Leitsatz (amtlich)

Die Prämien für eine Krankentagegeldversicherung dürfen in keinem Fall als Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 1, §§ 3c, 4 Abs. 1, 4, §§ 9, 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der gesonderten Gewinnfeststellung 1963, ob die für eine Krankentagegeldversicherung des Unternehmers (Steuerpflichtiger) gezahlten Prämien Betriebsausgaben sein können.

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) war Immobilienmakler, der seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelte. Um die Fortführung seines mit erheblichen Unkosten, besonders Lohnaufwendungen, belasteten Betriebs für den Fall seiner durch Krankheit veranlaßten Arbeitsunfähigkeit zu sichern, beabsichtigte der Steuerpflichtige zunächst den Abschluß einer Betriebsunterbrechungsversicherung, was die Versicherungsgesellschaft jedoch ablehnte, weil kein Betriebsereignis, sondern Krankheit und die dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit des Unternehmers der die Versicherungsleistungen auslösende Versicherungsfall sein sollten. Als Ersatz schloß der Steuerpflichtige am Ende des Streitjahres mit der Versicherungsgesellschaft eine auf seine Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit abgestellte Krankent a g egeldversicherung mit beschränkter Höchstdauer ab. Um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, mit dem Tagegeld die fortlaufenden betrieblichen Aufwendungen des Büros zu decken, erklärte sich das Versicherungsunternehmen mit einem Tagegeldsatz von 200 DM einverstanden.

FA und FG lehnten das Verlangen des Steuerpflichtigen ab, die auf das Streitjahr entfallende Prämie von 192 DM als Betriebsausgabe abziehen zu dürfen. Das FG ging von dem Grundsatz aus, daß Kranken-, Unfall- und Lebensversicherungsprämien und die entsprechenden Verträge in den privaten Lebensbereich gehörten und daß deshalb ihrem Abzug als Betriebsausgabe § 12 Nr. 1 EStG entgegenstehe. Da die Versicherung auf die Erkrankung und die Arbeitsunfähigkeit des Steuerpflichtigen abgestellt sei, gehöre sie notwendig in seinen privaten Lebensbereich. Das gelte auch dann, wenn der Steuerpflichtige eine so hohe Versicherung nur deshalb abgeschlossen habe, um mit den Versicherungsleistungen ähnlich wie bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung die laufenden Unkosten seines Unternehmens zu decken, und wenn er daneben eine andere Krankenversicherung abgeschlossen habe, die seine persönlichen, durch die Krankheit veranlaßten Aufwendungen zu decken bestimmt sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen ist unbegründet. Der Senat schließt sich im Ergebnis den Ausführungen des FG an.

1. In Betracht kommende Vorschriften: Die Auswirkungen der Prämienzahlungen für eine Krankentagegeldversicherung auf die Höhe der einzelnen Einkünfte oder das Einkommen hängt zunächst von der Auslegung der Vorschriften des § 12 Nr. 1, des § 10 Abs. 1 Nr. 2a und des § 4 Abs. 1 und 4 EStG ab. Handelt es sich um Aufwendungen der Lebensführung im Sinn des § 12 Nr. 1 EStG, so kommt ein Abzug als Betriebsausgabe bei den Einkünften des Steuerpflichtigen aus Gewerbebetrieb nicht in Betracht und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nicht nur die Prämien als Betriebsausgabe, sondern die Versicherungsleistungen auch als Betriebseinnahme zu behandeln bereit ist. Die Charakterisierung der Prämien als Aufwendungen der Lebensführung schließt aber den Abzug als Sonderausgabe nicht aus, wenn es sich um eine Krankenversicherung im Sinn des § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG handelt, weil Sonderausgaben ihrem Wesen nach in die private Sphäre gehören, ausnahmsweise aber vom Gesamtbetrag der Einkünfte auf Grund gesetzlicher Vorschriften abgezogen werden dürfen. Die Charakterisierung der Aufwendungen als Prämie für eine Krankenversicherung kann außerdem, wenn die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe in Betracht kommt, im Rahmen der Auslegung der Vorschriften des § 3 Nr. 1 und des § 3c EStG Bedeutung gewinnen, wonach Ausgaben (hier die Prämienzahlungen) nicht abgezogen werden dürfen, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen (hier Leistungen aus der Krankenversicherung) stehen.

2. Begriff der Krankenversicherung: Es kann zweifelhaft sein, ob die Krankentagegeldversicherung stets als Krankenversicherung im Sinn der bezeichneten Vorschriften angesehen werden kann. Denn die Sonderbehandlung der Krankenversicherung durch den Gesetzgeber beruht in erster Linie auf der Erwägung, den Steuerpflichtigen vor den Folgen einer Krankheit zu schützen und ihm die Deckung der durch die Krankheit entstandenen Aufwendungen zu erleichtern. Diese Abhängigkeit der Versicherungsleistungen von den unmittelbar durch die Krankheit veranlaßten Aufwendungen fehlt bei der Krankentagegeldversicherung deshalb, weil der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalls in der Verwendung der Versicherungsleistungen frei ist und diese auch dann erhält, wenn ihm durch die Krankheit unmittelbar keine Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit entstehen. Das gilt auch dann, wenn er von vornherein beabsichtigt, die Versicherungsleistungen als Betriebseinnahmen zum Ausgleich der durch seine Krankheit ausfallenden persönlichen Leistungen im betrieblichen Bereich oder zum Unterhalt seiner Familie zu verwenden. Trotz gewisser Bedenken erkennt der Senat die Krankentagegeldversicherung als Krankenversicherung an. Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Krankenversicherung gibt es nicht und kann auch nicht aus dem Einkommensteuerrecht entnommen werden. Das Sozialversicherungsrecht faßt diesen Begriff in den §§ 165 ff. der Reichsversicherungsordnung (RVO) sehr weit. Denn die auf Grund dieser Vorschriften gewährte Krankenhilfe umfaßt auch ein zeitlich begrenztes Krankengeld, wenn die Krankheit zu einer Arbeitsunfähigkeit führt (§ 182 RVO). Da sich dieses Krankengeld nach dem bisherigen Nettolohn richtet, ist es offenbar nicht zur Deckung bestimmter Krankheitskosten, sondern zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestimmt. Es erscheint deshalb vertretbar, auch in der Krankentagegeldversicherung in Übereinstimmung mit der Versicherungswirtschaft, die diese Versicherungsart zu den Krankenversicherungen rechnet, eine Krankenversicherung im Sinn des EStG zu sehen.

Man könnte allerdings in Übereinstimmung mit dem FG Nürnberg (EFG 1954, 5) daran denken, die Krankentagegeldversicherung nur insoweit als Krankenversicherung im Sinn des Einkommensteuerrechts anzuerkennen, als die Versicherungsleistungen die Krankheitskosten und die Lebenshaltungskosten während der Krankheit nicht erheblich übersteigen. Von einer solchen Beschränkung sieht der Senat aber besonders deshalb ab, weil die dann erforderlich werdende Abgrenzung zu großen Schwierigkeiten führen würde. Es läßt sich bei Abschluß einer solchen Versicherung nicht übersehen, wie hohe Aufwendungen noch unbekannte spätere Erkrankungen veranlassen und wie hoch die dann noch zu deckenden Lebenshaltungskosten sein werden. Das hängt außerdem nicht allein von der Art der Erkrankung, sondern auch von dem ab, was der Steuerpflichtige zur Wiederherstellung seiner Gesundheit aufzuwenden für richtig halten wird. Daß unangemessene, mit der Erkrankung nicht mehr auch in einem Zusammenhang stehende Aufwendungen abgedeckt oder der Versicherungsvertrag zur Schaffung steuerfreier, durch abzugsfähige Aufwendungen erkaufter Einnahmen benutzt werden könnte, wird weitgehend durch die Begrenzung des Abzugs der Prämien als Sonderausgaben verhütet. Diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß die Prämien für eine Krankentagegeldversicherung stets Sonderausgaben und die Leistungen aus dieser Versicherung nach § 3 Nr. 1 EStG steuerfrei sind.

3. Prämien keine Betriebsausgaben: Aus der Erkenntnis, daß die Krankentagegeldversicherung eine Krankenversicherung im Sinn des § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG ist, kann noch nicht zwingend gefolgert werden, daß der Steuerpflichtige die Prämie nicht auch als Betriebsausgaben behandeln dürfte. Denn Aufwendungen sind nur insoweit Sonderausgaben, als sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Deshalb hat es die Rechtsprechung z. B. dem Steuerpflichtigen freigestellt, ob er einen Bausparvertrag in der privaten oder in der betrieblichen Sphäre abschließen wolle mit der Folge, daß die Bausparbeiträge im ersten Fall Sonderausgaben und im zweiten Fall aktivierungspflichtige betriebliche Aufwendungen sind. Die Entscheidung darüber, ob der Steuerpflichtige auch die Krankentagegeldversicherung im betrieblichen Bereich abschließen dürfe, hängt von der Auslegung des § 12 Nr. 1 EStG ab. Man kann der Vorinstanz allerdings darin nicht zustimmen, daß alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherungsfall durch ein die Person des Steuerpflichtigen betreffendes Ereignis, wie Krankheit, Tod oder Unfall, ausgelöst werde, nicht in der betrieblichen Sphäre abgewickelt werden dürften. Denn die Rechtsprechung hat z. B. die Unfallversicherung (vgl. Urteil des BFH IV 42/65 vom 5. August 1965, BFH 83, 417, BStBl III 1965, 650) oder die Lebensversicherung (Urteile des RFH VI 42/42 vom 11. März 1942 und IV 6/42 vom 21. Mai 1942, RStBl 1942, 601 und 826) unter bestimmten Voraussetzungen als betriebliche Vorgänge anerkannt und die Prämien als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen. Ob der Auffassung des RFH hinsichtlich solcher Lebensversicherungen (Teilhaberversicherung) zugestimmt werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Bei der Unfallversicherung liegen die Verhältnisse aber anders als bei der Krankentagegeldversicherung, weil der Unfall anders als die Erkrankung unmittelbar durch den Betrieb veranlaßt sein kann und eine so enge Verbindung zwischen dem betrieblichen Geschehen und der Erkrankung nur bei dem verhältnismäßig seltenen und hier nicht zu entscheidenden Fall der Berufskrankheit denkbar ist. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, den Abschluß einer Krankentagegeldversicherung als einer Art der Krankenversicherung nur im privaten Bereich zu gestatten und eine Behandlung der Prämien als Betriebsausgaben auszuschließen.

Der Steuerpflichtige meint, daß zu einer solchen Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Prämien jedenfalls dann keine Veranlassung bestehe, wenn der Steuerpflichtige die Versicherung offensichtlich zur Aufrechterhaltung seines Betriebes im Falle seiner Erkrankung abgeschlossen habe und bereit sei, die durch den Versicherungsfall ausgelösten Einnahmen als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu behandeln. Der Steuerpflichtige berücksichtigt bei dieser Auffassung nicht ausreichend, daß eine Nachprüfung und Feststellung eines objektiven Zusammenhanges einer bestimmten Krankentagegeldversicherung mit betrieblichem Geschehen kaum möglich ist und sich deshalb die Finanzverwaltung im wesentlichen auf die Erklärungen des Steuerpflichtigen verlassen müßte. Entscheidend aber sind für die Auffassung des Senats die Auswirkungen des § 3 Nr. 1 und des § 3c EStG, die sich ergäben, wenn man der Auffassung des Steuerpflichtigen folgen würde.

4. Steuerfreiheit der Versicherungsleistungen: Da die Krankentagegeldversicherung eine Krankenversicherung ist, ergibt der insoweit eindeutige Wortlaut des § 3 Nr. 1 EStG, daß die durch den Eintritt des Versicherungsfalls ausgelösten Versicherungsleistungen steuerfrei sind. Aus der bezeichneten Vorschrift kann nicht entnommen werden, daß die Steuerfreiheit nur für den Fall gelten solle, daß die Versicherung im privaten Bereich abgeschlossen ist. Sie müßte also auch dann angewendet werden, wenn die Prämien dem Verlangen des Steuerpflichtigen entsprechend als Betriebsausgaben behandelt worden wären. Ein Verzicht auf diese Steuerbefreiung, die gesetzlich angeordnet ist, ist nicht möglich. Wären aber die Versicherungsleistungen steuerfrei, dann würde sich aus § 3c EStG ergeben, daß die mit den steuerfreien Einnahmen (Versicherungsleistungen) im Zusammenhang stehenden Prämien nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürften. Die sich damit ergebende Rechtslage wäre für die Steuerpflichtige deshalb besonders ungünstig, weil sie dann die als Betriebsausgabe behandelten, wenn auch nicht abzugsfähigen Prämien nicht mehr als Sonderausgaben absetzen dürften. Aus dieser Rechtslage kann deshalb nur der Schluß gezogen werden, daß auch die Sonderbehandlung der Krankenversicherung in § 3 Nr. 1 EStG die Auffassung rechtfertigt, daß diese Versicherung nur im privaten Bereich denkbar und zulässig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68570

BStBl II 1969, 489

BFHE 1969, 447

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