Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Wird eine Personengesellschaft mangels anderslautender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, so richtet sich die Beurteilung der Frage, ob und in welcher Weise die Erben des verstorbenen Gesellschafters an den Einkünften des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens beteiligt sind, nach der von den Beteiligten gewählten und durchgeführten bürgerlich-rechtlichen Gestaltung. Hierbei können sich die Erben auch unmittelbar nach dem Erbfall dergestalt auseinandersetzen, daß noch einer oder mehrere von ihnen, nicht aber alle an dem Betrieb weiterhin beteiligt sind.

 

Normenkette

EStG § 15/2; AO § 215; HGB § 131 Nr. 4; BGB § 727 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Revisionskläger (Stpfl.) sind die Erben des am 2. Januar 1962 verstorbenen A. Dieser war seinerseits zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern Miterbe nach dem im März 1949 ohne Hinterlassung eines Testaments verstorbenen B. In dessen Nachlaß befand sich außer dem Grundstück in N. der Hälfte-Anteil an der in diesem Grundstück bis zu seinem Tode zusammen mit seinem Sohn C betriebenen Drogerie. Streitig ist, ob bis zum 2. Januar 1952 der Vater der Stpfl. A, daran anschließend die Stpfl. selbst in den Streitjahren anteilsmäßig am gewerblichen Gewinn der Drogerie beteiligt waren.

1955 kam es zwischen den Stpfl. und den übrigen Miterben des B zu einem Auseinandersetzungsverfahren, das vor dem Landgericht (LG) mit Vergleich vom 26. September 1957 abgeschlossen wurde. Hierin verpflichteten sich die übrigen Miterben, zur Abfindung aller Erbansprüche der Stpfl. einen Betrag von 60.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Juli 1957 zu bezahlen. Nach Abschn. III des Vergleiches übertragen die Stpfl. mit Abschluß dieses Vergleiches ihren Erbteil an dem Nachlaß des Erblassers B auf die übrigen Miterben. Diese nehmen diese übertragung an.

Dem Vergleichsabschluß war ein Vergleichsvorschlag des LG vom 16. März 1957 vorausgegangen. Der Vergleichsvorschlag ging auf eine Zahlung der übrigen Miterben an die Stpfl. von 50.000 DM. Diesen 50.000 DM lag neben einer Abfindung für die Beteiligung der Stpfl. an dem Grundstück in N. deren Gewinnbeteiligung an der Drogerie zugrunde, wobei das LG auf Grund des Gutachtens von Sachverständigen die auf A und die Stpfl. als dessen Erben entfallenden Gewinne seit dem Tode des B bis einschließlich 1955 mit 16.574,44 DM ansetzte. Für das zwischen den Parteien noch abzurechnende Jahr 1956 würden - so der gerichtliche Vergleichsvorschlag - unter Zugrundelegung des Durchschnittsgewinns der letzten Jahre auf die Revisionskläger ca. 3.500 DM entfallen.

Auf Grund dieser erbrechtlichen Vorgänge und ihrer Regelung in dem genannten Auseinandersetzungsvergleich in Zusammenhang mit den Ergebnissen zweier Betriebsprüfungen 1954 und 1958 nahm das FA für die Jahre 1949 bis 1951 berichtigte, für die Jahre 1952 bis 1955 endgültige und für die Jahre 1956 und 1957 erstmalige einheitliche Gewinnfeststellungen vor, bei denen sie den Stpfl. bzw. bis zu dessen Tode deren Vater einen sich nach ihrer Erbberechtigung ergebenden Gewinnanteil aus den Einkünften aus der Drogerie zuteilte. Für das Jahr 1957 wurde mit Rücksicht auf die übertragung der Erbanteile durch die Stpfl. an die übrigen Erben neben dem laufenden auch ein Veräußerungsgewinn festgestellt.

Einspruch und Berufung hiergegen blieben erfolglos. Die Stpfl. trugen vor, nach dem Tode des B sei dessen Witwe zusammen mit C zu je gleichen Teilen an den Gewinnen der Drogerie beteiligt gewesen. Am 1. April 1954 sei noch D als Gesellschafter aufgenommen und eine Gewinnverteilung in der Weise vereinbart worden, daß C 50 v. H., D 35 v. H. und die Witwe des B 15 v. H. des Gewinns aus der Drogerie erhielten. Bei der Bemessung der Abfindung nach Maßgabe des Vergleichs vom 26. September 1957 vor dem LG sei lediglich der Wert des Grundstücks entscheidend gewesen, nicht aber eine Beteiligung der Stpfl. am Gewinn der Drogerie. Auch der Vormundschaftsrichter habe sich bei der von ihm zu erteilenden Genehmigung des Vergleichs davon leiten lassen, daß die Stpfl. nicht Mitgesellschafter der Drogerie gewesen seien. Hiervon sei man vor allen Dingen deshalb ausgegangen, um nicht noch mit Ansprüchen der anderen Miterben aus deren Führung der Drogerie rechnen zu müssen. Durch den Tod des B sei die mit seinem Sohn C bestehende Gesellschaft nach § 131 Nr. 4 HGB aufgelöst worden. Die Liquidation könne sich nur auf das am Todestag vorhandene Betriebsvermögen der Drogerie beziehen, nicht aber auf später erzielte Gewinne.

Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt. Unbestritten seien die Stpfl. Miterben von B geworden. Damit aber seien sie nicht nur an dem Grundstück in N., sondern zugleich auch an der Drogerie beteiligt. Welche Erwägungen die Beteiligten im einzelnen bei der Auseinandersetzung geleitet hätten, könne dahingestellt bleiben. Hiervon sei auch der Vergleichsvorschlag des LG vom 16. März 1957 ausgegangen, wie sich klar erkennen lasse. Der als Beteiligter zugezogene Miterbe D habe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargetan, daß den Miterben von vornherein klar gewesen sei, daß die Stpfl. auch an der Drogerie beteiligt gewesen seien. Der vor dem LG abgeschlossene Vergleich stelle somit eine Bestätigung der bürgerlich-rechtlichen Situation der Stpfl. dar. Die zwischen dem verstorbenen B und dessen Sohn C bis zum Tode von B vorhandene Gesellschaft sei mit dessen Tod nicht erloschen. Sie sei lediglich in die Phase der Liquidation eingetreten. Solange die Auseinandersetzung nicht durchgeführt sei, seien die Miterben an der OHG beteiligt geblieben.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. der Stpfl. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG.

Eine gesellschaftsvertragliche Regelung darüber, daß im Fall des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt oder der Betrieb durch den verbleibenden Gesellschafter als Alleinunternehmer übernommen werden soll, ist nicht festgestellt. Die Gesellschaft wurde daher durch den Tod des B aufgelöst (§ 131 Nr. 4 HGB, § 727 Abs. 1 BGB). Wie die Vorinstanz hierzu im Gegensatz zur Auffassung der Stpfl. mit Recht ausführt, führte die Auflösung der Gesellschaft jedoch nicht zu ihrem sofortigen vollständigen Erlöschen, sondern lediglich zum Eintritt in die Liquidationsphase dergestalt, daß an der nunmehrigen Liquidationsgesellschaft die Erben nach B beteiligt waren. Hierbei konnte die Liquidationsgesellschaft nach dem Urteil des BGH II ZR 10/50 vom 4. April 1951 (BGHZ 1, 324) auch noch eine zeitlang werbend tätig sein. Es war auch möglich, daß die Erben nach B die Gesellschaft mit dem früheren Gesellschafter C unter Verzicht auf die Liquidation als produktive Gesellschaft fortführten oder neu begründeten, Urteil des Reichsgerichts VII 13/22 vom 15. Dezember 1922 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 106 S. 63).

Indes sind damit die Gestaltungsmöglichkeiten für die Regelung der Anteilsverhältnisse eines verstorbenen Gesellschafters noch nicht erschöpft. Die Erben nach einem verstorbenen Gesellschafter können sich auch, insbesondere unmittelbar nach dem Erbfall, dergestalt auseinandersetzen und sich mit dem verbleibenden Gesellschafter einigen, daß nur einer oder einige von ihnen die Gesellschaft fortsetzen, so daß von Anfang an steuerlich eine Mitunternehmerschaft nur zwischen diesen Erben und dem bisherigen Gesellschafter anzunehmen ist. Wegen der Frage der Gewinnrealisierung in einem solchen Fall bei den von da ab nicht beteiligten Miterben unter dem Gesichtspunkt einer Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 EStG Hinweis auf die Entscheidungen des BFH VI 334/61 U vom 26. Juli 1963 (BFH 77, 435, BStBl III 1963, 480); I 400/62 U vom 17. Februar 1965 (BFH 82, 296, BStBl III 1965, 354); IV 416/62 U vom 21. Dezember 1965 (BFH 84, 534, BStBl III 1966, 195).

Die Vorentscheidung läßt nicht erkennen, daß sie auch die letztgenannte Möglichkeit in ihre rechtlichen Erwägungen einbezog. Ihre Auffassung, daß eine Liquidationsgesellschaft aller Miterben nach B im Streitfall vorliege, stützte sie allein auf den Vergleichsvorschlag des LG und die äußerung des hinzugezogenen Miterben D in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, wonach den Miterben von vornherein klar gewesen sei, daß die Stpfl. auch an der Drogerie in N. beteiligt seien. Die Vorentscheidung führt aber ausdrücklich auch das Vorbringen der Stpfl. an, wonach nach dem Tode des B zunächst C und die Witwe des B allein zu je 50 % an der Drogerie beteiligt gewesen seien, während ab 1. April 1954 lediglich noch D als Gesellschafter aufgenommen worden sei. Eine Auseinandersetzung mit diesem mit der buchmäßigen Behandlung und mit den Steuererklärungen für die Jahre 1949 und 1955 in Einklang stehenden Vortrag der Stpfl. läßt die Vorentscheidung vermissen. Es besteht die Möglichkeit, daß die Vorinstanz die Rechtserheblichkeit dieses Vorbringens der Stpfl. unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbar nach dem Erbfall erfolgten Teilauseinandersetzung der Miterben nach B in Hinsicht auf die Beteiligung an der Drogerie nicht erkannte.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, damit es unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeit, daß unmittelbar nach dem Tode des B die Drogerie allein von C und dessen Mutter, der Witwe von B, weiterbetrieben sein könnte, prüft, ob nicht zu diesem Zeitpunkt bereits eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Beteiligung an der Drogerie stattfand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412642

BStBl III 1967, 630

BFHE 1967, 334

BFHE 89, 334

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