Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Schenkung auf den Todesfall gehören Bereicherung und Bereicherungswille nicht zu den erbschaftsteuerlichen Tatbestandsmerkmalen.

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 2/1/2, § 14/1/1, §§ 21-22, 22/6, § 23/6; BewG § 13 Abs. 2, § 11/2; BGB § 2301

 

Tatbestand

Der Bf. begehrt Freistellung von der Schenkungsteuer. Es liegt folgender Sachverhalt vor: Der Vater des Bf. der Kaufmann Arthur B. - Erblasser -, ist am 6. Dezember 1955 verstorben. Befreite Vorerbin ist seine Witwe; Nacherben zu gleichen Teilen sind der Bruder des Bf., der Kaufmann Wilhelm B. und der Bf., der ebenfalls Kaufmann ist. Der Erblasser hatte dem Bf. am 22. Januar 1952 in notarieller Form das Angebot gemacht, von den ihm gehörenden Anteilen an der Arthur B.-GmbH nominell 27.500 DM gegen Zahlung von 27.500 DM käuflich zu erwerben. Das Angebot war bis zum Tode des Erblassers jederzeit widerruflich. Der Bf. konnte es erst nach dem Tode des Erblassers annehmen. Das hat er am 15. Dezember 1955 in notarieller Form getan. Der gemeine Wert der Anteile ist auf den 1. Januar 1949 auf 180 v. H. des eingezahlten Stammkapitals festgestellt worden. In der "vorläufigen Berechnung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Erbanfalls" und in der Erbschaftsteuererklärung gab die Witwe des Erblassers den gemeinen Wert der Anteile an der Arthur B.-GmbH auf den 1. Januar 1953 mit "ca. 842 v. H." an. Das Finanzamt erblickte in der übertragung der GmbH-Anteile einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Bf. - eine Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB) -, soweit am 15. Dezember 1955 der gemeine Wert der Anteile (842 v. H. von 27.500 DM 231.550 DM) den Kaufpreis von 27.500 DM überstieg. Es nahm vorläufig eine Bereicherung des Bf. von 204.500 DM an und setzte durch vorläufigen Teilsteuerbescheid vom 4. Januar 1957 eine Erbschaftsteuer von 9.570 DM fest.

Gegen diesen Bescheid legte der Bf. mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts Sprungberufung ein. Er vertrat die Meinung, daß der Vorgang nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) vom 30. Juni 1951 - BGBl 1951 I S. 764 - mit änderungen (Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall, § 2301 BGB) falle. Insbesondere machte er geltend: Es handle sich nicht um einen Erwerb von Todes wegen, sondern um das Angebot eines Kaufvertrags, durch das der Erblasser die Einflußnahme auf die GmbH in seinem Sinne habe regeln wollen; an eine Zurücknahme des Angebots habe der Erblasser nicht gedacht. Das vom Erblasser dem Bf. gemachte Kaufangebot habe zu einem Gestaltungsrecht des Bf. geführt, das dieser infolge aufschiebender Bedingung erst am 15. Dezember 1955 habe ausüben können. In dem Kaufangebot sei kein Schenkungswille des Erblassers zum Ausdruck gekommen. Im Zeitpunkt der Abgabe des Kaufangebots sei der gemeine Wert der Anteile an der GmbH nur mit 180 v. H. zu bemessen gewesen. Es stehe nicht einmal fest, ob der Erblasser sich dieses Wertes bewußt gewesen sei. Im übrigen habe er mit Rückschlägen in fernerer Zukunft rechnen müssen. Die Betriebsüberschüsse in den Jahren 1950 bis 1953 seien rückläufig gewesen. Mit Rücksicht darauf, daß noch eine lange Laufzeit des Angebots habe angenommen werden können, sei eine Bewertung der Anteile mit 100 v. H. angemessen. Maßgebend für die Bewertung sei das Stichtagsprinzip. Im Streitfall komme es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Kaufangebots an; zu diesem Zeitpunkt hätten die Anteile nur den Nominalwert gehabt. Den gemeinen Wert der Anteile am 1. Januar 1949 habe der Erblasser erst durch den Bescheid vom 20. Oktober 1953, also nach Abgabe des Kaufangebots, erfahren.

Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es hat einen Erwerb durch - gemischte - Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1951) als vorliegend angesehen. Das Finanzgericht hat ausgeführt: Maßgebend seien die Wertverhältnisse am Todestage des Erblassers. Dann aber sei eine Schenkung auf den Todesfall zu bejahen. Objektive Bereicherung des Bf. und Bereicherungswille hätten vorgelegen.

Gegen das Urteil des Finanzgerichts hat der Bf. Rb. eingelegt. Er wendet sich erneut gegen die Annahme einer Schenkung auf den Todesfall.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung.

Was den Steueranspruch dem Grunde nach anbetrifft, so ist der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten. Die Vorinstanz hat mit Recht eine gemischte Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1951) als vorliegend angesehen. Das Rechtsgeschäft war wohl in das äußere Gewand eines Kaufgeschäfts gekleidet, und es enthielt zum Teil - in Höhe von 27.500 DM - ein Kaufangebot; im übrigen enthielt es aber eine Schenkung auf den Todesfall. Das Finanzgericht hat eingehend untersucht, ob im Streitfall objektiv eine Bereicherung des Bf. und eine Einigung der Vertragsteile über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung vorliegen. Wenn auch das Ergebnis dieser Untersuchung nicht zu beanstanden ist, so bedurfte es doch dieser Erörterungen an sich nicht. Es wird zwar im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten (vgl. Megow, Erbschaftsteuergesetz, 3. Auflage 1955, Bemerkung VI zu § 2; 4. Auflage 1959, Bemerkung V zu § 2), daß auch die Schenkung auf den Todesfall erbschaftsteuerrechtlich "objektiv eine Bereicherung und subjektiv den Bereicherungswillen des Zuwendenden" voraussetze. Der I Senat des Reichsfinanzhofs dagegen hat in dem Gutachten I D 1/30 vom 21. Mai 1931 (Slg. Bd. 29 S. 137 ff., 152/3, Rechtssatz 3, auch im Reichssteuerblatt 1931 S. 559, 560) den Standpunkt vertreten, daß für die Schenkung auf den Todesfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a. F.) Bereicherung und Bereicherungswille nicht zu den erbschaftsteuerlichen Tatbestandsmerkmalen gehören (so auch Troll, Erbschaftsteuergesetz, 1959 Bemerkung 26 zu § 2; Brecht, Erbschaftsteuergesetz, 1942 Bemerkung IV 1 zu § 2, S. 62). Der erkennende Senat tritt der letzteren Meinung bei. Dem Gutachten des Reichsfinanzhofs (Slg. Bd. 29 S. 152) ist darin zu folgen, daß als Erwerb von Todes wegen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a. F. die sogenannte Schenkung auf den Todesfall nur dann anzusehen ist, wenn sie nicht schon bei Lebzeiten des Erblassers vollzogen wird. Auf ein Schenkungsversprechen von Todes wegen finden nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung, und zwar, wegen des vertragsmäßigen Charakters der Schenkung von Todes wegen, die Vorschriften über den Erbvertrag (vgl. auch Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB 10. Auflage 1956 Bemerkung 2 zu § 2301; Kipp, Erbschaftsteuergesetz, 1927, Bemerkung 72 zu § 2). Ob die für den Abschluß eines Erbvertrages geltenden Formvorschriften im Streitfall gewährt sind, die auch die gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsteile vor dem Richter oder dem Notar verlangen, kann dahingestellt bleiben, da die Schenkung von Todes wegen von den Beteiligten als gültig behandelt und ausgeführt worden ist (§ 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes). Während bei der Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts Bereicherung und Einigkeit über die Unentgeltlichkeit und bei der "anderen freigebigen Zuwendung unter Lebenden" Bereicherung und Bereicherungswille des Zuwendenden erforderlich sind, bestehen diese Voraussetzungen für die Schenkung auf den Todesfall mithin nicht (Reichsfinanzhof, a. a. O., S. 153). Die Gegenmeinung kann sich nicht mit Recht auf die Urteile des (III. Senats des) Reichsfinanzhofs III e A 73/33 vom 19. Juni 1935 (RStBl 1935 S. 1061/3, Slg. Bd. 38 S. 81) und III e 47/38 vom 17. November 1938 (RStBl 1939 S. 495 f.) berufen. Das erstgenannte Urteil hat zu § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG 1925 (Schenkung unter Lebenden) festgestellt, daß im Streitfall Bereicherung und Bereicherungswille gegeben seien; in der Entscheidung wurde weiter erklärt, es liege aber eine Schenkung auf den Todesfall vor, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zu beurteilen sei, und es wurde wörtlich ausgeführt: "Bemerkt sei noch, daß der I. Senat in seinem Gutachten vom 21. Mai 1931 1 D 1/30 (...) die Ansicht vertreten hat, bei einer Schenkung auf den Todesfall seien eine Bereicherung des Erwerbers und eine Bereicherungsabsicht des Erblassers gar nicht einmal Tatbestandsmerkmale des Rechtsvorgangs." Das Urteil III e 47/38 vom 17. November 1938 ist zu § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG 1925 ergangen. Im übrigen würde der erkennende Senat selbst dann, wenn der Reichsfinanzhof in späteren Entscheidungen von der in der Slg. Bd. 29 S. 152/3 für die Schenkung auf den Todesfall vertretenen Ansicht abgewichen wäre, einer solchen abweichenden Meinung nicht folgen können.

Es kann für den Streitfall dahingestellt bleiben, ob unter Berücksichtigung des § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Fälle der (gemischten Kaufrechts-) Schenkung auf den Todesfall die von dem Kommentar der Reichsgerichtsräte (in Bemerkung 4 zu § 1939 BGB) für das Kaufrechtsvermächtnis geforderte Begünstigungsabsicht - genauer wohl: ein Begünstigungswille - zu verlangen ist (vgl. auch Reichsfinanzhof in Slg. Bd. 29 S. 151 unter IV 2). Auch ein solcher begünstigender Wille des Erblassers hat, wie sich auch aus dem Vortrag des Bf. ergibt, vorgelegen. Dem Erblasser kam es nach den Gesamtumständen offensichtlich darauf an, die Einflußnahme auf die GmbH in seinem Sinne zu regeln und durch das günstige Angebot besonders den Bf. (Sohn), der im Testament nur als Nacherbe eingesetzt wurde, weiter an dem Unternehmen zu interessieren.

Das Finanzgericht hat somit die Erbschaftsteuerpflicht dem Grunde nach mit Recht bejaht.

Was die Höhe des Erbschaftsteueranspruchs anbetrifft, so waren die Anteile an der GmbH nach §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 21, 22 Abs. 6 ErbStG 1951, § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes zu bewerten, wobei zu berücksichtigen war, daß der Bf. das Erwerbsangebot hinsichtlich der GmbH-Anteile erst nach dem Tode seines Vaters annehmen konnte. Der Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert der Anteile unterlag der Erbschaftbesteuerung. Hinsichtlich der Höhe der Steuer kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Das Finanzgericht führt auf Seite 6 der Vorentscheidung aus, gegen die Höhe der festgesetzten Steuer habe der Bf. keine Einwendungen erhoben. Demgegenüber weist der Bf. in der Rb. zutreffend darauf hin, daß er bereits im finanzgerichtlichen Verfahren in den Schriftsätzen vom 21. Februar, 13. März und 27. April 1957 gegen die Bewertung der GmbH- Anteile und damit auch gegen die Höhe der Steuer Einwendungen erhoben habe. Daß die Witwe des Erblassers in der Erbschaftsteuererklärung den gemeinen Wert der Anteile auf den 1. Januar 1953 mit "ca. 842 v. H." angegeben hat, kann nicht ausschlaggebend sein, da insoweit auf die zur Zeit des Erlasses des vorläufigen Steuerbescheides nur vorläufige Bewertung der Anteile durch das Finanzamt für Körperschaften Bezug genommen wurde. Die Vorentscheidung ist somit aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung hinsichtlich der Höhe des Steueranspruchs zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424021

BStBl III 1961, 234

BFHE 1961, 641

BFHE 72, 641

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