Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer bei Beteiligung einer Personenhandelsgesellschaft an einer GmbH: Anrechnung jeweils nur in Höhe der allgemeinen Gewinnverteilung, Versteuerung der Kapitaleinkünfte als Voraussetzung, Körperschaftsteuer als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter der Personengesellschaft, Kapitalertragsteuer als Vermögen der Personengesellschaft, gesonderte Feststellung der Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Beteiligung einer Personenhandelsgesellschaft an einer GmbH gehören die Gewinnausschüttungen der GmbH ebenso wie die anzurechnende Körperschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 20 Abs. 3 EStG), die den Gesellschaftern (Mitunternehmern) nach Maßgabe ihrer Beteiligung zuzurechnen sind. Ihnen steht deshalb auch die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG anzurechnende Körperschaftsteuer sowie die nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnende Kapitalertragsteuer zu. Es ist nicht möglich, diese Beträge durch eine gesellschaftsrechtliche Abrede abweichend von dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen.

 

Orientierungssatz

1. Die Anrechnung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer war auch in Veranlagungszeiträumen vor 1990 nur möglich, wenn zunächst die Einnahmen aus Kapitalvermögen bei der Veranlagung erfaßt wurden (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Bei der Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft entsteht das Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben ausschließlich und originär in der Person des einzelnen Gesellschafters. Diesem sind gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG die "Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG" zuzurechnen. Im selben Umfang sind deshalb die Anrechnungsansprüche im Sonderbetriebsvermögen des einzelnen Gesellschafters zu erfassen. In dem Umfang, in dem die Beteiligungserträge dem einzelnen Gesellschafter nicht zugerechnet und bei ihm nicht erfaßt werden, erfolgt auch keine Anrechnung (vgl. Literatur).

3. Bei der Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft gehört die Kapitalertragsteuer ebenso wie die ausgeschüttete Dividende zum Vermögen der Personengesellschaft und damit letztendlich zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter. Die Steuerabzugsbeträge verkürzen deren Dividendenansprüche, so daß sie als Einnahme der Personengesellschaft und als entsprechende Entnahme der einzelnen Gesellschafter zu behandeln sind (vgl. BGH-Urteil vom 30.1.1995 II ZR 42/94).

4. Bei Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft konnte über die zum Steuererhebungsverfahren gehörenden Körperschaftsteuerguthaben auch für Veranlagungszeiträume vor 1995 im Rahmen der gesonderten Feststellung des Gewinns der Personengesellschaft entschieden werden (vgl. Abschn. 97 Abs. 4 KStR 1990).

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG 1990 § 20 Abs. 1 Nrn. 1-3; KStR 1990 Abschn. 97 Abs. 4; EStG 1990 § 20 Abs. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 36 Abs. 2 Nrn. 2, 3 Sätze 1, 4 Buchst. f.

 

Verfahrensgang

FG Bremen (Entscheidung vom 30.06.1994; Aktenzeichen 1 94 055 K 1; EFG 1994, 1078; LEXinform-Nr. 0109364)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin-- ist eine GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beigeladene zu 1 ist und deren Kommanditisten die Beigeladenen zu 2 bis 6 sind. Gegenstand ihres Unternehmens ist u.a. die Beteiligung an anderen Unternehmen und die Verwaltung solcher Beteiligungen. Sie ist Alleingesellschafterin einer GmbH und einer weiteren GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG war. Alleinige Kommanditistin dieser GmbH & Co. KG ist ebenfalls die Klägerin.

Aus den beiden GmbH-Beteiligungen erhielt sie im Streitjahr 1991 Gewinnausschüttungen, die zuzüglich der Körperschaftsteuerguthaben nach Maßgabe des am 22. April 1991 vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssels auf die Beigeladenen zu 2 bis 6 aufgeteilt wurden. Nach diesem Verteilungsschlüssel entfielen auf die Beigeladenen zu 2 und 3 jeweils 30 v.H., auf den Beigeladenen zu 4 20 v.H. und auf die Beigeladenen zu 5 und 6 jeweils 10 v.H. Die aus den Gewinnausschüttungen der Beteiligungsgesellschaften resultierende anrechenbare Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer sowie den anrechenbaren Solidaritätszuschlag rechnete die Klägerin abweichend hiervon allein dem Beigeladenen zu 2 zu.

Im Gegensatz zu den Vorjahren folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) dieser Zurechnung der anrechenbaren Beträge für das Streitjahr nicht. Er teilte diese vielmehr im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1991 ebenfalls --wie das Jahresergebnis-- nach Maßgabe des vorgenannten Gewinnverteilungsschlüssels der Klägerin vom 22. April 1991 auf die Beigeladenen zu 2 bis 6 auf.

Die Klägerin machte gegen diese Aufteilung und Zurechnung der Anrechnungsbeträge mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage geltend, die anrechenbaren Steuern seien allein von den --miteinander verheirateten-- Beigeladenen zu 2 und 3 getragen und deren laufenden Verrechnungskonten belastet worden. Dementsprechend sei sie diesen auch zuzurechnen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 1078 wiedergegebenen Gründen ab.

Die Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung ist auf die Einkommensteuer die Körperschaftsteuer der Beteiligungsgesellschaft in Höhe von 9/16 der Einnahmen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG anzurechnen. Die Anrechnung ist nur möglich, wenn zunächst die Einnahmen aus Kapitalvermögen bei der Veranlagung erfaßt werden. Das ist für Einkommensteuerveranlagungen ab dem Veranlagungszeitraum 1990 und damit auch für das Streitjahr ausdrücklich geregelt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG), ergab sich aber auch vordem aus dem System des Anrechnungsverfahrens (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. April 1993 I R 100/92, BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836 unter II. 2.; vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191 unter II. 7.; vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362 m.w.N.; Beschluß vom 13. Juli 1994 I B 53/94, BFHE 175, 101, BStBl II 1995, 65 unter II. A 1. a; siehe auch Urteile vom 12. Dezember 1990 I R 43/89, BFHE 163, 162, BStBl II 1991, 427; vom 31. Juli 1991 I R 4/89, BFHE 165, 387, BStBl II 1992, 426; § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG ist deshalb auch für Veranlagungszeiträume vor 1990 anzuwenden, vgl. § 52 Abs. 25 Satz 2 EStG 1990). Gleichermaßen verhält es sich bei der durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer auf die Jahreseinkommensteuer, also die Kapitalertragsteuer und den hierauf zu bemessenden Solidaritätszuschlag. Auch diese können gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG --hinsichtlich des Solidaritätszuschlages i.V.m. § 51a Abs. 1 EStG-- nur angerechnet werden, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfaßten Einkünfte entfallen (BFH-Urteil in BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362). Hier wie dort setzt die Anrechnung bei einer einkommensteuerpflichtigen Person voraus, daß die mit der Anrechnung korrespondierenden Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn.1 bis 3 oder Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG bei der Veranlagung der einkommensteuerpflichtigen Person erfaßt werden (vgl. auch § 20 Abs. 2 a EStG i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993, BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774).

2. a) An dieser Rechtslage ändert sich nichts dadurch, daß die Anteile an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft im Gesamthandsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft gehalten werden. Bei dieser gehören die Gewinnausschüttungen ebenso wie die anzurechnende Körperschaftsteuer sowie Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 20 Abs. 3 EStG. Sie sind den Gesellschaftern (Mitunternehmern) nach Maßgabe ihrer Beteiligung zuzurechnen. Diese und nicht die Gesellschaft sind einkommensteuerpflichtig.

b) Ihnen stehen deshalb auch der Körperschaftsteueranrechnungsanspruch und die abgezogene Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag anteilig zu. Es ist nicht möglich, diese Beträge durch eine gesellschaftsvertragliche Abrede abweichend von dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen. Dabei ist allerdings zu differenzieren:

aa) Das Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben entsteht ausschließlich und originär in der Person des einzelnen Gesellschafters. Diesem sind gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG die "Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG" zuzurechnen (Döllerer in Festschrift für Walter Stimpel, 1985 S.729, 741 f.; siehe auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 30. Januar 1995 II ZR 42/94, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1995, 574). Im selben Umfang sind deshalb die Anrechnungsansprüche im Sonderbetriebsvermögen des einzelnen Gesellschafters zu erfassen (allgemeine Ansicht, vgl. z.B. Döllerer, a.a.O., S.740; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Vor § 27 KStG Rz. 73, § 20 EStG Rz. 164 f., § 36 EStG Rz. 56; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr.E 7; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 15 Rz. 504; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 20 Rz. 212; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., ABC Stichwort "Mitunternehmerschaft"; Raupach, Finanz-Rundschau, 1978, 570, 578; Selchert, Betriebs-Berater --BB-- 1984, 888; Jorde/Wetzel, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 1995, 444; a.A. Wienands/Klein, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1995, 805; siehe auch Ley, DStR 1995, 1122). In jenem Umfang, in dem die Beteiligungserträge ihm nicht zugerechnet und bei ihm nicht erfaßt werden, erfolgt hingegen auch keine Anrechnung (Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 36 Rz. 63; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/ Witt, a.a.O.).

bb) Bei der abgezogenen Kapitalertragsteuer und dem abgezogenen Solidaritätszuschlag handelt es sich hingegen um keine von der Kapitalgesellschaft geschuldete Steuer, sondern um eine Vorauszahlung auf die später festzusetzende Einkommensteuer und dem sich hiernach ergebenden Solidaritätszuschlag des Anteilseigners der Kapitalgesellschaft. Die Steuerabzugsbeträge gehören also ebenso wie die ausgeschüttete Dividende zu dessen Vermögen. Ist Anteilseigner eine Personengesellschaft, so kommen die abgezogenen Beträge letztlich dem einzelnen einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft zugute. Sie verkürzen dessen Dividendenanspruch. Dies rechtfertigt es, die Abzugsbeträge als Einnahme der Personengesellschaft und als entsprechende Entnahme des einzelnen Gesellschafters zu behandeln (BGH-Urteil in DStR 1995, 574 m.w.N.).

3. Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides bestehen keine sonstigen Bedenken. Insbesondere verstößt es in Anbetracht der Abschnittsbesteuerung nicht gegen Treu und Glauben, daß das FA die Rechtslage für das Streitjahr abweichend von den Vorjahren beurteilt hat. Auch die von der Klägerin nicht angegriffene Verteilung des Anrechnungsguthabens nach Maßgabe des am 22. April 1991 beschlossenen Gewinnverteilungsschlüssels ist nicht zu beanstanden. Schließlich ist auch unbedenklich, daß das FA die zum Steuererhebungsverfahren gehörenden Körperschaftsteuerguthaben ihrerseits gesondert festgestellt hat (vgl. Abschn. 97 Abs. 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1990). Zwar ist eine ausdrückliche Befugnis hierzu erst mit Wirkung für Feststellungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1994 beginnen, in die Abgabenordnung (AO 1977) eingefügt worden (vgl. § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO 1977 i.d.F. des Mißbrauchsbeseitigungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993, BGBl I 1993, 2310, 2346). Bereits zuvor war die gesonderte Feststellung der Guthaben aber gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung zulässig, wenn die entsprechenden Ansprüche zum Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Gesellschafter gehören (vgl. z.B. Döllerer, a.a.O., S.741 f.). So verhält es sich im Streitfall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65498

BFH/NV 1996, 95

BFH/NV 1996, 95-96 (LT)

BStBl II 1996, 531

BFHE 179, 296

BFHE 1996, 296

BB 1996, 681

BB 1996, 681-682 (LT)

DB 1996, 712 (LT)

DStR 1996, 460-461 (KT)

DStZ 1996, 311 (KT)

HFR 1996, 334 (L)

StE 1996, 217 (K)

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