Leitsatz (amtlich)

Die Berücksichtigung eines Schrottwerts bei der Bemessung der Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/67 vom 7. Dezember 1967, BFH 91, 93, BStBl II 1968, 268) kommt jedenfalls auch dann nicht in Betracht, wenn bei Anlegung eines absoluten Maßstabes der Schrottwert nicht erheblich ins Gewicht fällt. Ein Schrottwert von 3 600 DM ist kein in diesem Sinne bedeutender Restwert.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (OHG) besitzt mehrere Wasserfahrzeuge, mit denen sie Ewerführerei, Bunkerei und Schleppschiffahrt betreibt. Streitig ist bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen 1956 bis 1962, ob der Beklagte und Revisionskläger (FA) mit Recht die AfA bei diesen Fahrzeugen nur bis zur Höhe des jeweiligen Schrottwerts zuließ.

Bei den zum Schiffspark der OHG gehörenden älteren Schiffen, die die OHG in den Streitjahren bis auf einen Erinnerungswert von 1 DM abgeschrieben hatte, handelte es sich um

a) einen Motorschlepper (310 PS), Baujahr 1925, Buchwert am 31. Dezember 1953 93 735 DM, vom FA angenommener Schrottwert 3 600 DM,

b) zwei Barkassen, angenommene Schrottwerte 480 DM und 1 200 DM,

c) einen Lieger, angenommener Schrottwert 600 DM,

d) zwei Leichter, erworben 1954, Buchwerte zum 31. Dezember 1954 17 400 DM und 13 750 DM, angenommene Schrottwerte 3 250 DM und 1 800 DM,

e) ein Wachschiff, angenommener Schrottwert 400 DM,

f) 44 alte Schuten aus den Baujahren 1904 bis 1929, überwiegend mit Holzböden, mit einer Tragfähigkeit zwischen 102 und 247 t. Bei den Anschaffungen der Jahre 1957 und 1958 ergaben sich Buchwerte am Jahresende, die zwischen rd. 3 500 DM (Baujahr 1910) und rd. 19 000 DM (Baujahr 1923) lagen. Eine neue 300 t-Schute kostete 1957 rd. 95 000 DM. Das FA setzte für die Schuten Schrottwerte zwischen 600 DM und 1 750 DM an.

Gegen die vom FA in Anschluß an eine Betriebsprüfung in teils berichtigten, teils erstmaligen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden vorgenommenen, aus dem Ansatz der Schrottwerte sich ergebenden Gewinnerhöhungen wandte sich die OHG mit der Sprungberufung (jetzt Klage), die Erfolg hatte.

Das FG ging zunächst davon aus, daß ein Ansatz der Schrottwerte nicht in Betracht kommen könne, da weder bei Anlegung eines absoluten noch eines relativen, auf die Anschaffungskosten bezogenen Maßstabes den Schrottwerten ein erhebliches Gewicht zukomme. Diese Werte bildeten auch keinen festen Bestandteil der Kalkulation, wie am Beispiel des Wachschiffes ersichtlich sei, das die OHG ungenutzt im Betriebsvermögen habe liegen lassen, ohne es als Schrott zu verkaufen. - Im übrigen seien auch aus den hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 6 und 7 EStG keine Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, daß die AfA beim Schrottwert anzuhalten habe. Der Gesetzgeber habe, wie die Anwendung der linearen AfA im Rahmen des § 7 Abs. 1 EStG zeige, die periodengerechte Gewinnermittlung nicht überspannen wollen. Er habe gerade hier eine gewisse Schematisierung in Kauf genommen. Die Nichtberücksichtigung der Schrottwerte werde, wie auch in anderen Fällen der Bildung stiller Reserven, bei der Veräußerung des Einzelwirtschaftsgutes oder spätestens des ganzen Betriebes ausgeglichen. Die vom FA aktivierten Schrottwerte seien daher zu streichen und die Gewinne der Streitjahre entsprechend herabzusetzen.

Mit der hiergegen erhobenen Revision beantragt das FA die Wiederherstellung seiner vom FG geänderten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide. Es macht geltend, wirtschaftlich und begrifflich könne eine Absetzung für Abnutzung nur so lange erfolgen, bis der Schrottwert erreicht sei. Hierin könne eine Überspannung der periodengerechten Gewinnermittlung nicht erblickt werden. Das FA dürfe sich nicht darauf beschränken, lediglich die Veräußerungsgewinne genau, die periodengerechten Gewinne dagegen nur "mehr oder minder" bestimmt festzustellen. Im übrigen entspreche der Ansatz von Schrottwerten der hier in Frage stehenden Art auch der Ansicht der beteiligten Wirtschaftskreise. Wenn das FG im übrigen in Anlehnung an die Rechtsprechung des RFH den Ansatz von Schrottwerten hier deshalb abgelehnt habe, weil diese Werte nicht ins Gewicht fielen, so sei das nicht überzeugend. Schon absolut gesehen sei ein Schrottwert von 3 600 DM gewichtig. Noch weniger leuchte der Hinweis des FG auf den relativen Maßstab ein, der im übrigen nicht näher erläutert sei. Bei Seeschiffen z. B. betrage der Schrottwert erfahrungsgemäß weniger als 2 % des Anschaffungswertes. Im Streitfall dagegen zeigten sich Schrottwerte bis zu 19 % der Anschaffungskosten. Es sei nicht verständlich, wieso solche Verhältniswerte nicht ins Gewicht fallen sollten.

Die OHG weist demgegenüber darauf hin, daß der tatsächliche Betriebsablauf die Unhaltbarkeit der vom FA angesetzten Schrottwerte ergeben hätte.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist nicht begründet.

1. Mit der für die Entscheidung des Streitfalles maßgeblichen Rechtsfrage, ob und inwieweit bei der AfA nach § 7 EStG der verbleibende Schrottwert eines Wirtschaftsgutes zu berücksichtigen ist, hat sich inzwischen, d. h. zeitlich nach dem Erlaß der Vorentscheidung, der Große Senat des BFH im Beschluß Gr. S. 1/67 vom 7. Dezember 1967 (BFH 91, 93, BStBl 1968, 268) befaßt. Der Große Senat geht davon aus, daß in der Regel die AfA nach § 7 EStG dazu führe, daß am Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes dieses nur noch mit einem Erinnerungswert anzusetzen sei. Nur wenn am Ende der Nutzung erfahrungsgemäß noch ein beträchtlicher, im Vergleich zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten erheblich ins Gewicht fallender Restwert (Schrottwert) zu erwarten sei, dürfe dieser von der AfA nicht mit erfaßt werden, da insoweit eine Abnutzung nicht in Betracht komme. Das gebiete auch der Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung. In § 7 EStG zeige sich zwar eine gewisse vereinfachende Schematisierung, der aber dadurch Rechnung getragen werde, daß in den Regelfällen ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Schrottwert nicht vorhanden sei, so daß hier einer AfA bis auf einen Erinnerungswert nichts entgegenstehe. Ausnahmen könnten sich bei schweren Gegenständen und solchen aus wertvollem Material (z. B. bei Schiffen) ergeben, weil hier unter Umständen ein im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich ins Gewicht fallender Schrottwert zu erwarten sei.

2. Der Beschluß des Großen Senats ist im Schrifttum teilweise auf Kritik gestoßen (vgl. z. B. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 7 Rdnr. 15; Hermann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 EStG Anm. 26; zustimmend dagegen z. B. v. Wallis, DStZ, A 1968, 185). Der Senat braucht auf diese Kritik nicht näher einzugehen, da selbst bei Anwendung der Grundsätze des Großen Senats im Streitfall die AfA bis auf einen Erinnerungswert zulässig sind, die Vorentscheidung also im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die Vorinstanz hat nämlich nicht nur ein Anhalten der AfA beim Schrottwert aus systematischen Gründen überhaupt verneint, sondern sie hat darüber hinaus, und zwar in erster Linie, eine AfA bis zum Erinnerungswert hier auch deshalb für zulässig gehalten, weil den hier in Frage kommenden Schrottwerten kein erhebliches Gewicht zukomme. Dem stimmt der Senat zu.

a) Der Große Senat hat zu der Frage, wann ein Schrottwert erheblich ins Gewicht fällt und deshalb bei der Bemessung der AfA zu berücksichtigen ist, im einzelnen nicht Stellung genommen. Er hat allerdings zu erkennen gegeben, daß es hier in erster Linie auf eine relative Gewichtigkeit, nämlich auf das Verhältnis zwischen Schrottwert und Anschaffungs- oder Herstellungskosten ankomme. Der Senat ist der Auffassung, daß dieser relative Maßstab nicht das einzige Kriterium für die Gewichtigkeit eines Schrottwertes sein kann. Einen in diesem Sinne relativ hohen Schrottwert gibt es bei zahllosen Wirtschaftsgütern. Mit Sicherheit hat der Große Senat nicht alle diese Fälle miterfassen wollen. Das ergibt sich deutlich aus dem Hinweis auf die schematische Regelung der AfA in § 7 EStG, die in der Regel auch zu einer vollen AfA führe, und aus dem Hinweis auf (besonders) schwere Gegenstände oder solche aus wertvollem Material. Der Senat ist deshalb der Meinung, daß von einem beträchtlichen Restwert nur gesprochen werden kann, wenn dieser auch absolut gesehen ins Gewicht fällt. Hiervon geht zum Teil auch die Finanzverwaltung selbst aus (vgl. ESt-Kartei der OFD München-Nürnberg, § 7 Karte 19, wonach ein erheblich ins Gewicht fallender Schrottwert bei Schiffen nicht anzunehmen ist, wenn er voraussichtlich weder mehr als 10 v. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes noch mehr als 20 000 DM betragen wird).

b) Das FG hat ausgeführt, daß die vom FA angesetzten und nicht als zu niedrig bemessen anzusehenden Schrottwerte sowohl im Verhältnis zu den Anschaffungskosten als auch absolut gesehen nicht erheblich ins Gewicht fielen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das FA mit Recht hiergegen vorbringt, bei Anlegung eines relativen Maßstabes müsse z. B. ein Schrottwert von 19 v. H. der Anschaffungskosten (wie bei einem der streitigen Leichter) als erheblich ins Gewicht fallend angesehen werden (bei mehreren der streitigen Fahrzeuge erscheint der Schrottwert auch im Vergleich zum Anschaffungswert gering). Die Auffassung des FG jedenfalls, daß die angesetzten Schrottwerte ihrer absoluten Höhe nach nicht ins Gewicht fallen, ist nicht zu beanstanden. Bei den 44 Schuten, auf die der Hauptanteil der Aktivierungen entfällt, liegen die Schrottwerte zu 3/4 unter 1 000 DM, nur zwei der Werte liegen über 1 500 DM. Aber auch die höchsten Schrottwerte aller in Betracht kommenden Fahrzeuge, nämlich 3 600 DM beim Motorschlepper und 3 250 DM bei einem der Leichter, bewegen sich noch nicht in einer Größenordnung, die bei einer sinnvollen, eine übermäßige Ausweitung vermeidenden Anwendung der vom Großen Senat entwickelten Grundsätze es verbieten würde, die für den Regelfall nach § 7 EStG geltende Aufteilung des Gesamtaufwandes auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer auch hier vorzunehmen. Nur ein bedeutender Restwert soll ausnahmsweise nicht in die Aufwandsverteilung eingeschlossen werden (v. Wallis, a. a. O.). Von einem bedeutenden Restwert kann aber schon der absoluten Höhe nach bei einem Schrottwert von 3 600 DM nicht gesprochen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69598

BStBl II 1971, 800

BFHE 1972, 63

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge