Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Unter dem in § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 verwendeten Rechtsbegriff "steuerpflichtiger Erbanfall" ist nur der Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu verstehen.

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Ermittlung des steuerfreien Zugewinns im Sinne des § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 die mit dem Tode des Erblassers fällig gewordenen Lebensversicherungen zum steuerpflichtigen Erbanfall zu rechnen sind oder nicht.

Die Bfin. ist die Witwe und alleinige Testamentserbin ihres 1961 verstorbenen Ehemannes, mit dem sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft des BGB gelebt hatte. Außer der Erbschaft fielen der Bfin. mit dem Tode ihres Ehemannes ... DM aus Lebensversicherungen zu, die der letztere zu ihren Gunsten abgeschlossen hatte.

Im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung, bei der außer dem Erwerb durch den Erbanfall auch die zur Auszahlung gelangten Lebensversicherungssummen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erfaßt wurden, berechnete das Finanzamt den steuerfreien Zugewinn im Sinne des § 6 Abs. 1 ErbStG lediglich auf 1/4 des Erbanfalles im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, ließ aber die Lebensversicherungen dabei außer Betracht.

Gegen den Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts legte die Bfin. Sprungberufung ein. Sie machte geltend, daß unter dem steuerpflichtigen Erbanfall im Sinne des § 6 Abs. 1 ErbStG nicht nur der Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu verstehen sei, daß vielmehr zu dem steuerpflichtigen Erbanfall im Sinne des § 6 Abs. 1 ErbStG der gesamte steuerpflichtige Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 2 ErbStG, d. h. einschließlich der unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG fallenden Vermögensvorteile zu rechnen sei.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Rechtsansicht, entgegen der Auffassung der Bfin. könne sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 ErbStG als steuerpflichtiger Erbanfall nur der Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verstanden werden. Zu diesem gehörten die fraglichen Lebensversicherungen nicht, so daß sie auch bei der Ermittlung des steuerfreien Zugewinns gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG nicht zu berücksichtigen seien.

Mit der Rb. rügt die Bfin. fehlerhafte Rechtsanwendung, indem sie ihrerseits ausführt, die Bezugnahme des § 6 Abs. 1 ErbStG auf den gesamten § 2 ErbStG - nicht nur auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG - beweise, daß 1/4 des gesamten nach § 2 ErbStG steuerpflichtigen Erbanfalls des überlebenden Ehegatten steuerbefreit sein solle. Eine Beschränkung der Vergünstigung auf den Erwerb im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hätte im Gesetz selbst deutlicher zum Ausdruck kommen müssen. Auch der Bundesminister der Finanzen habe in einem Schreiben vom 20. Juli 1960 S 3900 - 11/60 (veröffentlicht im "Betriebs-Berater" 1960 S. 976) diese Ansicht vertreten und darin klargestellt, daß 1/4 des gesamten Nachlasses bei dem überlebenden Ehegatten steuerfrei bleibe, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hätten. Zudem würde nach Auffassung der Bfin. die Nichtberücksichtigung der zur Versorgung der Bfin. abgeschlossenen Lebensversicherungen im Rahmen des § 6 Abs. 1 ErbStG im Hinblick auf die Steuerfreiheit der gesetzlichen Versorgungsbezüge, insbesondere der steuerfreien Sozialversicherungsbezüge, zu einer unbilligen Härte und zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, worauf auch im Schrifttum mit Recht hingewiesen worden sei (vgl. Troll, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Anm. 13 zu § 6 Abs. 1).

 

Entscheidungsgründe

Der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassenen Rb. muß der Erfolg gleichfalls versagt bleiben.

Der Bfin. ist zuzugeben, daß die in § 6 Abs. 1 ErbStG ausgesprochene Verweisung auf § 2 ErbStG im ersten Augenblick vielleicht zu einer Auffassung verleiten kann, wie sie die Bfin. vertritt. Bei genauer Prüfung erweist sich jedoch, daß schon der Wortlaut des Gesetzes nicht im Sinn der Ausführungen der Bfin. verwertet werden kann. Denn in § 6 Abs. 1 ErbStG wird nicht von einem steuerpflichtigen Erbanfall im Sinne des § 2, sondern nur davon gesprochen, daß der vierte Teil des Betrags, der dem überlebenden Ehegatten, wenn er Alleinerbe wäre, als Erbanfall zufallen würde, nicht als Erwerb im Sinne des § 2 gelten soll. Diese Ausdrucksweise des Gesetzgebers besagt nur, daß im Falle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod des einen Ehegatten das jeweils in Betracht kommende Viertel des Betrages, der dem überlebenden Ehegatten im Falle der Alleinerbschaft zufallen würde, im Interesse des Letzteren nicht der Steuerpflicht nach § 2 ErbStG, der neben einer Anzahl anderer Erwerbstatbestände in erster Linie der Erbanfall unterliegt, zu unterwerfen ist. Sie besagt aber nichts darüber, daß der Begriff des Erbanfalls, der sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des BGB nach der Terminologie des ErbStG eindeutig nur auf den eigentlichen Nachlaß beziehen kann, in diesem Zusammenhang eine Erweiterung erfahren soll. Zum Nachlaß gehören aber die Ansprüche aus Lebensversicherungen nur dann, wenn sie dem Erblasser selbst als Begünstigtem zustehen und nach seinem Tode in den Nachlaß fallen. Dies trifft aber nicht zu, wenn durch den Versicherungsvertrag unmittelbar ein Dritter begünstigt wird, der in diesem Falle auf Grund des ihn begünstigenden Vertrages, nicht auf Grund des Erbanfalls erwirbt.

Damit entspricht die Vorschrift des § 6 Abs. 1 ErbStG durchaus der bürgerlich-rechtlichen Regelung des Zugewinns, wie sie in § 1371 Abs. 1 BGB n. F. getroffen worden ist. Denn die Erhöhung des dem überlebenden Ehegatten zustehenden gesetzlichen Erbteils um 1/4 bezieht sich auch bürgerlich-rechtlich unmittelbar und ausschließlich nur auf den Nachlaß, zu dessen Bestandteilen die auf Grund eines Vertrages zugunsten Dritter dem Begünstigten unmittelbar zufallende Lebensversicherungssumme nicht gehört (vgl. Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., Bd. V 1, Einleitung § 27 Bem. 8 - 12 und Bem. 205 zu § 1922; Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 11. Aufl., Bd. V 1, Anm. 17 zu § 1922; Prölss, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 14. Aufl., Anm. 1 zu § 167 des Versicherungsvertragsgesetzes). Würde man dessen ungeachtet, wie die Bfin. es anstrebt, auch die auf Grund eines Lebensversicherungsvertrages außerhalb der Erbschaft entstandenen Lebensversicherungsansprüche des überlebenden Ehegatten in die Berechnung des steuerrechtlich begünstigten Nachlaßviertels mit einbeziehen, so würde man die Steuervergünstigung auf Gegenstände erstrecken, die nach bürgerlichem Recht nicht von der Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB n. F. erfaßt werden.

Zu einer Ausweitung der in § 6 Abs. 1 ErbStG ausgesprochenen Steuervergünstigung über den Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Zugewinns hinaus besteht aber um so weniger Anlaß, als der ausgesprochene Zweck der gesetzlichen Regelung in § 6 ErbStG darin besteht, den dem überlebenden Ehegatten durch § 1371 Abs. 1 zugewiesenen besonderen Anteil am Nachlaß zu begünstigen. Dies ergibt sich klar aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 6 Abs. 1 ErbStG, die auf eine vom Bundestag gefaßte Entschließung nachstehenden Inhalts zurückgeht:

"Der Deutsche Bundestag ersucht die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der klarstellt, daß die Ansprüche, die einem Ehegatten auf Grund der Neuregelung des ehelichen Güterrechts bei Auflösung der Ehe durch Tod, Scheidung oder aus sonstigen Gründen zustehen, von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer freigestellt sind." (Siehe Anlage 16 zum stenographischen Bericht über die 206. Sitzung des Zweiten Deutschen Bundestags vom 3. Mai 1957.)

Dieser Anregung ist durch die Vorschrift des § 6 Abs. 1 ErbStG entsprochen worden mit dem ausschließlichen und erklärten Ziele, die durch die Neuregelung des BGB begründeten Zugewinnansprüche des überlebenden Ehegatten von der Erbschaftsteuer zu befreien.

Wenn Troll (vgl. ErbStG, Anm. 13 zu § 6 Abs. 1 ErbStG) die Auffassung vertritt, es sei im Ergebnis unbefriedigend, daß bei der Berechnung des Zusatzerbteils die Ansprüche aus Lebensversicherungen, auch soweit sie dem überlebenden Ehegatten zustehen, nicht berücksichtigt und deshalb auch nicht steuerrechtlich begünstigt werden dürften, so kann dieser Auffassung zumindest im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften nicht Rechnung getragen werden. Denn die Rechtslage als solche ist insoweit eindeutig. Zu Abweichungen vom klaren Gesetzeswortlaut sind aber die Gerichte nicht befugt. Der in diesem Zusammenhang von Troll, a. a. O., besonders erwähnte Fall, daß im Versicherungsvertrag überhaupt keine Person oder der Erblasser selbst als Berechtigter benannt ist, was die Zugehörigkeit des Versicherungsanspruches zum Nachlaß bedingen würde, liegt tatbestandsmäßig hier nicht vor.

Soweit endlich die Bfin. auf die Frage einer erbschaftsteuerrechtlichen Gleichbehandlung privater Hinterbliebenenversicherungen mit den der Erbschaftsteuer nicht unterliegenden gesetzlichen Versorgungsansprüchen der Beamten, Sozialrentner usw. eingeht, muß bemerkt werden, daß es sich dabei im Grunde nicht um eine Frage der Auslegung des § 6 Abs. 1 ErbStG, sondern um eine Frage der Verfassungsmäßigkeit und Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG handelt. Dazu hat der Bundesminister der Finanzen in dem von der Bfin. erwähnten Schreiben vom 20. Juli 1960 - S 3900 - 11/60 - a. a. O. klar zu erkennen gegeben, daß eine solche Gleichstellung der privaten Lebensversicherungen mit den gesetzlichen Versorgungsbezügen und -renten nur im Wege der Gesetzesänderung erfolgen und nur insoweit in Betracht gezogen werden könne, als es sich um private Rentenversicherungen handeln würde. Im übrigen hat der Bundesminister der Finanzen sich darauf beschränkt, die Dringlichkeit einer derartigen Gesetzesänderung mit der Bemerkung zu verneinen, sie werde in der Regel ohne Auswirkung bleiben, da dem überlebenden Ehegatten unter den Voraussetzungen des § 16 ErbStG ohnehin ein Freibetrag von 250.000 DM zustehe und da ihm außerdem 1/4 des gesamten Nachlasses steuerfrei belassen werde, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand gelebt hätten. Damit hat der Bundesminister der Finanzen offensichtlich nichts anderes als einen Hinweis auf die bestehende Rechtslage hinsichtlich der Ehegattenfreibeträge und der den Ehegatten sonst zustehenden Vergünstigungen gegeben, ohne etwa den von ihm verwendeten Begriff des Nachlasses in Abweichung von den bestehenden gesetzlichen Vorschriften erweiternd auslegen und anwenden zu wollen. Die gegenteilige Auffassung der Bfin. läßt sich aus dem genannten Schreiben des Bundesministers der Finanzen nicht herleiten.

Die Rb. erweist sich somit als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411320

BStBl III 1964, 529

BFHE 1965, 150

BFHE 80, 150

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