Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftliche Devisentermingeschäfte

 

Leitsatz (NV)

1. Gewinne aus Devisentermingeschäften sind weder sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG noch Einkünfte aus Spekulationsgeschäften nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 EStG (Anschluß an das Senatsurteil vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132). Sie können aber zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören.

2. Sind an den Devisentermingeschäften mehrere Personen beteiligt und ist zweifelhaft, ob die Gewinne zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören und ob die Beteiligten Mitunternehmer sind, muß das FA durch (positiven oder negativen) Feststellungsbescheid entscheiden.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 22 Nrn. 2-3, § 23 Abs. 1; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1974 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als angestellter Prokurist in der Geldhandelsabteilung des Bankhauses X. tätig. Er schloß über die Bankhäuser X. in verschiedenen Städten im eigenen Namen und für eigene Rechnung Termingeschäfte ab. Daneben ging er zusammen mit H. Gemeinschaftstermingeschäfte ein. Bei den Termingeschäften verfuhr der Kläger regelmäßig wie folgt:

Er erwarb entweder an einem ihm kursmäßig günstig erscheinenden Zeitpunkt von der Bank X. eine bestimmte Menge Devisen oder Edelmetalle für einen späteren Termin (Fälligkeitstermin) zu dem bei Abschluß des Vertrages geltenden Kurs oder verpflichtete sich zu einem ihm kursmäßig günstig erscheinenden Zeitpunkt, eine bestimmte Menge Devisen oder Edelmetalle zu einer fest vereinbarten Valuta an einem bestimmten Fälligkeitstag an die X.-Bank zu liefern. In beiden Fällen hatte er von Anfang an nicht die Absicht, der eingegangenen Leistungsverpflichtung durch Abnahme oder Lieferung der Devisen bzw. Edelmetalle nachzukommen. Vielmehr schloß er in der Regel vor dem Fälligkeitstermin mit der X.-Bank als Vertragspartner ein Gegengeschäft ab, dem die Kurswerte des Tages des Gegengeschäftes zugrunde lagen. Dabei war die Kursdifferenz von dem Vertragspartner auszugleichen, zu dessen Lasten sich der Kurs inzwischen bei beiden Vertragszeitpunkten verändert hatte. Vom Fälligkeitstag an konnte der Kläger über einen positiven Differenzbetrag frei verfügen. Die X.-Bank hatte ihren Angestellten und Kunden in der Form von Geschäftsbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, Devisen- und Edelmetalltermingeschäfte abzuschließen. Die Geschäftsbedingungen betrafen im wesentlichen die Sicherheiten, die der X.-Bank für die in Frage kommenden Geschäfte zu stellen waren.

Die Gemeinschaftstermingeschäfte unterschieden sich von diesem Handlungsablauf nur dadurch, daß sie entweder im Namen des Klägers geschlossen wurden, wobei im Innenverhältnis H. sowohl am Gewinn als auch am Verlust beteiligt war, oder daß sie im Namen des H. bei entsprechender Beteiligung des Klägers abgeschlossen wurden.

Aus den Termingeschäften erzielte der Kläger im Streitjahr einen Gesamtgewinn von rund 500 000 DM. In dieser Summe sind die anteiligen Gewinne aus den Termingeschäften H. enthalten und dessen Gewinnanteile abgezogen.

Nach einer Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) davon aus, daß wegen der Gemeinschaftstermingeschäfte keine gesonderte und einheitliche Feststellung erforderlich sei, weil es sich um sogenannte Meta-Geschäfte handle. Das FA erfaßte die Gewinne aus den Termingeschäften im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften.

Das Finanzgericht (FG) gab der Untätigkeitsklage mit der Begründung statt, die Gewinne aus den Differenzgeschäften seien weder als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG) noch als Spekulationsgeschäfte (§ 23 Abs. 1 EStG) einkommensteuerpflichtig.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es trägt vor, die Gewinne aus den Termingeschäften seien nach § 23 Abs. 1 EStG zu versteuern. Außerdem seien sämtliche Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit gegeben. Insbesondere habe sich der Kläger am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, weil er eine planmäßige und nach außen erkennbare Tätigkeit entfaltet habe.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Vorentscheidung verletzt § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977).

Nach § 179 Abs. 2 Satz 2 und § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977, die auf den Streitfall anzuwenden sind, weil das Verfahren durch Erlaß des Einkommensteuerbescheides nach Inkrafttreten der AO 1977 begonnen wurde, werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind, gesondert und einheitlich festgestellt. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach diesen Vorschriften ist schon dann erforderlich, wenn zweifelhaft ist, ob einkommensteuerpflichtige Einkünfte vorliegen, an denen mehrere Personen beteiligt bzw. ob sie mehreren Personen zuzurechnen sind (Senatsurteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239). Auch im hier zu entscheidenden Fall ist zweifelhaft, ob die Gewinne aus den Gemeinschaftstermingeschäften einkommensteuerpflichtig sind und ob gegebenenfalls an ihnen mehrere Personen beteiligt sind, denen diese Einkünfte zuzurechnen sind. Dies kann nur im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung entschieden werden. Das FG hätte das Verfahren gemäß § 74 FGO aussetzen und den Abschluß eines Verfahrens der gesonderten Feststellung abwarten müssen. Der Verstoß hiergegen berührt die Grundordnung des Verfahrens. Er ist auch ohne entsprechende Verfahrensrüge zu beachten (Urteil des erkennenden Senats in BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239, m.w.N.).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Gewinne des Klägers aus seinen Termingeschäften und aus den Gemeinschaftstermingeschäften nicht zu den nach § 22 Nr. 3 EStG oder § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG einkommensteuerpflichtigen Einkünften gehören. Der erkennende Senat hat sich insoweit im Urteil vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, der Rechtsprechung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) angeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung verwiesen.

2. Die Gewinne aus den Termingeschäften können jedoch zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören, wenn besondere Umstände vorliegen, wie z. B. das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, der regelmäßige Besuch von Börsen, Ausnutzen eines bestimmten Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrung oder andere bei einer privaten Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132). Ob derartige besondere Umstände vorliegen, hat das FG nicht geprüft. Diese Frage kann, soweit es um die Gemeinschaftstermingeschäfte geht, nur durch (positiven oder negativen) Feststellungsbescheid entschieden werden.

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Gewinne nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Daß die Termingeschäfte nur über eine Bank abgewickelt wurden, schließt die Beurteilung der erzielten Gewinne als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht von vornherein aus (offengelassen im Urteil des BFH vom 4. März 1980 VIII R 150/76, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389). Die Anzahl der Termingeschäfte und die besondere berufliche Erfahrung des Klägers als Prokurist der X.-Bank sowie das Stellen von Sicherheiten vor Abschluß der Termingeschäfte können dafür sprechen, die Gewinne den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Ob andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen hinzukommen, läßt sich dem Tatbestand des Urteils des FG nicht entnehmen.

b) Das FA durfte nicht deswegen von einer gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 absehen, weil es davon ausging, bei den Gemeinschaftstermingeschäften handle es sich um sogenannte Meta-Geschäfte. Die Streitfrage, ob für solche Meta-Geschäfte allgemein eine gesonderte und einheitliche Feststellung erforderlich ist (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 3. September 1975 I 73/73, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1976, 136 - vom BFH aufgehoben, vgl. Urteil vom 28. Oktober 1981 I R 25/79, BFHE 134, 421, BStBl II 1982, 186 -; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 180 AO 1977 Tz. 22; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 EStG Anm. 30 und 45a; ebenso für die ähnlich gelagerten Gewinnpoolverträge Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 9. Mai 1934 VI A 833/33, RStBl 1934, 658, und des BFH vom 9. Oktober 1964 VI 317/62 U, BFHE 81, 201, BStBl III 1965, 71), kann dahinstehen. Denn eine solche war schon deshalb geboten, weil der Kläger und H. die Termingeschäfte gemeinsam abgewickelt haben und aufgrund dessen möglicherweise die Stellung von Mitunternehmern hatten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann auch eine Innengesellschaft eine Mitunternehmergemeinschaft sein (Beschluß vom 5. November 1973 GrS 3/72, BFHE 112, 1, BStBl II 1974, 414, für die atypische stille Unterbeteiligung; Urteile vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602, und vom 28. Oktober 1981 I R 25/79, BFHE 134, 421, BStBl II 1982, 186, für Filmverwertungsgesellschaften). Mitunternehmerinitiative könnte der jeweils andere Partner bei den Gemeinschaftstermingeschäften dadurch entfaltet haben, daß er Hinweise auf günstige Abschlußmöglichkeiten gegeben hat oder ihm ausdrücklich oder stillschweigend Kontrollrechte nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - eingeräumt waren (Beschluß des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 441, BStBl II 1984, 751, 769; Urteil in BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602, 604). Ein Mitunternehmerrisiko trug der jeweils andere Geschäftspartner schon dadurch, daß er am Gewinn und Verlust der Gemeinschaftstermingeschäfte beteiligt war. Die Beteiligung an den stillen Reserven ist nach der Eigenart der Termingeschäfte ohne Bedeutung, weil solche stillen Reserven nicht entstehen.

c) Die gesonderte und einheitliche Feststellung in bezug auf die Gemeinschaftstermingeschäfte durfte auch nicht deshalb unterbleiben, weil es sich um einen Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 AO 1977 i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986) handelt. Ein Fall von geringer Bedeutung ist anzunehmen, wenn es sich um einen leicht überschaubaren Sachverhalt handelt, die Ermittlung der Einkünfte hinsichtlich Höhe und Zurechnung verhältnismäßig einfach und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidung nahezu ausgeschlossen ist (Urteil in BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239). Im Streitfall ist schon die Entscheidung schwierig, ob gewerbliche Einkünfte vorliegen. Hinzu kommt die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, wenn für den Kläger und seinen Geschäftspartner nicht dasselbe FA zuständig ist.

d) Das FG hätte auf die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO auch nicht im Hinblick auf § 155 Abs. 2 bzw. § 162 Abs. 3 AO 1977 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 (BGBl I 1980, 1545, 1554, BStBl I 1980, 589, 598) verzichten dürfen. Hiernach kann das FA einen Folgebescheid mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen erlassen, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist. Diese Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Das FA wollte im Hinblick auf die fraglichen Einkünfte keine vorläufige Maßnahme treffen, sondern ging davon aus, daß es eines Verfahrens zur Feststellung der umstrittenen Einkünfte nicht bedurfte (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239).

3. Soweit der Kläger Termingeschäfte ohne Beteiligung seines Partners H. abgeschlossen hat, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden, ob insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Das FG hat dazu bisher keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, ob die vom VIII. Senat des BFH im Urteil in BFHE 140, 82, BStBL II 1984, 132 für die Annahme gewerblicher Einkünfte geforderten besonderen Umstände vorgelegen haben. Falls es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehandelt haben sollte, wäre weiter zu prüfen, wann diese Gewinne dem Kläger zugeflossen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415337

BFH/NV 1988, 230

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