Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur beruflichen Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung

 

Leitsatz (NV)

Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht beruflich veranlaßt, wenn bisher an ihrem gemeinsamen Beschäftigungsort wohnende Ehegatten nach der Eheschließung eine nicht am Beschäftigungsort - des nunmehr allein berufstätigen Ehegatten - liegende Wohnung zu ihrem Familienwohnsitz machen. Dabei ist unerheblich, ob diese Familienwohnung bereits vor der Eheschließung den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieses Ehegatten darstellte.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß im Jahre 1978 sein Medizinstudium ab und strebte die Weiterbildung zum Facharzt an. Dazu mußte er mindestens fünf Jahre lang als Assistenzarzt tätig sein.

Der Kläger war ab 1979 als Assistenzarzt in einem Krankenhaus in X beschäftigt. Sein Chefarzt hatte zunächst die Ermächtigung zur Weiterbildung im Fach . . . nur für zwei Jahre. Sie wurde von der Ärztekammer im Jahre 1980 auf drei Jahre und schließlich - im Jahre 1982 - auf vier Jahre verlängert. Der Kläger blieb daraufhin bis zum Jahre 1983 am Krankenhaus in X. Die restliche Weiterbildungszeit leistete er am Krankenhaus in Y ab und ist nunmehr als Facharzt in Z zugelassen.

Der Kläger bewohnte während seines Aufenthalts in X ein Einzelzimmerappartement. Er behielt darüber hinaus seine - von ihm schon vorher genutzte - Mietwohnung im Hause seiner Eltern in Z bei und fuhr wöchentlich einmal - oder auch häufiger - von X nach Z. Dort befand sich auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen.

Im Jahre 1982 heiratete der Kläger. Seine Ehefrau war ab dem Jahre 1981 ebenfalls als Ärztin am Krankenhaus in X beschäftigt gewesen. Sie hatte ihren Hauptwohnsitz - und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen - im Hause ihrer Eltern in T. Sie gab nach der Heirat ihre Berufstätigkeit auf und setzte an der Universität in Z ihre Promotion fort. Die Eheleute begründeten in der Wohnung des Klägers in Z ihre gemeinsame Familienwohnung.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die vom Kläger für das gesamte Streitjahr 1982 geltend gemachten Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht, sondern ließ nur für die Zeit ab der Eheschließung Fahrtkosten für eine wöchentliche Heimfahrt nach Z mit dem eigenen Pkw in Höhe von . . . DM zum Abzug zu.

Mit seiner - nach in diesem Punkte erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen - Klage machte der Kläger geltend, daß zumindest ab dem Zeitpunkt der Eheschließung die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung gegeben seien. Außerdem begehrte er noch die Berücksichtigung von bisher von ihm versehentlich nicht aufgeführter Fahrtkosten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 490 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus:

Die doppelte Haushaltsführung sei ab dem Zeitpunkt der Eheschließung beruflich veranlaßt gewesen. Das FG teile zwar die Auffassung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306), daß eine doppelte Haushaltsführung nicht auf beruflichen, sondern auf privaten Gründen beruhe, wenn nur ein Ehegatte berufstätig sei und dieser von seinem Arbeitsort wegziehe, weil die Eheleute die Wohnung des anderen Ehegatten zur Familienwohnung bestimmt hätten. Im Streitfall treffe dies jedoch nicht zu. Der Kläger als der allein berufstätige Ehegatte führe vielmehr seine bereits früher aus beruflichem Anlaß begründeten - allerdings steuerrechtlich bisher nicht anerkannten - zwei Haushalte fort. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Der Kläger fahre nach wie vor vom Mittelpunkt seiner Lebensinteressen aus zum Beschäftigungsort. Seien in einem solchen Falle aufgrund privater Ereignisse (Eheschließung) nachträglich die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegeben, so stellten die dadurch anfallenden Aufwendungen von diesem Zeitpunkt an Werbungskosten dar. Dies sei vom BFH (Urteil vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338) bei der nachträglichen Aufsplittung zweier von Ehegatten bisher gemeinsam geführter Haushalte bejaht worden. Es müsse in gleicher Weise gelten, wenn die vom Beschäftigungsort entfernter liegende Wohnung bereits zuvor der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen des berufstätigen Steuerpflichtigen gewesen sei und nunmehr - z. B. durch die Aufnahme eines Ehepartners - mit hauswirtschaftlichem Leben erfüllt werde.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist im wesentlichen begründet. Sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer 1982 auf . . . DM. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zu den Werbungskosten gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG auch notwendige Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG). Die dadurch entstandenen notwendigen Mehraufwendungen sind Werbungskosten, wenn die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlaß begründet worden ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Allein der Umstand, daß zwei Haushalte vorhanden sind, reicht für eine solche Annahme nicht aus (BFH-Urteil vom 26. November 1976 VI R 153/74, BFHE 120, 520, BStBl II 1977, 158). Ebensowenig ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige schon bisher aus beruflichen Gründen zwei Wohnungen innehatte, ohne daß jedoch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG gegeben waren (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1988 VI R 162/85, BFH / NV 1989, 296). Ausschlaggebend ist vielmehr, ob eine bisher einheitliche Haushaltsführung aus beruflichen Gründen in zwei Haushalte i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG, d. h. in die Wohnung des Arbeitnehmers am Beschäftigungsort und in den hiervon abweichenden Familienhausstand, aufgesplittert worden ist (z. B. BFH-Urteile vom 2. Dezember 1981 VI R 22/80, BFHE 135, 182, BStBl II 1982, 323, und vom 22. September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293).

Der Senat hat letzteres bejaht, wenn Eheleute vor der Verheiratung an verschiedenen Orten berufstätig waren, an den Beschäftigungsorten wohnten und nach der Eheschließung eine ihrer beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (z. B. Urteil vom 13. Juli 1976 VI R 172 /74, BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654). Er hat dies unter verfassungskonformer Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG damit begründet, daß sonst Arbeitnehmer, die mit der Eheschließung den doppelten Haushalt einrichten müssen, von einem entsprechenden Werbungskostenabzug ausgeschlossen wären. Der Senat hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ferner auch dann bejaht, wenn die beiden Ehegatten schon vor der Eheschließung an einem der Beschäftigungsorte zusammengewohnt und diese Wohnung später zur Familienwohnung bestimmt haben (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1989 VI R 44/88, BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321).

Er hat dagegen den Werbungskostenabzug versagt, wenn die Begründung der doppelten Haushaltsführung nicht auf beruflichen, sondern auf privaten Gründen beruhte. Hiervon ist der Senat u. a. dann ausgegangen, wenn Ehegatten, von denen nur einer berufstätig war, nach der Verheiratung die außerhalb des Arbeitsortes liegende Wohnung des nichtberufstätigen Ehegatten zur gemeinsamen Familienwohnung bestimmt haben. Denn das die doppelte Haushaltsführung auslösende Moment ist in derartigen Fällen die Heirat, also ein ausschließlich dem Privatbereich zuzurechnender Umstand (z. B. Urteil in BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293 m. w. N.).

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Sie bedeutet, daß im Streitfall von einer auf privaten Gründen beruhenden doppelten Haushaltsführung des Klägers auszugehen ist. Denn die Eheleute haben nach der Verheiratung ihre Familienwohnung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG außerhalb des Beschäftigungsortes des Klägers begründet, ohne daß dies durch eine Berufstätigkeit der Ehefrau geboten gewesen wäre. Dem Umstand, daß der Kläger schon zuvor zwei Wohnungen unterhielt und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in derjenigen hatte, die später zur Familienwohnung der Ehegatten bestimmt wurde, kommt dabei keine Bedeutung zu (v. Bornhaupt in Kirchhof /Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. G 201; a. a. Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. 1989, § 9 Anm. 9 d, und Wolff-Diepenbrock in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 9 EStG Rdnr. 313).

Das vom FG angeführte Urteil des Senats vom 2. Februar 1979 VI R 108/75 (BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338) steht dem nicht entgegen. Denn es betrifft einen anderen Sachverhalt. In ihm hatten die Ehegatten die beiden vorhandenen Wohnungen zunächst gemeinsam abwechselnd genutzt, dann war die Ehefrau aus privaten Gründen in derjenigen Wohnung zurückgeblieben, in der beide Ehegatten schon bisher den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hatten, während der allein berufstätige Ehemann nunmehr in der Wohnung am Beschäftigungsort einen zweiten - von seiner Ehefrau getrennten - Haushalt führte.

3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da sie entscheidungsreif ist. Der Klage ist insoweit stattzugeben, als die Einkommensteuer 1982 auf . . . DM festzusetzen ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416972

BFH/NV 1990, 764

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