Leitsatz (amtlich)

1. Laufende Bezüge, die der Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit als Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG wegen der Auflösung eines Dienstverhältnisses erhält und die ihm in zwei Veranlagungszeiträumen zufließen, sind keine dem begünstigten Steuersatz unterliegenden außerordentlichen Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 EStG.

2. Es kommt in einem solchen Fall nicht darauf an, ob diese laufenden Bezüge und die weiteren Einkünfte des Arbeitnehmers zu einem höheren Jahreseinkommen führen als das, welches der Arbeitnehmer bezogen hätte, wenn das Dienstverhält- nis fortgeführt worden wäre.

 

Normenkette

EStG 1974 § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war aufgrund eines bis zum 20. Februar 1976 befristeten Dienstvertrages bei einer GmbH tätig. Dieses Dienstverhältnis wurde am 29. Oktober 1973 aus in der Person des Klägers liegenden Gründen fristlos gekündigt. Durch Vertrag zwischen der GmbH und dem Kläger vom 3. Oktober 1973 einigten sich die Parteien dahin, daß das Dienstverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. Oktober 1973 aufgelöst wird. Die Gesellschaft verpflichtete sich, dem Kläger bis zum Antritt einer neuen Stellung sein bisheriges Gehalt mit allen gesetzlich vorgeschriebenen sozialen Nebenleistungen fortzuzahlen. Im Streitjahr 1974 flossen dem Kläger deshalb noch für die Monate Januar bis Juni sechs Monatsgehälter mit zusammen 30540 DM zu. Daneben erzielte er aus anderer nichtselbständiger Tätigkeit Einkünfte von 7 994 DM und als Rechtsanwalt Einkünfte von 15 192 DM.

Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 1974, den Betrag von 30 540 DM nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes 1974 (EStG 1974) steuerfrei zu lassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf ihn jedoch im Einkommensteuerbescheid 1974 dem normalen Steuersatz. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus:

Es könne dem vom Kläger nunmehr gestellten Antrag, den Betrag von 30 540 DM dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG zu unterwerfen, nicht stattgeben, weil keine außerordentlichen Einkünfte i. S. dieser Vorschrift vorlägen. Es müsse sich bei solchen Einkünften um eine Zusammenballung von Einnahmen handeln, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, weil andernfalls kein sachlicher Grund vorläge, die tarifliche Spitzenbelastung zu mindern. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Denn der Kläger habe nicht mehr erhalten, als ihm auch bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden wäre. Es käme nicht darauf an, daß der Kläger im Streitjahr 1974 noch zusätzlich Einkünfte erzielt habe.

Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Er rügt sinngemäß unzutreffende Anwendung des § 34 EStG. Er macht im einzelnen geltend:

Er habe weniger erhalten, als ihm sonst zugestanden hätte. Er hätte vor Abschluß des Vergleichs Gehaltszahlungen für fast 28 Monate im Gesamtbetrag von 142 550 DM beanspruchen können. Nach Abschluß des Vergleichs hätten ihm nur noch Forderungen von insgesamt 40 720 DM zugestanden. Die Zahlungen im Streitjahr 1974 umfaßten auch Einnahmen, die bei normalem Ablauf des Arbeitsverhältnisses erst in den Jahren 1975 und 1976 angefallen wären. Es stehe der Anwendung des § 34 EStG nicht entgegen, daß sich der Zufluß auf einen Zeitraum von zwei Jahren verteilt habe. Denn die Rechtsprechung habe bisher nicht ausnahmslos eine einmalige Zahlung verlangt.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1974 dahin abzuändern, daß der Betrag von 30 540 DM dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG unterworfen wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die dem Kläger in den Monaten Januar bis Juni 1974 zugeflossenen Gehälter zu Recht nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 1974 unterworfen.

Außerordentliche Einkünfte können nach § 34 Abs. 1 EStG 1974 mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert werden. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1974 auch Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 1974 in Betracht, die als Ersatz für entgehende oder entgangene Einnahmen gezahlt werden.

Es kann im Streifall dahingestellt bleiben, ob der streitbefangene Betrag von 30 540 DM im Hinblick auf die vorangegangene fristlose Kündigung der GmbH als eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 1974 anzusehen ist. Die Revision ist jedenfalls schon deshalb unbegründet, weil das FG die über den Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses zum 31. Oktober 1973 hinaus dem Kläger gezahlten Gehälter zu Recht nicht als außerordentliche Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 1 EStG 1974 gewertet hat.

Das FG ist zutreffend von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z. B. Urteil vom 12. März 1975 I R 180/73, BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485) ausgegangen, nach der nicht alle unter § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG fallenden Entschädigungen außerordentliche Einkünfte i. S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG sind. Es muß sich vielmehr um eine Zusammenballung von Einnahmen handeln, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, da andernfalls ein sachlicher Grund für die von der Vorschrift bezweckte Milderung der tariflichen Spitzenbelastung nicht erkennbar ist. Die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen muß deshalb grundsätzlich in einem Betrag gezahlt werden (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1959 IV 223/58 S, BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72). Ausnahmsweise kann sie, wenn sie als einmaliger Zahlungsvorgang gedacht war, auch in zwei Raten in zwei verschiedenen Kalenderjahren geleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1957 VI 87/55 U, BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104).

Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob außerordentliche Einkünfte auch dann gegeben sind, wenn als Entschädigung geleistete laufende Bezüge nur in einem Veranlagungszeitraum anfallen. Laufende Bezüge, die in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, fallen jedenfalls nicht unter den Begriff der außerordentlichen Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 1 EStG (vgl. auch den Hinweis im BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205).

Das FG hat daher im Streifall außerordentliche Einkünfte zu Recht deshalb verneint, weil der Kläger Gehaltsbezüge über den Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses hinaus in zwei Veranlagungszeiträumen, nämlich für die Monate November 1973 bis einschließlich Juni 1974, erhalten hat. Da es mithin an einer Zusammenballung von Einnahmen im vorgenannten Sinne fehlt, kommt es entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf an, ob mit dieser auf acht Monate begrenzten Gehaltsfortzahlung Ansprüche des Klägers aus dem bis zum 20. Februar 1976 befristeten Dienstverhältnis, also Lohnansprüche noch für 28 Monate, abgegolten werden sollten.

Wie das FG ferner zu Recht hervorgehoben hat, ist es für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung, daß der Kläger im Jahr 1974 noch zusätzliche Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit erzielt hat. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob er deshalb zusammen mit den fortgezahlten Gehältern für die Monate Januar bis Juni 1974 ein höheres Einkommen in 1974 hatte, als wenn das Dienstverhältnis fortbestanden hätte. Denn dies würde ebenfalls nicht zu einer Besteuerung dieser Gehälter nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG 1974 führen. Die Steuerpflichtigen hätten es sonst in der Hand, diese Vergünstigung in mehreren Veranlagungszeiträumen in Anspruch zu nehmen. Sie brauchten nur durch Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber die ausgehandelten Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG 1974 auf so viele Monatsbeträge aufzuteilen, daß letztere die Höhe der bisherigen Bezüge gerade noch übersteigen. Solche Manipulationsmöglichkeiten lassen sich mit dem Wesen des § 34 Abs. 1 EStG 1974 als einer nur für Ausnahmefälle geschaffenen Tarifvorschrift nicht vereinbaren.

Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf die Urteile des Reichsfinanzhofs vom 10. November 1938 IV 168/38 (RStBI 1939, 170) und des BFH in BFHE 70, 195, BStBl II 1960, 72, nach denen die Vergünstigung des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dann ausnahmsweise zu gewähren ist, wenn die Besteuerung einer in einem Betrag geleisteten Entschädigung, die an Stelle entgehender oder entgangener Einnahmen nur eines Jahres getreten ist, sich für den Steuerpflichtigen ungünstig auswirkt, weil die Entschädigung im Jahr der Zahlung oder ihres buchmäßigen Zufließens mit erheblichen anderen Einkünften des Steuerpflichtigen zusammentrifft. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall schon deshalb nicht gegeben, weil die fortgezahlten Gehälter entgehende Einnahmen von 28 Monaten abgelten sollten und weil sie in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen, nämlich in den Jahren 1973 und 1974, dem Kläger zugeflossen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413497

BStBl II 1981, 214

BFHE 1981, 60

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge