Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von unverzinslichen Darlehen an Betriebsangehörige

 

Leitsatz (NV)

Unverzinsliche Darlehensforderungen gegen Betriebsangehörige sind grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) vergab von 1976 bis 1981 Darlehen an Betriebsangehörige. Die Darlehen waren überwiegend zinslos und zu mehr als der Hälfte durch Grundschulden gesichert. Bei der Berechnung des Teilwerts der Darlehensforderungen für das Streitjahr 1981 legte die Klägerin erstmals einen Zinssatz von 10 v. H. als Abzinsungsfaktor zugrunde.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte einen Zinssatz von 5,5 v. H. an. Dies führte bei der Klägerin zu einem Mehrgewinn von . . . DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Sprunklage u. a. unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. April 1975 I R 236/72 (BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875) statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 220).

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der Zinssatz, den das FA bei der Berechnung des Teilwerts der Darlehensforderungen gegen die Arbeitnehmer der Klägerin zugrunde gelegt hat, ist jedenfalls nicht zu niedrig (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Darlehensforderungen sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. auch § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -) mit den Anschaffungskosten anzusetzen, das ist (ohne Berücksichtigung von Agien oder Disagien) der Nennwert des Darlehensbetrags.

In der Steuerbilanz können Darlehensforderungen mit einem unter den Anschaffungskosten liegenden Wert angesetzt werden, wenn ihr Teilwert niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Der Teilwert der hier streitigen unverzinslichen Darlehen an Betriebsangehörige ist jedoch nicht niedriger als ihre Anschaffungskosten (Nennwert). Wie der BFH seit dem Urteil vom 30. November 1988 I R 114/84 (BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117) wiederholt entschieden hat (Urteil vom 30. November 1988 I R 78/84, nicht veröffentlicht - NV -; Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/85, I R 145/86, BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639), ist in der Regel davon auszugehen, daß ein Erwerber des Unternehmens für diese Darlehen den Nennwert vergüten würde. Er würde sich nämlich die mit dem niedrigen Zinssatz angestrebten unternehmerischen Zwecke (Verbesserung des Betriebs- und Arbeitsklimas) zum Maßstab seiner Preisvorstellungen machen. Dem stehen weder der Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG; § 253 HGB) noch die handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze entgegen (BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117). Anhaltspunkte dafür, daß der Wert der Darlehen nach ihrer Auszahlung gesunken ist, z. B. weil eine Fehlmaßnahme vorliegt, sind nicht ersichtlich.

Der BFH hat mit dem Urteil in BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117 (ferner Urteil in BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639) seine alte Rechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875) geändert. Die Verwaltung ist ihm gefolgt (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 17. Januar 1990 IV B 2 - S 2174 - 3/90, BStBl I 1990, 71), ebenso ein Teil der Literatur (L.S., Deutsches Steuerrecht - DStR - 1989, 179; L. Schmidt, Finanz-Rundschau 1989, 169; Bordewin, Rechts- und Wirtschaftspraxis, SG 1.3. 2916). Demgegenüber wird zum Teil vertreten, daß die Anschaffungskosten einer niedrig verzinslichen oder unverzinslichen Forderung ihr Barwert seien (Mathiak, DStR 1989, 661; Laule, KFR, F 3 § 6 EStG 1/1989, S. 137f.); zum Teil wird eingewandt, mit der Unterlassung einer Teilwertabschreibung werde das Vorsichtsprinzip verletzt (Mayer-Wegelin, Betriebs-Berater 1990, 23) und eigene Aufwendungen auf den originären Geschäftswert unzulässigerweise aktiviert (Slomma, Der Betrieb 1989, 1106).

Von den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern darf allerdings in der Regel nicht deshalb abgewichen werden, weil für ihre Anschaffung oder Herstellung Sozialgedanken bestimmend waren (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 6/71, BFHE 107, 296, BStBl II 1973, 79). Andererseits hat bereits die bisherige Rechtsprechung unter Beachtung dieser Grundsätze bei Wirtschaftsgütern, die im Rahmen betrieblicher Sozialleistungen eingesetzt werden, eine Teilwertabschreibung nicht zugelassen (vgl. die Nachweise in BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117 zu 2a). Ein gedachter Erwerber würde derartige Wirtschaftsgüter nicht wie andere an ihrem unmittelbaren Ertragswert für das Unternehmen messen; der Wert der streitigen Darlehen für das Unternehmen bestimmt sich nicht nach ihrem Zinsertrag. Das rechtfertigt es, von einem Passivposten oder einer Teilwertabschreibung unter dem Gesichtspunkt des Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) abzusehen.

Der IV. Senat, der in seinem Urteil vom 9. Juli 1981 IV R 35/78, BFHE 133, 543, BStBl II 1981, 734 noch von den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875 ausgegangen ist, hat auf Anfrage erklärt, daß er insoweit gegen die vorliegende Entscheidung keine Bedenken hat.

Die Klage war abzuweisen. Es bleibt im Ergebnis bei einer Teilwertabschreibung unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 5,5 v. H., weil das Gericht aufgrund des Verböserungsverbots den Gewinn nicht höher als das FA ansetzen kann (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417561

BFH/NV 1991, 451

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