Leitsatz (amtlich)

Die Kosten eines Finanzgerichtsprozesses sind nicht betrieblich veranlaßt, wenn in dem Rechtsstreit erfolglos um die Zuordnung von Verlusten aus Termingeschäften zu den gewerblichen Einkünften gestritten wurde.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich sind in der Bilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen, wenn das künftige Entstehen einer betrieblich veranlaßten Verbindlichkeit dem Grunde und/oder der Höhe nach sowie die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen wahrscheinlich ist und wenn ferner die künftigen zur Tilgung der ungewissen Verbindlichkeit zu leistenden Ausgaben wesentlich bereits im abgelaufenen oder in vorangegangenen Wirtschaftsjahren wirtschaftlich verursacht sind (BFH-Urteil vom 19.5.1983 IV R 205/79). Die betriebliche Veranlassung der Verbindlichkeit muß feststehen; sie darf nicht ungewiß sein.

2. Die zum Zwecke der zutreffenden Ermittlung des Gewinns (der übrigen Einkünfte) aufgewendeten Steuerberaterkosten und Kosten eines Rechtsmittelverfahrens dienen der Erzielung des Gewinns (der übrigen Einkünfte) und sind damit betrieblich (durch Einnahmen im Sinne der Überschußeinkünfte) veranlaßt. Sie gehören nicht zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen im Bereich der Einkommensverwendung. Auch sind sie keine gemischten Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 1 EStG.

3. Stellt die angeblich gewerbliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Tätigkeit dar, sind damit zusammenhängende Ausgaben nicht betrieblich veranlaßt. Dem steht nicht entgegen, daß ein Steuerpflichtiger schon vor der beabsichtigten Betriebseröffnung entstandene Kosten möglicherweise als Betriebsausgaben absetzen kann, selbst wenn es später tatsächlich nicht zu der Betriebseröffnung kommt.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Weingroßhändler. Er ermittelt den Gewinn entsprechend § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach einem vom 1.September bis 31.August laufenden Wirtschaftsjahr. Im endgültigen Einkommensteuerbescheid 1978 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) eine vom Kläger in der Bilanz zum 31.August 1978 gebildete Rückstellung für die Kosten eines finanzgerichtlichen Prozesses nicht an. In dem Rechtsstreit war es um die Minderung der Einkommen für die Jahre 1970 bis 1973 wegen Verlusten aus Wertpapier- und Warentermingeschäften, wegen Zinsen zur Finanzierung dieser Geschäfte sowie wegen der Kosten eines anderen Finanzgerichtsprozesses gegangen; die Klage war wegen Versäumung der Klagefrist abgewiesen worden.

Mit der Sprungklage begehrte der Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheids 1978 in der Weise, daß bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte eine Rückstellung wegen Kosten in Höhe von ... DM, die aus dem verlorenen Rechtsstreit wegen der Wertpapier- und Warentermingeschäfte erwachsen seien, berücksichtigt werde. Er machte geltend, daß die Bildung der Rückstellung gerechtfertigt sei, weil er mit dem Rechtsstreit die Minderung des gewerblichen Gewinns angestrebt habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, daß die der begehrten Rückstellung zugrunde liegenden Aufwendungen sowohl betrieblich als auch privat veranlaßt und deshalb nach § 12 Nr.1 EStG nicht abzugsfähig seien. Im Streitfall sei es um die Zuordnung von Verlusten und damit um die Ermittlung des Einkommens gegangen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1978, ausgehend von der Bildung der Rückstellung in der Bilanz zum 31.August 1978, herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Kläger in der Bilanz zum 31.August 1978 eine Rückstellung für die hier strittigen Kosten eines Steuerrechtsstreits nicht bilden konnte.

1. Ermitteln Steuerpflichtige den Gewinn nach § 5 Abs.1 EStG, haben sie in der Bilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen, wenn das künftige Entstehen einer betrieblich veranlaßten Verbindlichkeit dem Grunde und/oder der Höhe nach sowie die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen wahrscheinlich ist und wenn ferner die künftigen zur Tilgung der ungewissen Verbindlichkeit zu leistenden Ausgaben wesentlich bereits im abgelaufenen oder in vorangegangenen Wirtschaftsjahren wirtschaftlich verursacht sind (siehe z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.Mai 1983 IV R 205/79, BFHE 139, 41, BStBl II 1983, 670). Die betriebliche Veranlassung der Verbindlichkeit muß feststehen; sie darf nicht ungewiß sein.

Im Streitfall sind die durch den Steuerrechtsprozeß des Klägers entstandenen Verpflichtungen nicht betrieblich veranlaßt.

2. Zwar hat schon der Reichsfinanzhof (RFH) in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein Gewerbetreibender die Steuerberaterkosten und die Kosten für die Führung eines Einkommensteuerrechtsstreits als Betriebsausgaben absetzen kann, soweit es um Fragen der Gewinnermittlung geht (Urteile vom 13.Mai 1933 VI A 1093, 1094/32, RStBl 1933, 1004; vom 20.Oktober 1937 VI 626/37, RStBl 1938, 93; vom 12.März 1941 VI 64/41, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1941, Teil II Nr.237). Zur Begründung weist der RFH darauf hin, daß die Kosten durch den Betrieb bedingt seien; denn sie wären nicht gemacht worden, wenn der Betrieb nicht vorhanden gewesen wäre. Es würde auch dem Gebot der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit widersprechen, wenn große Betriebe, die sich einen eigenen fachmännisch geschulten Steuerbuchhalter oder Syndikus hielten, die Ausgaben für diese Angestellten unbeanstandet als Betriebsausgaben abziehen könnten, während Gewerbetreibenden der Abzug der Aufwendungen für Stundenbuchhalter oder Steuerberater versagt werde. Allerdings dürften nach der besonderen Vorschrift des § 12 Nr.3 EStG die Steuern vom Einkommen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Daraus folge aber nicht, daß alles, was irgendwie mit ihnen zusammenhänge, nicht abgezogen werden könne. Daß die Aufwendungen für einen Steuerstreit möglicherweise Einsparungen an Einkommensteuer zur Folge hätten, sei nur eine Nebenwirkung, die aber nicht überwiege und deshalb nicht ausschlaggebend sei.

Der BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und sie auch auf andere Einkunftsarten ausgedehnt (siehe z.B. Urteile vom 5.Februar 1953 IV 454/52 U, BFHE 57, 190, BStBl III 1953, 75; vom 30.April 1965 VI 207/62 S, BFHE 82, 449, BStBl III 1965, 410; vom 30.April 1965 VI 7/63 U, BFHE 82, 455, BStBl III 1965, 412; vom 18.November 1965 IV 151/64 U, BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190). Weiter hat er mit Urteil vom 13.Januar 1966 IV 389/61 (BFHE 84, 538, BStBl III 1966, 196) entschieden, daß auch die Steuerberatungs- und Steuerprozeßkosten, die durch einen Steuerrechtsstreit über das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen Ehegatten im Gewinnfeststellungsverfahren entstanden seien, Betriebsausgaben sind, weil die Frage, welchem Ehegatten die Einkünfte zuzurechnen seien, zur Ermittlung des Gewinns gehöre. Die Abzugsfähigkeit dieser Kosten als Betriebsausgaben ist unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige in dem Rechtsstreit obsiegt oder nicht (BFHE 84, 538, BStBl III 1966, 196). Diese von RFH und BFH entwickelten Grundsätze werden, wie sich aus Abschn.102 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) ergibt, auch von der Finanzverwaltung praktiziert.

Tragender Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung ist der Gedanke, daß die zum Zweck der zutreffenden Ermittlung des Gewinns (der übrigen Einkünfte) aufgewendeten Steuerberaterkosten und Kosten eines Rechtsmittelverfahrens der Erzielung des Gewinns (der übrigen Einkünfte) dienen und damit betrieblich (durch Einnahmen im Sinne der Überschußeinkünfte) veranlaßt sind. Sie gehören --anders als z.B. die Kosten für die Übertragung der Ergebnisse der Einkünfteermittlung in die Einkommensteuererklärungsvordrucke und der Kosten für das übrige Ausfüllen der Einkommensteuererklärungsvordrucke (vgl. hierzu Urteil in BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190)-- nicht zu den nach § 12 Nr.1 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen im Bereich der Einkommensverwendung. Auch sind die bei der Ermittlung der Einkünfte angefallenen Berater- und Rechtsmittelkosten keine gemischten Aufwendungen i.S. des § 12 Nr.1 EStG; wie schon der RFH (Urteil vom 12.März 1941 VI 64/41, StuW 1941, Teil II Nr.237) ausgeführt hat, stellen die sich aus den Kosten für die zutreffende Einkünfteermittlung ergebenden möglichen Einsparungen an Einkommensteuer nur eine für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit oder Nichtabzugsfähigkeit nach § 12 Nr.1 EStG nicht ausschlaggebende Nebenwirkung dar.

3. Im Streitfall geht es um die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit (Abschlüsse von Wertpapier- und Warentermingeschäften),aus der Verluste erzielt werden, als eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist (ggf. mit der Ausübung des Weingroßhandels des Klägers einen einheitlichen gewerblichen Betrieb darstellt) oder ob sie einkommensteuerrechtlich unerheblich ist. Die diesbezügliche Steuerberatung ist entgegen der Auffassung des Klägers einkommensteuerrechtlich nicht mit der Beratung für die zutreffende Ermittlung des Gewinns aus einem unzweifelhaft vorliegenden Gewerbebetrieb gleichzusetzen.

Im Streitfall ist rechtskräftig entschieden, daß die Verluste des Klägers aus den Wertpapier- und Warentermingeschäften nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnen sind; das FG ist im angefochtenen Urteil zu demselben Ergebnis gekommen. Demgegenüber hat der Kläger keine substantiierten Einwände vorgebracht. Ist aber davon auszugehen, daß die hier in Frage stehende Tätigkeit des Klägers keine gewerbliche war, dann sind die mit der einkommensteuerrechtlich zutreffenden Zuordnung dieser Tätigkeit zusammenhängenden Steuerberater- und Rechtsmittelkosten keine Aufwendungen zur Erzielung von Einkünften; sie sind vielmehr dem einkommensteuerrechtlich irrelevanten Bereich der Einkommensverwendung zuzurechnen.

Hat der Kläger aus seiner in den Abschlüssen von Wertpapier- und Warentermingeschäften bestehenden Tätigkeit keine gewerblichen Einkünfte bezogen, kann er bei der Ermittlung der aus dieser Tätigkeit erzielten Ergebnisse auch keine Betriebsausgaben im Sinne einer einkommensteuerrechtlich zu beachtenden gewerblichen Tätigkeit absetzen oder Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Der Ansatz betrieblich veranlaßter Ausgaben oder betrieblich veranlaßter Verbindlichkeiten setzt voraus, daß überhaupt ein Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 EStG bestanden hat. Dem steht auch nicht entgegen, daß ein Steuerpflichtiger schon vor der beabsichtigten Betriebseröffnung entstandene Kosten möglicherweise als Betriebsausgaben absetzen kann, selbst wenn es später tatsächlich nicht zu der Betriebseröffnung kommt; denn im Streitfall hat der Kläger nicht die Eröffnung eines Gewerbebetriebs im Sinne des Einkommensteuerrechts geplant.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61826

BStBl II 1987, 711

BFHE 150, 148

BFHE 1987, 148

BB 1987, 2146

DB 1987, 2127-2127 (ST)

DStR 1987, 623-623 (ST)

HFR 1987, 513-514 (ST)

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