Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Steuerfestsetzungen, die im vereinfachten Verfahren ohne Bescheiderteilung durchgeführt worden sind, sind nicht anders zu beurteilen als solche, bei denen förmliche Bescheide ergangen sind.

Eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO ist auch dann als unzulässig anzusehen, wenn die neue Tatsache, die dem Finanzamt den Anlaß zur Berichtigung gab, nach der inzwischen durch den Bundesfinanzhof geklärten Rechtslage einen höheren Steuerbetrag nicht gerechtfertigt hätte.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 1, §§ 234, 232/1; BVerfGG § 79

 

Tatbestand

Die Bfin. ist für den Veranlagungszeitraum 1953 zu einer Umsatzsteuer von 52.466,20 DM und für den Veranlagungszeitraum 1954 zu einer solchen von 49.191,35 DM im Wege einer vereinfachten Veranlagung ohne Bescheiderteilung veranlagt worden. Es waren hierin Herstellerzusatzsteuern (ß 58 UStDB 1951) mit 3.358,08 DM (1953) und 1.049,67 DM (1954) enthalten.

Bei einer Betriebsprüfung im April / Mai 1957 ergaben sich auf Grund neuer Tatsachen Mehrsteuern von 703,60 DM (für 1953) und 670,50 DM (für 1954), wobei jedoch die Zusatzsteuer unverändert blieb. Das Finanzamt berichtigte durch Sammelberichtigungsbescheid vom 25. Juli 1957 die ursprünglichen Veranlagungen um diese Beträge.

Hiergegen legte die Bfin. fristgerecht Einspruch ein, mit dem später, nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 18/56 vom 5. März 1958 (BGBl 1958 I S. 154, BStBl 1958 I S. 83) ergangen war, auch die Erstattung der durch das genannte Urteil für nichtig erklärten Zusatzsteuern begehrt wurde. Im Einspruchsbescheid gab das Finanzamt dem Antrag insoweit statt, als es den Sammelberichtigungsbescheid um 703,60 DM bzw. 670,50 DM zugunsten der Bfin. änderte. Diese Beträge betrafen Finanzierungsgebühren, die das Finanzamt als steuerpflichtig angesehen hatte, die jedoch tatsächlich durch das Urteil des Bundesfinanzhofs V 86/56 S vom 30. Oktober 1958 (BStBl 1958 III S. 455, Slg. Bd. 67 S. 478) für steuerfrei erklärt worden sind. Eine weitergehende Berichtigung, die zur Erstattung der Zusatzsteuer geführt hätte, lehnte das Finanzamt ab und setzte demgemäß in der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer für beide Veranlagungszeiträume wieder in der ursprünglichen Höhe fest.

Die Berufung der Bfin. wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht war der Auffassung, daß § 234 AO dem Begehren auf Erstattung der Zusatzsteuer entgegenstehe.

Mit der Rb. wird unter Wiederholung früheren Vorbringens noch ausgeführt, daß infolge der bescheidlosen Veranlagung der Sammelberichtigungsbescheid vom 25. Juli 1957 der erste wirksame Steuerbescheid gewesen sei, der jedoch bei Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 1958 rechtzeitig angefochten gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Aus dem Umstande, daß die Veranlagungszeiträume 1953 und 1954 im vereinfachten Verfahren ohne Bescheiderteilung entsprechend den Jahressteuererklärungen veranlagt worden sind, wobei die Bfin. ausdrücklich auf einen Steuerbescheid und auf Rechtsmittel verzichtet hat, kann die Bfin. nichts für ihre Auffassung herleiten. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die im Wege der vereinfachten Veranlagung vorgenommenen Steuerfestsetzungen ohne Rücksicht auf das jeweilige fiskalische Ergebnis rechtskräftigen Bescheiden gleichgestellt. Besondere Umstände, die im Einzelfalle den Verzicht auf die Bescheiderteilung und den gleichzeitig ausgesprochenen Rechtsmittelverzicht als unwirksam erscheinen lassen könnten, sind im Streitfalle nicht erkennbar und auch nicht behauptet worden. Es wäre Sache der Bfin. gewesen, den Rechtsmittelverzicht anzufechten und sodann gegen die nach ihrer eigenen Erklärung vorgenommenen, die Zusatzsteuer enthaltenden Umsatzsteuerveranlagungen anzugehen, wenn sie sich von den im Schrifttum bereits erörterten Gedankengängen hinsichtlich der Nichtigkeit der Zusatzsteuer einen Erfolg versprach.

Es ist demnach davon auszugehen, daß für die Veranlagungszeiträume 1953 und 1954 rechtskräftige Veranlagungen vorgelegen haben. Die Rechtslage ist die gleiche wie wenn förmliche Bescheide erteilt worden wären. Der Sammelberichtigungsbescheid vom 25. Juli 1957 hätte jedoch gar nicht ergehen dürfen, weil neue Tatsachen, die eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO hätten rechtfertigen können, gar nicht festgestellt worden sind; denn die Finanzierungsgebühren, die dem Finanzamt den Anlaß zur Berichtigung gaben, sind nicht steuerpflichtig. Die Berichtigungsveranlagung war demnach unzulässig. Der Berichtigungsbescheid hätte ersatzlos aufgehoben werden müssen. Es verbleibt, wie die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend entschieden hat, bei den ursprünglich festgesetzten Steuerbeträgen.

Selbst wenn man in der einmal durchgeführten Berichtigungsveranlagung die Einleitung eines neuen Verfahrens erblicken wollte, so würde § 234 AO dem Begehren der Steuerpflichtigen entgegenstehen. Insoweit wird auf das Grundsatzurteil des erkennenden Senats V 244/61 S vom gleichen Tage, BStBl 1963 III S. 31, Bezug genommen.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 51

BFHE 1963, 141

BFHE 76, 141

StRK, AO:222 R 132

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