Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung des Werbungskostenabzugs bei Unterschreiten der ortsüblichen Miete - Anpassung des Revisionsbegehrens bei Erlaß eines Änderungsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

Wird für Veranlagungszeiträume vor 1987 eine Wohnung zu einem vereinbarten und gezahlten Mietzins überlassen, der die ortsübliche Miete um nicht mehr als ein Drittel unterschreitet, ist die Wohnungsüberlassung als vollentgeltlich zu beurteilen, so daß keine Werbungskostenkürzung vorzunehmen ist (Anschluß an Senatsurteil vom 15.Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490).

 

Orientierungssatz

Hat das FG der Klage stattgegeben, erläßt das FA während des von ihm betriebenen Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision einen die Einkommensteuer herabsetzenden Änderungsbescheid, den der Kläger zum Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gemacht hat, so kann der BFH mit der zugelassenen, aber zurückgewiesenen Revision die Steuerfestsetzung des FG unterschreiten. Dies folgt aus Sinn und Zweck der §§ 68, 123 FGO (zulässige Klageerweiterung). Eine ausdrückliche Anpassung des prozessualen Begehrens an den veränderten Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist entbehrlich, wenn der in der Revisionsinstanz gestellte Antrag (Zurückweisung der Revision) in Verbindung mit dem Antrag nach § 68 FGO das letztlich verfolgte Rechtsschutzziel eindeutig erkennen läßt.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1, 2 Alt. 2, § 9 Abs. 1 S. 1; FGO §§ 68, 123, 65 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie haben im Streitjahr 1985 eine Eigentumswohnung erworben, die sie an die Mutter der Klägerin mit Mietvertrag zu einem jährlichen Mietzins von 4 792 DM vermietet haben, der unstreitig um 23 v.H. unter dem ortsüblichen Mietzins laut Mietspiegel von 6 160 DM liegt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) kürzte bei der Einkommensteuerfestsetzung 1985 die Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung um 9 089 DM (*= 23 v.H. von 39 518 DM) der auf die Wohnung der Mutter entfallenden Aufwendungen des Streitjahres mit der Begründung, die Wohnung werde teilweise unentgeltlich aufgrund einer gesicherten Rechtsposition einer nahen Angehörigen überlassen. Die Kläger hätten aus persönlichen (privaten) Gründen auf 23 v.H. der ortsüblichen Marktmiete verzichtet. Dieser Einnahmeverzicht habe eine entsprechende Kürzung der auf diese Wohnung entfallenden Werbungskosten zur Folge.

Das Finanzgericht (FG) gab nach erfolglosem Einspruch der Klage statt. Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, erhob das FA Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision. Während dieses Verfahrens erließ das FA für das Streitjahr einen hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags vorläufigen Änderungsbescheid und berücksichtigte dabei die erhöhten Kinderfreibeträge gemäß § 32 Abs.8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1983 i.d.F. des Art.1 Nr.18 des Steueränderungsgesetzes --StÄndG-- 1991 (BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665). Die Kläger haben diesen Bescheid gemäß §§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gemacht. Der Senat hat die Revision zugelassen.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 21 Abs.2 Satz 2 EStG 1987, § 12 Nr.2 EStG. Zur Begründung führt es aus, das FG habe rechtsfehlerhaft die ab dem Veranlagungszeitraum 1987 geltende Gesetzesregelung des § 21 Abs.2 Satz 2 EStG 1987 (sog. 50 v.H.-Grenze) auch auf das Streitjahr 1985 ausgedehnt. Werde --wie im Streitfall-- eine Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition einer nahen Angehörigen zu 77 v.H. der ortsüblichen Miete überlassen, so komme nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Senatsurteile vom 4.Juni 1986 IX R 80/85, BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839; vom 7.Oktober 1986 IX R 167/83, BFHE 148, 501, BStBl II 1987, 322; vom 21.Oktober 1987 IX R 129, 131/84, BFH/NV 1988, 437) eine dem Einnahmeverzicht entsprechende Kürzung des Werbungskostenabzugs (23 v.H.) in Betracht.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Steuer auf 38 460 DM herabgesetzt wird. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung nicht gekürzt (§ 126 Abs.4 FGO).

1. Eine teilweise unentgeltliche Nutzungsüberlassung einer Wohnung mit der Folge, daß eine dem Einnahmeverzicht entsprechende Kürzung der Werbungskosten vorzunehmen ist, liegt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats vor, wenn die vereinbarte und gezahlte Miete erheblich niedriger als die ortsübliche Marktmiete ist. Dies ist für Veranlagungszeiträume vor 1987 stets anzunehmen, wenn die ortsübliche Miete um mehr als ein Drittel unterschritten wird. Liegt die Vertragsmiete lediglich bis einschließlich einem Drittel unter der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Wohnungsüberlassung als vollentgeltlich zu beurteilen; die Werbungskosten sind in diesem Fall nicht zu kürzen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen unter 1. bis 3. in seiner Entscheidung vom 15.Dezember 1992 IX R 13/90 (BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490). Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze gelten uneingeschränkt auch im Streitfall.

2. Nach den unangefochtenen und damit den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs.2 FGO) Feststellungen des FG betrug die von der Mutter der Klägerin aufgrund des Mietvertrags entrichtete Miete 77 v.H. der ortsüblichen Marktmiete. Es ist dementsprechend im Streitfall von einer vollentgeltlichen Wohnungsüberlassung auszugehen. Eine Kürzung der Werbungskosten ist nicht vorzunehmen.

3. Die Einkommensteuer 1985 ist dementsprechend unter Ansatz weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von 9 089 DM festzusetzen.

a) Da hierbei im Revisionsverfahren von dem nach § 68 FGO zum Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gemachten Änderungsbescheid auszugehen ist, unterschreitet die Steuerfestsetzung des Senats diejenige der Vorentscheidung, obwohl nur das FA Revision eingelegt hat. Damit hält sich der Senat jedoch im Rahmen des Antrags des FA, die Klage abzuweisen. Denn die Klage richtet sich gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 28.Januar 1992, über den nach Revisionszulassung im Revisionsverfahren erstmals zu entscheiden ist.

Dies folgt aus den §§ 68, 123 FGO. Diese Vorschriften eröffnen im Interesse der Prozeßökonomie dem Kläger die Möglichkeit, einen während des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision oder während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheid nicht gesondert mit Einspruch und Klage anzufechten, sondern ihn unmittelbar in das Rechtsmittelverfahren einzuführen und damit dessen Streitgegenstand auszutauschen. Der Kläger darf nach Zulassung der Revision sein dem neuen Verfahrensgegenstand entsprechendes geändertes Begehren in der Revisionsinstanz durch einen entsprechenden, bestimmten Antrag geltend machen und begründen. Eine ausdrückliche Anpassung des prozessualen Begehrens an den veränderten Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist entbehrlich, wenn --wie im Streitfall-- der in der Revisionsinstanz gestellte Antrag in Verbindung mit dem Antrag nach § 68 FGO im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision das letztlich verfolgte Rechtsschutzziel eindeutig erkennen läßt.

Im Streitfall steht aufgrund des Antrags der Kläger, das FG- Urteil zu bestätigen, fest, daß sie den Abzug weiterer Werbungskosten von 9 089 DM begehren. Aufgrund des Antrags nach § 68 FGO richtet sich dieses Begehren nunmehr gegen den Änderungsbescheid vom 28.Januar 1992, der die Kinderfreibeträge nach § 54 EStG i.d.F. des StÄndG 1991 berücksichtigt hat. Darin liegt sinngemäß zugleich eine nach § 123 FGO zulässige Klageerweiterung mit dem Ziel, die Einkommensteuer niedriger als in der Vorentscheidung festzusetzen.

b) Danach ergibt sich folgende Steuerberechnung (wird ausgeführt).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64909

BFH/NV 1993, 47

BStBl II 1993, 606

BFHE 171, 181

BFHE 1994, 181

BB 1993, 1352 (L)

DB 1993, 1958 (L)

DStZ 1993, 539 (KT)

HFR 1993, 515 (L)

StE 1993, 366 (K)

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