Leitsatz (amtlich)

Die Nichtangabe des Erstattungsbetrags im schriftlichen Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV), mit dem das FA den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich teilweise ablehnt, führt nicht zur Nichtigkeit des Bescheids.

 

Normenkette

AO § 150 Abs. 2; JAV § 4 Abs. 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) stellte einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1967. Mit Datum vom 17. April 1968 erhielt der Kläger einen schriftlichen Bescheid, in dem es zunächst wörtlich heißt: "Ihrem Antrag kann aus den umseitig angegebenen Gründen nur teilweise stattgegeben werden." Darauf folgte die Rechtsbehelfsbelehrung. Auf der Rückseite des Bescheids war unter "Gründe" folgendes ausgeführt: "Für Unterhalt bedürftiger Personen wurden Ihnen im voraus bereits 3 000 DM zugestanden. Für die Gewährung des Kinderfreibetrages ist Voraussetzung, daß Sie überwiegend zum Unterhalt des Kindes beitragen. Deshalb mußten diese 3 000 DM um 1 200 (Unterhalt des Sohnes) gekürzt werden. Dafür erhielten Sie die Steuerklasse III/1. Dies entspricht einem zusätzlichen Freibetrag von 1 200 DM. In der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1967 haben Sie sieben Pakete und vom 1. April bis 31. Dezember 1967 26 Pakete, insgesamt 33 Pakete, verschickt. Mit den im voraus gewährten 3 000 DM sind alle Aufwendungen überreichlich abgegolten, weil die von Ihnen geltend gemachten Aufwendungen lt. Quittungen (2 656) um 344 DM niedriger sind. Ich mache vorsorglich darauf aufmerksam, daß vorgelegte Rechnungen kein Beweis für den Wert der abgeschickten Pakete darstellen. Im übrigen wurde Ihrem Antrag entsprochen." Der Bescheid enthielt keinen Erstattungsbetrag. Entsprechend dem Eingabewertbogen erhielt der Kläger im Mai 1968 78 DM durch Postanweisung erstattet.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 14. Oktober 1969 Einspruch gegen den Bescheid vom 17. April 1968 ein und trug vor, mit dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht zu haben, die ihm vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) nicht anerkannt worden seien. Er behauptete, bereits nach Erhalt des Erstattungsbetrags im Juni 1968 beim FA vorgesprochen und mündlich Einspruch eingelegt zu haben; dabei habe er einen rechtsmittelfähigen Bescheid erbeten, aus dem hervorgehe, wie das FA den Erstattungsbetrag von 78 DM ermittelt habe. Ein solcher Bescheid sei ihm nicht erteilt worden. Das FA wies den Einspruch als unzulässig zurück, weil er verspätet eingelegt worden sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG schloß sich der Auffassung des FA an, daß der Einspruch verspätet eingelegt worden und daher unzulässig sei. Der angefochtene Bescheid sei als rechtsbehelfsfähiger Bescheid anzusehen, auch wenn aus ihm die Berechnung des Erstattungsbetrags nicht zu ersehen sei. Daß es zur Begründung des Einspruchs möglicherweise der Aufschlüsselung des Erstattungsbetrages bedurft hätte, sei unerheblich. Ob der Kläger einen Anspruch auf Mitteilung der Berechnung des Erstattungsbetrages habe, sei unerheblich, da der Kläger die Einspruchsfrist habe verstreichen lassen, so daß er damit nicht mehr gehört werden könne.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger unter Hinweis auf diesen Beschluß unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Der Bescheid über seinen Lohnsteuer-Jahresausgleich sei ohne Angabe des Erstattungsbetrags unwirksam. Für die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Bescheids sei eine Ausschlußfrist nicht vorgesehen. Der Einspruch sei daher nicht verspätet eingelegt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger den Einspruch gegen den Bescheid vom 17. April 1968 verspätet eingelegt hat; denn der Einspruch hätte innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Erstattungsbescheids schriftlich eingereicht oder zur Niederschrift erklärt werden müssen (§§ 236 Abs. 1, 238 Abs. 1 AO). Das ist im Streitfall nicht geschehen.

Der Einwand des Klägers, der Bescheid über die teilweise Ablehnung seines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich sei nichtig, ist nicht begründet. Ein nichtiger Verwaltungsakt hat allerdings keine Rechtswirkungen und ist daher auch ohne Anfechtung mit einem Rechtsbehelf unbeachtlich. Gegen einen nichtigen Bescheid kann aber ohne Einhaltung einer Frist die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erhoben werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§§ 41 Abs. 1, 44 Abs. 1 FGO). Der Bescheid vom 17. April 1968 war indessen nicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn er an einem schweren und offenkundigen Rechtsmangel leidet und ihm deshalb aus Gründen der rechtsstaatlichen Ordnung die Rechtswirksamkeit abgesprochen werden muß, so wenn er z. B. inhaltlich derart unklar und unvollständig ist, daß er auch durch Auslegung keinen Sinn ergibt. Dies ist bei dem Bescheid vom 17. April 1968 nicht der Fall. Insbesondere führt das Fehlen der Angabe des Lohnsteuererstattungsbetrags nicht zur Nichtigkeit des Bescheides.

Welche Angaben der einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich teilweise ablehnende Bescheid im einzelnen enthalten muß, ist gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschreiben. § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich - JAV -) bestimmt lediglich, daß ein schriftlicher, mit einer Belehrung über den Rechtsbehelf versehener Bescheid zu erteilen ist, wenn ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich ganz oder teilweise abgelehnt wird. Diese Vorschrift soll sicherstellen, daß der Steuerpflichtige über die völlige oder teilweise Ablehnung seines Antrags auf Erstattung von Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich ausreichend unterrichtet wird und ggf. den zulässigen Rechtsbehelf rechtzeitig einlegen kann. Jede Verfügung des FA, die diese Voraussetzung erfüllt, genügt den Mindestanforderungen, die an einen wirksamen Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) gestellt werden müssen, ohne daß über seinen Inhalt starre Regeln aufgestellt werden können. Es ist zwar zweckmäßig, auch den Lohnsteuererstattungsbetrag in den Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) aufzunehmen; zu den Mindestanforderungen dieses Bescheids gehört es jedoch nicht. Wenn nämlich § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) u. a. vorschreibt, daß bei teilweiser Ablehnung des Erstattungsanspruchs ein schriftlicher Bescheid zu erteilen ist, so liegt die entscheidende Bedeutung dieser Vorschrift nicht in der Festsetzung des Lohnsteuererstattungsbetrags, sondern in der schriftlichen Mitteilung an den Steuerpflichtigen, daß sein Antrag teilweise abgelehnt wird. Aus diesem Grunde ist der Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) auch nicht vergleichbar mit einem Steuerbescheid, in dem die Steuer festgesetzt wird und der daher zwangsläufig nach § 211 AO die Höhe der festgesetzten Steuer enthalten muß. § 211 AO kann deshalb im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren auch nicht entsprechend angewendet werden.

Die Wirksamkeit eines den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich teilweise ablehnenden Bescheids wird sonach vom Fehlen des Lohnsteuererstattungsbetrags nicht berührt. Ein solcher Bescheid genügt den Mindestanforderungen, die nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) an ihn zu stellen sind, regelmäßig dann, wenn der Steuerpflichtige ihm entnehmen kann, daß sein Antrag teilweise abgelehnt wurde. Das ist im Streitfall geschehen; denn das FA hat mit Bescheid vom 17. April 1968 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß und in welchen Punkten der Antrag des Klägers abgewiesen wurde.

Wenn der Kläger meint, das FA hätte ihm mitteilen müssen, daß es auch die mit der Klage geltend gemachten Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung ablehne, so übersieht er im übrigen, daß das FA dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1967 einen Antrag auf Abzug von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung nicht entnehmen mußte. Er hat nämlich im Antragsvordruck den Abschnitt für die Werbungskosten nicht ausgefüllt und dort lediglich "siehe Begleitbrief" vermerkt. Der Begleitbrief des Klägers zum Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1967 enthält aber ebenfalls keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, daß Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung geltend gemacht werden. Das FA hatte somit keinen Anlaß, im Bescheid vom 17. April 1968 anzuführen, daß dem Kläger Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt worden seien.

Der Kläger hätte etwaige Einwendungen hiergegen mit einem rechtzeitig gegen den Bescheid vom 17. April 1968 eingelegten Einspruch geltend machen müssen. Das hat er nicht getan. Dem Kläger kann wegen der Versäumung der Einspruchsfrist auch keine Nachsicht nach § 86 AO gewährt werden, ohne daß der Senat zu prüfen braucht, ob Nachsichtsgründe vorliegen. Denn nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Nachsicht nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 86 Abs. 3 AO). Die Jahresfrist ist im Streitfall verstrichen, da die Einspruchsfrist im Mai 1968 ablief und der Kläger seinen Einspruch wirksam erst mit Schreiben vom 14. Oktober 1969 erhoben hat. Da der Einspruch schriftlich eingereicht oder zur Niederschrift erklärt werden muß, ist auch unbeachtlich, ob der Kläger - wie er behauptet - zuvor mehrmals mündlich Einspruch eingelegt hat.

FA und FG haben somit zutreffend entschieden, daß der Einspruch des Klägers vom 14. Oktober 1969 gegen den Erstattungsbescheid vom 17. April 1968 unzulässig war. Das FG hat daher die Klage zu Recht abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71251

BStBl II 1975, 252

BFHE 1975, 505

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