Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abgrenzung Regelbesteuerung / Durchschnittsatzbesteuerung

 

Leitsatz (NV)

Ob Lieferungen eines Unternehmers, der gleichzeitig einen gewerblichen und einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhält, dem ersteren oder dem letzteren zuzuordnen sind, hängt davon ab, für welchen Betrieb der Steuerschuldner nach Vertragsgestaltung und Vertragabwicklung nach außen hin als Verkäufer aufgetreten ist.

 

Normenkette

UStG 1967/73, § 1; UStG 1967/73, § 12; UStG 1967/73, § 24

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1974 bis 1976 Inhaber eines Viehhandelsgeschäftes. Daneben unterhielt er auf einer Fläche von 11,79 ha einen landwirtschaftlichen Betrieb.

Die Umsätze aus dem Viehhandelsgeschäft versteuerte der Kläger nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973, diejenigen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb nach den Vorschriften über die Besteuerung nach Durchschnittsätzen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 24 UStG 1967/1973).

Die von ihm selbst in seiner Landwirtschaft gemästeten Schweine lieferte er an dieselben Schlachtereien, die er auch als Viehhändler belieferte. In allen Fällen waren die Tiere so gekennzeichnet, daß man ihre Herkunft auch nach der Schlachtung noch erkennen konnte.

In den Abrechnungen der Schlachtereien wurde - nach Darstellung des Klägers zum Teil, nach Darstellung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) stets - unabhängig von der Herkunft des Viehs Umsatzsteuer in Höhe von 5,5 v. H. ausgewiesen.

Die Umsatzsteuer aus sämtlichen Schweineverkäufen ermittelte der Kläger - ebenfalls unabhängig von der Herkunft der Tiere - einheitlich und führte sie an das FA ab. Für das von ihm selbst gemästete Vieh erstellte er aber Eigenbelege und rechnete mit diesen als Landwirt gegenüber seinem eigenen Viehhandelsgeschäft ab. In diesen Belegen ist die Umsatzsteuer gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 UStG der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung ausgewiesen. Diese Umsatzsteuer machte der Kläger in den Umsatzsteuererklärungen für diesen Zeitraum zum Vorsteuerabzug geltend.

Das FA ließ diese Beträge in den (im Anschluß an eine Außenprüfung geänderten) Umsatzsteuerbescheiden für 1974 bis 1976 mit der Begründung unberücksichtigt, es liege ein nichtsteuerbarer ,,Innenumsatz" zwischen dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und dem Gewerbebetrieb des Klägers vor.

Im nachfolgenden Einspruchsverfahren schloß sich der Kläger zwar hinsichtlich der Behandlung des Vorsteuerabzugs der Meinung des FA an, vertrat jedoch nunmehr die Ansicht, die Lieferungen der von ihm selbst gemästeten Schweine seien im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt und unterlägen daher der Durchschnittsatzbesteuerung gemäß § 24 Abs. 1 UStG 1967/1973 mit der Folge, daß die der Regelbesteuerung unterfallenden Umsätze aus dem Viehhandelsgeschäft entsprechend gekürzt werden müßten. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) teilte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 214 veröffentlichten Urteil die Auffassung des Klägers und gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung im wesentlichen vor: Das FG hätte aus der Tatsache, daß die Abnehmer die vom Kläger selbst gemästeten Schweine jeweils an der Zeichnung hätten erkennen können, nicht darauf schließen dürfen, daß es sich in diesen Fällen um Lieferungen aus der Landwirtschaft des Klägers gehandelt habe. Entscheidend sei in solchen Fällen nicht die Kenntnis des Abnehmers zu der Herkunft eines Liefergegenstandes, sondern das tatsächliche Verhalten des Händlers. Die vom FG festgestellten Tatsachen - betriebsinterne Rechnungen und Hinnahme der von den Schlachtereien erteilten Gutschriften mit dem für den gewerblichen Schweinehandel geltenden Steuersatz - seien nach der Verkehrsauffassung dahin zu werten, daß der Kläger die Viehlieferungen im Rahmen seines Gewerbebetriebs habe vornehmen wollen und auch tatsächlich vorgenommen habe. Schließlich könne dem FG auch darin nicht gefolgt werden, daß der Verkauf selbsterzeugter landwirtschaftlicher Produkte auch dann ohne weiteres zum landwirtschaftlichen Betrieb gehöre, wenn daneben ein gleichartiger gewerblicher Betrieb bestehe.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Zu Unrecht hat das FG die Lieferungen der vom Kläger selbst gemästeten Schweine als landwirtschaftlichen Umsatz angesehen. Die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen für eine solche Zuordnung nicht aus.

a) Nach dem vom FG festgestellten und von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogenen Sachverhalt ist davon auszugehen, daß die unternehmerischen Betätigungen des Klägers umsatzsteuerrechtlich nicht einheitlich zu beurteilen sind, die Landwirtschaft vielmehr neben dem gewerblichen Viehhandel einen selbständigen Betriebsteil darstellt (vgl. dazu näher die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1976 V R 107/73, BFHE 121, 106, BStBl II 1977, 273; vom 13. März 1987 V R 55/77, BFHE 149, 288, 295, BStBl II 1987, 467, 470, und vom 16. Juli 1987 V R 22/78, BFHE 151, 204, BStBl II 1988, 83).

b) Ob die streitigen Umsätze der Regelbesteuerung (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 UStG 1967/1973) oder der Besteuerung nach Durchschnittsätzen (§ 24 UStG 1967/1973) unterliegen, hängt allein davon ab, ob der Kläger die Tiere im Rahmen des gewerblichen oder aber im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebsteils geliefert hat. Daß die Gegenstände der Lieferung landwirtschaftliche Erzeugnisse waren, ist - im Gegensatz zur früheren gesetzlichen Regelung (§ 4 Nr. 19 UStG 1951 i. V. m. § 46 Abs. 4 Satz 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB 1951 -) - kein Zuordnungskriterium (BFH-Urteil vom 31. Juli 1987 V R 25/79, BFHE 150, 549, 553, BStBl II 1987, 870, 872). Für den vom FG angenommenen Grundsatz, daß vom Unternehmer selbst erzeugte landwirtschaftliche Produkte auch dann stets im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs (Betriebsteils) verkauft werden, wenn der Unternehmer daneben noch einen gewerblichen Betrieb unterhält, gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Ausgestaltung der einschlägigen Gesetzestatbestände läßt keinen Raum für eine Zuordnung nach der ,,Verkehrsauffassung" oder nach der ,,Natur der Sache". Maßgeblich für die Besteuerung der in Frage stehenden Umsätze ist vielmehr das Auftreten des Klägers nach außen (BFHE 150, 549, BStBl II 1987, 870). Das heißt, es kommt darauf an, für welchen Betriebsteil der Kläger in diesen Fällen seinen Vertragspartnern gegenüber als Verkäufer aufgetreten ist.

2. Das angefochtene Urteil beruht auf anderen Rechtsgrundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang kann es nach der dargelegten Rechtsauffassung des erkennenden Senats nur dann zu der vom Kläger begehrten Zuordnung kommen, wenn nach der gesamten Vertragsabwicklung für die selbst gemästeten Schweine eine gesonderte, deutlich andere Lieferungspraxis feststellbar ist als im Rahmen des Viehhandelsgeschäfts. Dabei kommt es (entgegen der Meinung des FG) u. a. auch darauf an, wie abgerechnet wurde: Der Umstand, daß jahrelang der für den Gewerbebetrieb geltende Steuersatz angewandt wurde, kann zumindest als Beweisanzeichen für die Zuordnung durch die Vertragspartner gewertet werden. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß der Kläger in diesem Zusammenhang jeweils ,,Eigenbelege" erstellt hat. Auch wenn einem ,,Innenumsatz" zwischen landwirtschaftlichem und gewerblichem Betriebsteil keine unmittelbare rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. BFHE 150, 549, 554, BStBl II 1987, 870, 872 - zu Ziff. 3), könnte eine Überführung in den gewerblichen Betriebsteil hier doch dafür sprechen, daß der Kläger die Absicht hatte, auch die aus dem landwirtschaftlichen Betriebsteil stammenden Tiere über den Viehhandel zu veräußern. Dies gilt zumal dann, wenn der landwirtschaftliche Betriebsteil keinerlei personelle und sachliche Ausstattung für eigenständige Lieferungen aufgewiesen haben sollte . . .

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 325

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