Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Gehörte die Beteiligung an einer Personengesellschaft im Jahr 1955 zum Betriebsvermögen eines Gesellschafters, der seinen Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelte, so war der durch die einheitliche Gewinnfeststellung der Personengesellschaft für das Kalenderjahr festgestellte Beteiligungsgewinn nicht als laufender Gewinn des Wirtschaftsjahrs des Gesellschafters anzusehen, sondern den nach der Aufteilung der Gewinne ermittelten Einkünften des Gesellschafters zuzurechnen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 6; AO § 215 Abs. 2, § 218 Abs. 2

 

Tatbestand

In sachlicher Hinsicht ist unter anderem in dem die Körperschaftsteuer 1955 betreffenden Rechtsbeschwerdeverfahren der GmbH streitig, ob der Gewinnanteil der GmbH aus einer Beteiligung an einer OHG dem Gewinn des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs der GmbH zuzurechnen und deshalb nach § 5 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1953 (KStG), § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1953 (EStG) auf zwei Veranlagungszeiträume aufzuteilen war.

Zum Betriebsvermögen der GmbH gehörte die Beteiligung an einer OHG, deren Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmte. Die GmbH behandelte den in der Bilanz der OHG vom 31. Dezember festgestellten Gewinn als laufenden Ertrag ihres vom 1. April bis 31. März laufenden Wirtschaftsjahrs und teilte den Gewinn ihres Wirtschaftsjahrs einschließlich des Beteiligungsertrages zur Ermittlung der auf die Veranlagungszeiträume entfallenden Einkünfte nach dem Verhältnis der Umsätze auf (§ 5 Abs. 2 KStG, § 2 Abs. 6 EStG). Bei der Berichtigung der Körperschaftsteuerveranlagung 1955 berücksichtigte das Finanzamt bei der umsatzanteiligen Aufteilung der Gewinne der Wirtschaftsjahre 1954/1955 und 1955/1956 nicht die sich aus den einheitlichen Feststellungen der OHG ergebenden Einkünfte der Kalenderjahre 1954 und 1955. Diese Einkünfte rechnete es vielmehr erst den für die Veranlagungszeiträume ermittelten Einkünften der GmbH hinzu.

Die GmbH vertrat die Auffassung, daß der Beteiligungsertrag der OHG wie jeder andere Ertrag den Gewinn des laufenden Wirtschaftsjahrs erhöhe und deshalb von der umsatzanteiligen Aufteilung nicht ausgeschlossen werden dürfe. Das Finanzgericht hielt das Verfahren des Finanzamts für zutreffend.

Der Bundesminister der Finanzen trat wegen der Behandlung des Beteiligungsgewinns dem Verfahren bei und führte im wesentlichen folgendes aus:

"Sowohl die Einkommensteuer als auch die Körperschaftsteuer bemessen sich grundsätzlich nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb des Kalenderjahres bezogen hat (§ 2 Abs. 1 EStG, § 5 Abs. 1 KStG). Hieran hat sich seit dem EStG 1934 nichts geändert. Die Behandlung der Steuerpflichtigen dagegen, die zulässigerweise ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, wechselte im Laufe der Zeit. § 2 Abs. 5 EStG 1934 fingierte den Gewinn des jeweiligen Wirtschaftsjahrs als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endete. Diese Regelung galt bis zur Währungsumstellung. Nach der Währungsreform waren die Gewinne der abweichenden Wirtschaftsjahre zeitanteilig oder umsatzanteilig auf die Veranlagungszeiträume aufzuteilen, in denen das jeweilige Wirtschaftsjahr begann und endete. Inzwischen wurde die vor der Währungsumstellung geltende Regelung wieder eingeführt (§ 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 und § 5 Abs. 2 KStG 1957). Die Anwendung der die Steuerpflichtigen mit abweichendem Wirtschaftsjahr betreffenden Vorschriften macht in der Regel keine Schwierigkeiten. Zweifel tauchen jedoch auf, wenn Beteiligungen an einer Personengesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören und die Wirtschaftsjahre der Personengesellschaft und des die Beteiligung führenden Betriebes voneinander abweichen. Die Rechtsprechung des RFH gipfelte in dem Urteil IA 216/37 vom 31. August 1937, RStBl 1937 S. 1272, mit dem Leitsatz, daß der Anteil einer buchführungspflichtigen Kapitalgesellschaft an dem Gewinn einer Kommanditgesellschaft steuerlich zu dem Einkommen desjenigen Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft gehöre, das sich mit dem Wirtschaftsjahr der Kommanditgesellschaft decke oder in dem dieses Wirtschaftsjahr ende. Endete das Wirtschaftsjahr des Betriebes, zu dessen Betriebsvermögen die Beteiligung an einer Personengesellschaft gehörte, früher als das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft, so konnten nach der auch für das EStG 1934 und das KStG 1934 geltenden Auffassung des RFH auf den Gewinnanteil an der Personengesellschaft weder § 2 Abs. 5 EStG 1955 noch § 5 Abs. 2 KStG 1955 unmittelbar angewendet werden; denn deren Anwendung würde bedeutet haben, daß der Beteiligungsgewinn als in dem Kalenderjahr bezogen anzusehen gewesen wäre, in dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endete, und zwar auch dann, wenn das Wirtschaftsjahr des die Beteiligung haltenden Betriebes früher als das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endete. Dieses Ergebnis aber hätte dem Urteil des RFH I A 216/37 widersprochen. Mit dieser Rechtsprechung stimmt im vorliegenden Fall die Auffassung der GmbH, nicht jedoch die Verwaltungsauffassung überein. Die Verwaltungsauffassung geht für die Zeit von der Währungsreform bis 1956 dahin, daß die Gewinne aus Beteiligungen an Personengesellschaften auch dann, wenn die Beteiligung zu einem Betriebsvermögen gehört, zeitanteilig oder umsatzanteilig auf die Veranlagungszeiträume aufzuteilen sind, in denen das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft beginnt und endet. Ich halte diese Auffassung für richtig und daher eine überprüfung der vom RFH vertretenen Auffassung für notwendig.

Zur Begründung dieses Standpunktes darf ich folgendes ausführen: Ist jemand an einer Personengesellschaft beteiligt, so wird er einkommensteuerrechtlich so behandelt, als unterhalte er einen Gewerbebetrieb durch die Gesellschaft. Bestünde die selbständige Steuerpflicht der Personengesellschaft, so wären auf das jährlich festgestellte Betriebsergebnis die Vorschriften des § 2 Absätze 5 und 6 des EStG anzuwenden. Da nun einkommensteuerrechtlich an Stelle der Personengesellschaft die Gesellschafter steuerpflichtig sind, muß das gleiche hinsichtlich des Ergebnisses ihres Betriebes gelten, den sie, hierbei gesamthänderisch gebunden, unterhalten. Dieses Ergebnis ist niemals in Frage gestellt worden, wenn die Beteiligung an einer Personengesellschaft zu einem Privatvermögen gehört. Es besteht kein Anlaß, hieran etwas zu ändern, wenn die Beteiligung zu einem Betriebsvermögen gehört. Es mag sein, daß der Beteiligungsgewinn nach handelsrechtlichen Grundsätzen bei dem Betrieb, zu dem die Beteiligung gehört, erst mit Abschluß des Wirtschaftsjahres der Personengesellschaft oder gar noch später anfällt. Steuerrechtlich liegen die Dinge jedoch deshalb anders, weil nur die Gesellschafter einkommensteuerpflichtig sind. Daraus folgt, daß der Inhaber des die Beteiligung haltenden Betriebes einkommensteuerrechtlich zwei unterscheidbare Teilbetriebe führt, den durch die Beteiligung an der Personengesellschaft verkörperten Teilbetrieb und den Teilbetrieb, zu dem die Beteiligung gehört. Welchem Kalenderjahr die Gewinne dieser beiden Teilbetriebe, die voneinander abweichende Wirtschaftsjahre haben können, zuzurechnen sind, ergibt sich dann durch unmittelbare Anwendung des § 2 Absätze 5 und 6 EStG auf die Gewinne der Wirtschaftsjahre.

Bei dieser Auslegung des 2 Abs. 5 und 6 EStG wird soweit irgend möglich an dem Grundsatz festgehalten, daß das innerhalb eines Kalenderjahres bezogene Einkommen der Steuer unterliegt. Die Abweichungen halten sich in den unumgänglichen Grenzen. Das trifft bei dieser Auslegung vornehmlich für die Zeit von der Währungsreform bis 1956 zu, da in diesem Zeitraum eine in etwa zeitgerechte Aufteilung der Gewinne auf die Kalenderjahre erreicht wird, wenn der Verwaltungsauffassung gefolgt wird. Für die Zeit ab 1957 hält sich bei meiner Auslegung die auf Grund des § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 eintretende Vergünstigung in engen Grenzen. Würde man der Auslegung des RFH folgen, so könnten durch mehrfache Verschachtelungen von Personengesellschaften und kluge Wahl des jeweiligen Abschlußzeitpunktes langfristige Steueraufschübe erreicht werden.

Vom Feststellungsfinanzamt einheitlich und gesondert festgestellt wird der Gewinn, der bei der jeweils für ein Kalenderjahr vorzunehmenden Veranlagung zur Einkommensteuer zu berücksichtigen ist. Bereits das Feststellungsfinanzamt entscheidet darüber, welchem Kalenderjahr der jeweilige Gewinn zuzuordnen ist. Das folgt aus § 215 Abs. 2 AO, der bestimmt, daß die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt werden, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt sind. Als solche sind die der Veranlagung zur Einkommensteuer jeweils zugrunde zu legenden Einkünfte anzusehen. Die Entscheidung, in welchem Veranlagungszeitraum die Einkünfte steuerlich zu erfassen sind, trifft danach das Feststellungsfinanzamt. Dieses Finanzamt ist auch sachlich hierzu allein in der Lage. Bei ihm befinden sich die Unterlagen, aus denen die für die Zuordnung der Einkünfte nach § 2 Abs. 6 EStG bedeutsamen Merkmale entnommen werden können. Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, daß § 215 Abs. 2 AO die Frage offenläßt, ob der dem Veranlagungszeitraum zuzuordnende Gewinn oder der Gewinn des jeweiligen Wirtschaftsjahres einheitlich und gesondert festgestellt wird, sprechen die von mir angeführten sachlichen Gesichtspunkte dafür, dem Feststellungsfinanzamt die Entscheidung nach § 2 Abs. 6 EStG zu übertragen. Allein diese Auslegung des § 215 Abs. 2 AO ist sachgerecht".

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der GmbH ist in diesem Punkt unbegründet.

Der Senat hat sich hier mit der Behandlung eines Beteiligungsgewinns für Zeiträume zu befassen, in denen bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren eine umsatz- oder zeitanteilige Aufteilung der Gewinne vorgeschrieben war. Für diese Zeiträume folgt der Senat der Auffassung des Finanzgerichts und des Bundesministers der Finanzen, ohne zu der Frage Stellung zu nehmen, ob er die vom Bundesminister der Finanzen dargestellte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. auch Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1163/32 vom 25. April 1933, RStBl 1933 S. 955, Slg. Bd. 33 S. 234, und I A 131/33 vom 15. Januar 1935, RStBl 1935 S. 700) für die Zeit ab 1957 aufgibt und der Auffassung des Bundesministers der Finanzen folgt, daß bei der Personengesellschaft die einheitliche Gewinnfeststellung für die auf den Veranlagungszeitraum entfallenden Einkünfte mit einer auch hinsichtlich des Zurechnungszeitraums bindenden Wirkung für die die Beteiligung haltende Gesellschaft durchgeführt wird. Die bezeichnete Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs erging für Zeiträume, für die hinsichtlich der Behandlung der Gewinne vom Kalenderjahr abweichender Wirtschaftsjahre im wesentlichen der seit 1957 wieder eingeführte Rechtszustand (Fiktion des Bezugs des Gewinns des Wirtschaftsjahrs im Kalenderjahr) galt, während im vorliegenden Fall die Gewinne abweichender Wirtschaftsjahre grundsätzlich umsatzanteilig auf die Kalenderjahre zu verteilen waren. Aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs können deshalb keine zwingenden Schlußfolgerungen für die Entscheidung des vorliegenden Falls gezogen werden.

Der Senat stimmt dem Bundesminister der Finanzen jedenfalls darin zu, daß die umsatzanteilige Aufteilung der von der Personengesellschaft erzielten Gewinne der Wirtschaftsjahre im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung zu einer zeitgerechteren Erfassung der Gewinne führt, wenn man der einheitlichen Gewinnfeststellung auch bindende Wirkung für den Zurechnungszeitraum bei der GmbH (Kalenderjahr, Veranlagungszeitraum) zuerkennt. Es wäre mit dem Sinn und Zweck der umsatzanteiligen Aufteilung der Wirtschaftsjahre (zeitgerechte, zeitnahe und in etwa betrieblich zutreffende Erfassung) nicht vereinbar, die von der Personengesellschaft erzielten Gewinne der Wirtschaftsjahre dadurch nach den von der GmbH erzielten, mit den Gewinnen der Personengesellschaft nicht in Zusammenhang stehenden Umsätzen auf die Kalenderjahre zu verteilen, daß der Gewinn der Personengesellschaft als laufende Einnahme des Wirtschaftsjahrs der GmbH behandelt wird, in dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410563

BStBl III 1962, 511

BFHE 1963, 668

BFHE 75, 668

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