Entscheidungsstichwort (Thema)

Entnahme eines zum Gesamthandsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft gehörenden Grundstücks durch Nutzung für eigene Wohnzwecke der Gesellschafter

 

Leitsatz (NV)

Ein Grundstück, das zum Gesamthandsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft gehört und bei teilweise betrieblicher Nutzung ganz als Betriebsvermögen der Gesellschaft behandelt wurde, wird aus dem Betriebsvermögen entnommen, wenn es dauerhaft in vollem Umfang eigenen Wohnzwecken eines, mehrerer oder aller Gesellschafter zugeführt wird.

 

Normenkette

EStG §§ 4, 15, 21

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, aus der ihre Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, ist im Jahre 1950 als OHG gegründet worden. Gesellschafter waren Frau H und Frau B mit Anteilen von je 1/2. Bei der Gründung brachte H ihren bisher als Einzelunternehmen betriebenen Gewerbebetrieb und B das Grundstück X in das Gesamthandsvermögen der OHG ein. Das Grundstück wurde seitdem in vollem Umfang in der Handels- und Steuerbilanz der Klägerin ausgewiesen. Das Grundstück wurde zunächst teilweise (überwiegend) zu Wohnzwecken der Gesellschafterin B, teilweise zu eigenbetrieblichen Zwecken der Gesellschaft genutzt. Seit dem Jahre 1959 wird das Grundstück nur noch für Wohnzwecke der B und ihrer Familie genutzt. Sämtliche Grundstücksaufwendungen wurden als Betriebsausgaben abgezogen. Der Mietwert der Wohnung wurde jeweils als Entnahme erfaßt und der B zugerechnet.

Im Jahre 1980 veräußerte die Klägerin, die inzwischen unter Wahrung ihrer Identität in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden war, das Grundstück mit aufstehendem Gebäude gegen einen Kaufpreis von ... DM an B. In einer Vorbemerkung zum notariellen Kaufvertrag heißt es dazu unter Hinweis auf Abschn. 14 Abs. 8 der Einkommensteuer- Richtlinien (EStR) 1978, bei der steuerlichen Betriebsprüfung im Jahre 1979 sei festgestellt worden, daß das Wohngrundstück nicht in der Steuerbilanz sein könne, weil es ausschließlich Wohnraum der Gesellschafter enthalte. Deshalb sei das Grundstück zum 1. Januar 1980 zum Buchwert aus der Steuerbilanz ausgebucht worden. Um Abweichungen zwischen Steuer- und Handelsbilanz zu vermeiden, solle das Grundstück auch zivilrechtlich aus dem Gesellschaftsvermögen entnommen werden. Auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises und des Buchwerts ergab sich aus dem Verkauf ein Gewinn von ... DM. Diesen Gewinn bezog die Klägerin bei der Feststellungserklärung für das Streitjahr (1980) nicht in den Gewinn aus Gewerbebetrieb ein. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) zunächst in dem unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Feststellungsbescheid vom 7. Januar 1982.

Nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin vertrat das FA die Auffassung, das Grundstück sei im Zeitpunkt der Veräußerung noch Betriebsvermögen der Klägerin gewesen. Unter Berücksichtigung des Teilwerts des Grundstücks setzte das FA den Veräußerungsgewinn in dem geänderten Feststellungsbescheid vom 6. März 1987 schließlich mit ... DM an. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage dagegen als unbegründet ab.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung sowie zur Feststellung des Gewinns auf den Betrag, der sich ergibt, wenn die Veräußerung des Grundstücks X nicht als betrieblicher Vorgang behandelt wird (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

I. 1. Überläßt eine Personengesellschaft ein zu ihrem Gesamthandsvermögen i. S. des § 718 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gehörendes Wohnhaus einem Gesellschafter für private Wohnzwecke, so lag darin nach früherer steuerrechtlicher Beurteilung, wie sie insbesondere in dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. November 1960 I 117/60 S (BFHE 72, 500, BStBl III 1961, 183) zum Ausdruck gekommen ist, nicht ohne weiteres eine Entnahme des Wohnhauses. Es wurde für zulässig gehalten, das Wohnhaus weiterhin als steuerliches Betriebsvermögen zu bilanzieren und lediglich die Nutzung als entnommen anzusehen. Bei dieser rechtlichen Beurteilung war es zulässig, wie im Streitfall geschehen, das Grundstück nach seiner Einbringung in das Gesamthandsvermögen der OHG in vollem Umfang als Betriebsvermögen zu behandeln, die Grundstücksaufwendungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) abzuziehen und den Mietwert der Wohnung (§ 21 Abs. 2, 3 EStG) als Ertrag anzusetzen und dem nutzenden Gesellschafter zuzurechnen. An dieser Handhabung konnte nach dem Urteil in BFHE 72, 500, BStBl III 1961, 183 auch festgehalten werden, als die Wohnnutzung durch B im Jahre 1959 auf das gesamte Haus ausgedehnt wurde und jegliche betriebliche Nutzung entfiel. Hätte es hiermit sein Bewenden, müßte in der Tat der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks im Streitjahr als Teil des Gewinns aus Gewerbebetrieb erfaßt werden.

2. In der Folgezeit hat sich die rechtliche Beurteilung der Überlassung eines zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehörenden Wohnhauses an einen, mehrere oder alle Gesellschafter zu eigenen Wohnzwecken jedoch geändert, jedenfalls für die Fälle, in denen das Haus nicht gegen Zahlung eines fremdüblichen Mietzinses vermietet wurde. Es wurde als Rechtsgrundsatz erkannt, daß mit Rücksicht auf die besondere Funktion des steuerlichen Begriffs des Betriebsvermögens (§ 4 Abs. 1 EStG) auch Wirtschaftsgüter, die zum Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen und bilanzierenden Personengesellschaft gehören, dann nicht Betriebsvermögen der Personengesellschaft sein können, wenn sie ausschließlich oder fast ausschließlich privaten Zwecken der Gesellschafter zu dienen bestimmt sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. Juni 1973 I R 194/71, BFHE 109, 519, BStBl II 1973, 705). Die Finanzverwaltung ist dem in Abschn. 14 Abs. 8 EStR 1978 gefolgt und hat ausgeführt, deshalb sei z. B. ein zum Gesamthandsvermögen gehörendes Einfamilienhaus, das von einem Gesellschafter zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde, steuerlich nicht Betriebsvermögen der Personengesellschaft. Der BFH ist von dieser rechtlichen Wertung auch in der Folgezeit ausgegangen. So hat der BFH in dem Urteil vom 30. Juni 1987 VIII R 353/82 (BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418) entschieden, daß die Bebauung eines zum Gesamthandsvermögen gehörenden Grundstücks mit einem Gebäude, das auf Dauer eigenen Wohnzwecken eines, mehrerer oder aller Gesellschafter dienen soll, zur Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen führt, wenn alle Gesellschafter ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (Einverständnis mit der Bebauung) der Entnahme zustimmen, es sei denn, für die Entnahme ist im Gesellschaftsvertrag eine andere Stimmenmehrheit vorgesehen. Entscheidend ist, daß damit die Beziehung des Grund und Bodens zum Betrieb der Personengesellschaft und Mitunternehmerschaft aufgehoben wird. Das hat zur Folge, daß das auf dem Grundstück errichtete Gebäude von vornherein Privatvermögen der Personengesellschaft ist und daß das Grundstück durch die Bebauung aus dem Betriebs- in das Privatvermögen überführt und damit entnommen wird. Letzteres ergibt sich daraus, daß die Zugehörigkeit des Grund und Bodens und des aufstehenden Gebäudes nur einheitlich beurteilt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1986 VIII R 301/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 261, m. w. N.). Wenn aber die Bebauung eines Betriebsgrundstücks mit einem auf Dauer für Wohnzwecke des Unternehmers oder eines Mitunternehmers des Betriebs bestimmten Wohnhauses zur Entnahme des Grund und Bodens führt, dann muß es zur Entnahme auch kommen, wenn ein bisher ganz oder teilweise betrieblich genutztes und deshalb als Betriebsvermögen behandeltes Haus auf Dauer ganz eigenen Wohnzwecken eines Gesellschafters zugeführt wird. Denn auch in diesem Falle wird der betriebliche Bezug der bisher zu Recht als Betriebsvermögen behandelten Wirtschaftsgüter ganz aufgehoben. Gegenstand der Entnahme sind dann sowohl der Grund und Boden als auch das aufstehende Haus. Wie sich den Feststellungen des FG entnehmen läßt, waren im Streitfall alle Gesellschafter mit der Wohnnutzung durch Frau B und ihre Familie einverstanden und war diese Wohnnutzung auch auf Dauer angelegt. Aus dieser rechtlichen Sicht, die von der des Urteils in BFHE 72, 500, BStBl III 1961, 183 abweicht, wurde das Grundstück somit spätestens im Jahre 1959 aus dem Betriebsvermögen entnommen und ist steuerlich zu Privatvermögen der Klägerin geworden.

3. Damit steht gleichzeitig fest, daß der Ausweis des Grundstücks in der Steuerbilanz spätestens ab 1959 unrichtig war. Ein zunächst richtiger Bilanzansatz wird fehlerhaft, wenn sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Weise ändert, daß der Bilanzansatz nunmehr als fehlerhaft erscheint. Der Bilanzierungsfehler ist dann in der ersten Bilanz zu berichtigen, der noch keine bestandskräftige und nicht mehr änderbare Veranlagung oder Gewinnfeststellung zugrunde liegt (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1992 IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl II 1993, 392). Dem hat die Klägerin in der Weise Rechnung getragen, daß sie nach Erkennen ihres Bilanzierungsfehlers das Grundstück (Grund und Boden und aufstehendes Gebäude) zum Buchwert ausgebucht und die Veräußerung nicht als betrieblichen Vorgang behandelt hat. Eine Nachholung der Entnahme, zu der es möglicherweise durch die Nutzungsänderung 1959 gekommen war, im Streitjahr kommt nicht in Betracht. Denn eine in einem früheren Veranlagungszeitraum erfolgte, aber nicht steuerlich erfaßte Entnahme kann nicht in einem späteren Veranlagungszeitraum nachträglich erfolgswirksam erfaßt werden (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1976 IV R 222/72, BFHE 120, 369, BStBl II 1977, 148).

4. Das FA hat sich für seine Auffassung, das Grundstück sei auch noch im Veräußerungszeitpunkt Betriebsvermögen gewesen, auch auf die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG berufen. Die Abgrenzung des notwendigen Privatvermögens vom Betriebsvermögen gilt aber, wie dargelegt, auch für Personengesellschaften. Durch die Regelung in § 15 Abs. 3 EStG wird diese Abgrenzung nicht berührt. Der VIII. Senat hat hierauf für den Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bereits im Urteil in BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418 hingewiesen. Für den Fall einer gewerblich geprägten Gesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gilt nichts anderes.

II. Danach war der Revision der Klägerin stattzugeben und das Urteil des FG aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA und Abänderung des geänderten Feststellungsbescheides vom 6. März 1987 wird der Gewinn auf den Betrag festgestellt, der sich bei Behandlung der Grundstücksveräußerung als privater Vorgang ergibt. Die Gewinnberechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65448

BFH/NV 1996, 460

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