 212).

Das FG ließ jedoch die Revision zu; denn es sei ,,von grundsätzlicher Bedeutung, ob Steuerpflichtige auf die bei einer Betriebsprüfung deutlich geäußerte Rechtsmeinung des Prüfers, die er auch seinem Betriebsprüfungsbericht zugrunde legt, nicht wenigstens in solchen Fällen vertrauen können, in denen sie ihre steuerlichen Verhältnisse unschwer anders hätten einrichten und den gewünschten steuerlichen Erfolg hätten erzielen können, wenn ihnen in diesem frühen Zeitpunkt die Rechtslage zutreffend dargelegt worden wäre".

Die Klägerin rügt mit der Revision unzutreffende Ablehnung einer Bindung des FA an seine ursprüngliche Behandlung des Vorsteuerabzugs nach Treu und Glauben durch das FG. Sie trägt im wesentlichen vor: Zum einen widerspreche es Treu und Glauben, daß der Prüfer, nachdem er während der Prüfung und auch der Schlußbesprechung den Vorsteuerabzug gebilligt habe, erst im Rahmen der verzögerten Abfassung des Prüfungsberichts heimlich die neue Rechtsprechung berücksichtigt und sie, die Klägerin, mit einem gegenteiligen Ergebnis überrascht habe. Das gelte um so mehr, als der Vorsteuerabzug nicht einmal Streitpunkt gewesen, sondern ausdrücklich vom Prüfer anerkannt worden sei. Zum andern müsse gelten, daß ein im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestelltes Ergebnis das FA binden müsse, und dies sogar dann, wenn eine falsche Rechtsmeinung festgeschrieben worden sei. Die Betriebsprüfung sei keine unabhängige Behörde, sondern dem FA organisatorisch eingegliedert. Da jede am Geschäftsverkehr teilnehmende Rechtsperson für Fehler auch ihrer Erfüllungsgehilfen einstehen müsse, habe das uneingeschränkt ebenso für das Ergebnis einer Betriebsprüfung zu gelten. Die unterschiedlichen Kompetenzen, auf die das FA zurückgreife, seien dem Steuerpflichtigen in dieser Form gar nicht geläufig und stünden im allgemeinen Rechtsverkehr nicht zur Verfügung.

Das Ergebnis einer Betriebsprüfung sei eine Tatsachenfeststellung mit steuerrechtlichen Folgen, die der Steuerpflichtige als endgültig und bindend entgegennehme, wenn er nicht ausdrücklich abweichende Rechtsauffassungen vorbringe. Wolle das FA einen Rechtsschein nicht aufkommen lassen, dann solle es bereits in dem Prüfungsbericht durch den Prüfer ausdrücklich klarstellen, daß die Feststellungen und Rechtsfolgen daraus für die Veranlagung nicht bindend seien. Andernfalls müsse der Steuerpflichtige zwecks Vermeidung unvorhergesehener, insbesondere finanzieller Nachteile darauf drängen, daß an der Schlußbesprechung alle Sachgebietsleiter der Steuerarten teilnähmen, die Gegenstand der Prüfung seien. Daß dies die FÄ funktionsunfähig machen könnte, sei vorstellbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. FA und FG haben sich ohne Rechtsverstoß an das BFH-Urteil in BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231 gehalten, nach dem eine Sozietät nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn ihre Sozi Gegenstände erwerben und (unentgeltlich) im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit der Sozietät nutzen. Der Senat hat an dieser Rechtsprechung weiterhin festgehalten (vgl. zuletzt Beschluß vom 9. März 1989 V B 48/88, BFHE 156, 535, BStBl II 1989, 580).

2. Auch eine Bindung des FA nach Treu und Glauben an eine Auffassung des Betriebsprüfers hat das FG ohne Rechtsverstoß verneint.

Die Voraussetzungen einer sog. verbindlichen Zusage aufgrund einer Außenprüfung bestanden weder im Rahmen der 1980 noch der 1984 durchgeführten Betriebsprüfung. Nach § 204 der Abgabenordnung (AO 1977) hätte ,,die Finanzbehörde" im Anschluß an die Außenprüfung der Klägerin auf Antrag verbindlich zusagen müssen, wie die Frage des Vorsteuerabzugs bei den Pkw-Kosten als ,,ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt" werde, weil die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen der Klägerin von Bedeutung waren. Abgesehen davon, daß nach den Feststellungen des FG dieser Sachverhalt im Prüfungsbericht nicht dargestellt wurde, fehlt es an einem Antrag auf eine Zusage durch ,,die Finanzbehörde", also durch die für die Veranlagung zuständigen Beamten.

Ebenso fehlt eine außerhalb der Außenprüfung ergangene verbindliche Auskunft des FA; denn auch eine solche kann nur durch die für die Veranlagung zuständigen Beamten erteilt werden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274).

Eine Absprache im Rahmen der Schlußbesprechung bei einer der beiden Betriebsprüfungen mit bindender Wirkung für die Umsatzsteuerfestsetzungen in den Streitjahren scheidet ebenfalls aus. Dabei kann offenbleiben, ob - wie das FA in der Revisionserwiderung ausführt - lediglich auf die Schlußbesprechung des Jahres 1980 abgestellt werden könne, weil bei der Schlußbesprechung des Jahres 1984 die maßgeblichen Sachverhalte bereits verwirklicht gewesen seien und ein Handeln der Klägerin im Vertrauen auf die Richtigkeit der Aussage des Prüfers nicht mehr in Betracht gekommen sei, oder ob man bei Absprachen im Rahmen einer Schlußbesprechung auch eine Bindung für die Beurteilung eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalts für möglich hält (vgl. insoweit z. B. die Ausführungen bei Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., vor § 204 Tz. 34). Sog. ,,Verständigungen" zwischen FA und Steuerpflichtigen im Rahmen von Schlußbesprechungen sind nach der Rechtsprechung des BFH ohnehin nur im Bereich von Sachverhaltsunklarheiten und -ungewißheiten möglich und setzen überdies voraus, daß auf seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist (zuletzt Urteil vom 5. Oktober 1990 III R 19/88, BFHE 162, 211, BStBl II 1991, 45, m. w. N.). Hingegen sind sog. Steuervereinbarungen über den Steueranspruch nach der vorbezeichneten Rechtsprechung grundsätzlich unzulässig - soweit die Absprache im Rahmen der Schlußbesprechung nicht als ,,Zusage" gesehen werden kann -. Daß letzteres nicht in Betracht kommt, weil es schon an der Darstellung der Frage im Prüfungsbericht von 1980 (auf den hin allein Dispositionsmöglichkeiten der Klägerin für die Streitjahre noch in Betracht gekommen sind) fehlt, folgt aus den Feststellungen des FG, die für den Senat mangels verfahrensrechtlicher Angriffe bindend sind (§ 118 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zugunsten der Klägerin greift auch kein Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 ein. Nach dieser Vorschrift darf bei Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Das Urteil des BFH in BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231, auf dem die Steuerbescheide der Streitjahre beruhen, enthält keine Änderung der Rechtsprechung des BFH im Streitpunkt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 846

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge