Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer, der wegen des freiwilligen Besuchs eines Fortbildungskursus mehr als 12 Stunden von zu Hause abwesend ist, kann den Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand von 1,50 DM je Tag nicht in Anspruch nehmen. Die Inanspruchnahme setzt voraus, daß die Abwesenheit durch das Arbeitsverhältnis selbst zwangsläufig bedingt ist.

 

Normenkette

EStG § 9/1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Beamter. Im Jahre 1956 hat er die Verwaltungsakademie am Sitz seines Wohnortes an 98 Tagen besucht. An diesen Tagen war er länger als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend.

Das Finanzamt lehnte den Antrag des Bg., ihm auf seiner Lohnsteuerkarte 1956 einen steuerfreien Betrag wegen Verpflegungsmehraufwands von 1,50 DM für jeden der 98 Tage einzutragen, mit der Begründung ab, daß solcher Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten nur anerkannt werden könne, wenn die Abwesenheit von der Wohnung ausschließlich aus beruflichen Gründen veranlaßt gewesen sei, daß dies aber dann nicht der Fall sei, wenn die Abwesenheit wie bei dem Besuch von Fortbildungskursen nur auf den freien Willensentschluß des Arbeitnehmers beruhe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Berufung führte zur Anerkennung des Verpflegungsmehraufwands als Werbungskosten. Nach der Auffassung des Finanzgerichts ist allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer tatsächlich aus beruflichen Gründen mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend gewesen ist. Ob die Gründe zwingend waren oder nicht, ist nach Ansicht des Finanzgerichts unerheblich.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die Anerkennung des Verpflegungsmehraufwands als Werbungskosten. Er ist der Auffassung, daß nur zwingende Gründe dazu führen könnten, eine mehr als 12stündige Abwesenheit von der Wohnung als ausreichend anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Die Kosten für die Verpflegung sind in aller Regel Kosten der Lebenshaltung und als solche nicht abzugsfähig (vgl. § 12 des Einkommensteuergesetzes). Sieht man von dem durch Geschäfts- oder Dienstreisen verursachten Mehraufwand für Verpflegung ab, so sind Ausnahmen von der Regel auch in den Fällen nicht anzuerkennen, in denen ein Steuerpflichtiger, mag er nun selbständig oder unselbständig tätig sein, Mehraufwendungen für Verpflegung dadurch hat, daß er während einer Pause in seiner geschäftlichen oder beruflichen Tagesarbeit in einer Kantine oder einem Restaurant ißt, weil er sich von zu Hause keine Verpflegung mitnehmen oder sich den Gang nach Hause ersparen will. Selbst wenn dies zur besseren Ausnutzung der Arbeitszeit geschähe, würde sich an der Zurechnung zu den Lebenshaltungskosten nichts ändern. Der "die Durchführung der Besteuerung beherrschende Grundgedanke einer Gleichmäßigkeit und Einfachheit der Besteuerung" (vgl. die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 77/50 vom 25. August 1950, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz zu § 9 Rechtsspruch 4) verbietet, hier eine praktisch undurchführbare Unterscheidung nach der inneren Einstellung des Steuerpflichtigen zu machen. Eine derartige Unterscheidung würde auch dem Sinn und Zweck des § 12 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes widersprechen, nach dem Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, selbst dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Für Arbeitnehmer, die wegen ihrer beruflichen Tätigkeit mehr als 12 Stunden von zu Hause abwesend sind, ist zwar eine Ausnahme von der Regel anerkannt worden; sie können zur Abgeltung des ihnen wegen der langen Abwesenheit entstehenden Verpflegungsmehraufwands je Tag einen Betrag von 1,50 DM als Werbungskosten geltend machen (vgl. insbesondere das oben angeführte Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs und das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 393/54 U vom 3. Februar 1955, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 109, Slg. Bd. 60 S. 283). Wie aus der allgemeinen Voraussetzung der Abwesenheit von mehr als 12 Stunden und dem pauschalen Betrag von 1,50 DM je Tag hervorgeht, ist aber auch in diesen Fällen um der Gleichmäßigkeit und der Einfachheit der Besteuerung willen von einem Eingehen auf die Umstände des einzelnen Falles abgesehen und gewissermaßen allgemein eine Ausnahme anerkannt worden. Man könnte zweifeln, ob überhaupt die Anerkennung einer Ausnahme für den Fall einer mehr als 12stündigen Abwesenheit gerechtfertigt war. Jedenfalls besteht aber keine Veranlassung, diese Ausnahme noch zu erweitern. Auf dieser Linie liegt es, wenn der erkennende Senat auch für die Ausnahmefälle, in denen der Arbeitnehmer wegen 12stündiger Abwesenheit 1,50 DM je Tag für Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten geltend machen kann, an der hierin liegenden Typisierung selbst für den Fall festgehalten hat, daß ein Arbeitnehmer wegen der Möglichkeit, verbilligte Mahlzeiten in der Kantine einzunehmen, wahrscheinlich einen geringeren Aufwand als diejenigen Arbeitnehmer hat, denen diese Möglichkeit nicht offensteht (vgl. das Urteil VI 44/55 U vom 12. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 29, Slg. Bd. 64 S. 78; vgl. hierzu auch das Urteil des IV. Senats IV 589/54 U vom 10. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 110, Slg. Bd. 60 S. 287, in dem jener Pauschsatz auch dem ledigen Arbeitnehmer zugebilligt wird).

Daß die Aufwendungen für den Besuch eines Fortbildungslehrgangs zu den Werbungskosten gehören, wird zuzugeben sein. Trotzdem kann die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Pauschbetrags für Verpflegungsmehraufwand wegen 12stündiger Abwesenheit im Streitfall nicht als gegeben anerkannt werden.

Wie oben dargelegt, setzt die Inanspruchnahme des Pauschbetrags eine durch das Arbeitsverhältnis selbst bedingte 12stündige Abwesenheit voraus. Gerade darin, daß sich der Arbeitnehmer wegen seines Arbeitsverhältnisses der Notwendigkeit, von zu Hause abwesend zu sein, nicht entziehen kann, liegt der Grund für die Anerkennung der Ausnahme von der Regel, daß der Aufwand für Verpflegung nicht abzugsfähig ist. Diese Grundlage würde verlassen, wollte man allein auf die 12stündige Abwesenheit abstellen, diese also auch dann als ausreichend ansehen, wenn sie auf dem freien Entschluß des Arbeitnehmers beruhte. Es würde dann nicht mehr auf das vielen Fällen Gemeinsame, sondern auf die jeweilige Besonderheit des einzelnen Falles abgestellt. Das aber würde dem hier maßgeblichen Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Einfachheit der Besteuerung widersprechen. Es muß daher bei der Regel bleiben, daß Verpflegungskosten nicht abzugsfähig sind (ß 12 des Einkommensteuergesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 409169

BStBl III 1958, 433

BFHE 1959, 419

BFHE 67, 419

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