Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die im Urteil des Bundesfinanzhofs I 15/57 U vom 28. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 115, Slg. Bd. 66 S. 297) über die Steuerfreiheit von Zinsen gemäß § 3 a Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1953 ausgesprochenen Grundsätze finden keine Anwendung auf Stockzinsen umgestellter RM-Pfandbriefe, welche die Hypothekenbank zum Zweck der Einziehung erworben hat.

 

Normenkette

EStG § 3a/1/3

 

Tatbestand

In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist noch streitig, ob bei der Bfin. ein gemäß § 3 a Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 steuerfreier Betrag anerkannt werden kann für aufgestockte Zinsen, die durch Einlösung zurückgekaufter eigener Schuldverschreibungen fällig geworden sind.

Die Bfin. ist eine private Hypothekenbank. Sie hatte Stücke eigener RM-Emissionen teils vor, teils nach dem Umtausch in DM- Emissionen zurückgekauft, und zwar, wie sie angibt, zum Zwecke der Kurspflege. Zu diesen Umtauschemissionen waren sogenannte Sammelzinsscheine für aufgestockte Zinsen ausgegeben worden. Hierbei handelt es sich um vor dem Währungsstichtag auf RM- Emissionen entfallende Zinsen, die gemäß § 2 der Siebenundzwanzigsten Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz (27. UGDV) im Verhältnis 10:1 umgestellt und erst zusammen mit den Kapitalverbindlichkeiten aus den Schuldverschreibungen, spätestens aber zum 31. Dezember 1960 fällig gestellt worden waren. Von den eigenen Umtauschemissionen, die die Bfin. angekauft hatte, zog sie einen Teil im Streitjahr ein, um - wie sie angibt - den hohen Betrag an angekauften eigenen Schuldverschreibungen durch Tilgung zu vermindern. Mit dem Hinweis darauf, daß durch die Einziehung und die damit verbundene Fälligkeit der Kapitalverbindlichkeiten auch die aufgestockten Zinsen fällig geworden und ihr zugeflossen seien, begehrt die Bfin. unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats I 15/57 U vom 28. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 115, Slg. Bd. 66 S. 297) die Anerkennung eines gemäß § 3 a Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 steuerfreien Betrages in Höhe dieser Zinsen.

Das Finanzgericht lehnte es ab, diesen Zinsbetrag steuerfrei zu lassen. Der Streitfall unterscheide sich von dem durch das Urteil I 15/57 U entschiedenen Fall dadurch, daß es sich hier nicht um normal fällig gewordene laufende Zinsen, sondern um aufgestockte Zinsen handle, deren Fälligkeit erst durch einen besonderen Akt der Bfin. selbst, nämlich durch die Einziehung der Wertpapiere, herbeigeführt worden sei. Die Steuerbefreiung könne nicht auf Zinsen ausgedehnt werden, die an sich nicht fällig gewesen seien und deren Fälligkeit nur auf Grund der Einziehung eingetreten sei.

Mit der Rb. wird im wesentlichen geltend gemacht: Die vom Finanzgericht herausgestellten sachverhaltsmäßigen Unterschiede gegenüber dem durch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 15/57 U entschiedenen Fall berechtigten nicht dazu, im Streitfalle die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 a Abs. 1 Ziff. 3 EStG nicht anzuwenden. Eine Gleichstellung der eingezogenen Pfandbriefe mit den sogenannten "nassen" Stücken sei abwegig, da diese jederzeit in den Verkehr gebracht werden könnten und auch hierzu bestimmt seien, während jene gerade umgekehrt aus dem Verkehr gezogen werden sollten und überhaupt keine Wertpapiere mehr seien. Es könne also daraus, daß bei "nassen" Stücken der Zufluß steuerfreier Zinsen ausgeschlossen sei, nicht gefolgert werden, daß dies bei eingezogenen Pfandbriefen ebenso sei. Entscheidend sei, daß die Bfin. die eingezogenen Papiere zur Kurspflege erworben habe und daß sie daher als ihr eigener Gläubiger nicht anders behandelt werden dürfe als ein fremder Gläubiger. Auf die beabsichtigte oder tatsächliche Wiederveräußerung der angekauften eigenen Pfandbriefe komme es nicht an. Die Einziehung der eigenen Stücke sei unter Umständen der idealste Fall der Kurspflege. Wenn das Urteil I 15/57 U von einem vorübergehenden Erwerb von eigenen Pfandbriefen durch den Aussteller spreche, so sei damit lediglich zum Ausdruck gebracht worden, daß der Bundesfinanzhof den Ankauf eigener Stücke zum Zwecke einer Daueranlage nicht als Stützungskauf habe anerkennen wollen.

Auch die Besonderheit im Streitfalle, daß es sich um aufgestockte Zinsen handle, die erst durch die Einziehung der Pfandbriefe fällig geworden seien, rechtfertige keine gegenüber der Entscheidung I 15/57 U abweichende Beurteilung. Es spiele bei der Anwendung des § 3 a EStG keine Rolle, wodurch die Fälligkeit der Zinsen herbeigeführt werde. Wenn gemäß § 2 der 27. UGDV die Zinsen zusammen mit dem Kapital fällig gestellt seien und durch die Einziehung der Pfandbriefe das Kapital fällig werde, so erfolge, wenn Schuldner und Gläubiger dieselbe Person seien, im Zeitpunkt der Fälligkeit eine Verrechnung von Forderungen und Schuld sowohl hinsichtlich des Kapitals als auch hinsichtlich der Zinsen. Wenn auch im Streitfalle die Bfin. als Inhaberin der eigenen Schuldverschreibungen den Zeitpunkt der Einziehung habe bestimmen können, so sei die Einziehung jedoch keineswegs etwa deshalb erfolgt, um vorzeitig in den Genuß der steuerfreien Zinsen zu gelangen. Hierwegen könne die Steuerfreiheit nicht verweigert, sondern allenfalls ein Zinsabschlag vorgenommen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Streit geht um die Steuerbefreiung für Zinsen aus Hypothekenpfandbriefen, die vor dem 1. April 1952 ausgegeben worden waren. Daß es sich bei den hier in Frage stehenden sogenannten aufgestockten Zinsen um solche handelt, die objektiv unter § 3 a Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 fallen, wird von keiner Seite in Zweifel gezogen. Die Berücksichtigung gemäß dieser Bestimmung steuerfreier Zinsen entfällt jedoch - auch wenn man im übrigen der Auffassung der Bfin. folgen würde - zum Teil schon deshalb, weil es sich im Streitfall nicht um Zinsen handelt, die in der Zeit, in der die Bfin. Inhaberin der entsprechenden Pfandbriefe war, entstanden sind. Der Zinsanspruch auf die sogenannten aufgestockten Zinsen war vielmehr im Zeitpunkt des Erwerbs der eigenen Pfandbriefe durch die Bfin. bereits entstanden. Die Vergünstigungsvorschrift des § 3 a EStG kann aber nur zum Zuge kommen, insoweit durch den - hier einmal unterstellten - Zinszufluß sich der Gewinn der Bfin. erhöht hat. Das ist jedoch zum Teil nicht der Fall. Mit den eigenen Pfandbriefen wurden auch die Sammelzinsscheine für die aufgestockten, d. h. bereits entstandenen, nur noch nicht fällig gewordenen Zinsen aus der Zeit vor der Währungsumstellung erworben. Im Anschaffungspreis für die Wertpapiere ist somit der - unter Umständen durch Schätzung zu ermittelnde - Anschaffungspreis für die in den Sammelzinsscheinen verbrieften Zinsansprüche enthalten. Soweit aber dieser im aktivierten Anschaffungspreis der Pfandbriefe enthaltene Wert einschließlich etwaiger Verwaltungskosten der passivierten Zinsverpflichtung gegenübersteht, ist, selbst wenn man mit der Einlösung der Papiere Zahlung der Zinsen durch die Bfin. an sich selbst annehmen wollte, der Vorgang erfolgsneutral. Eine Steuerbefreiung gemäß § 3 a EStG käme daher von vornherein nur in Betracht hinsichtlich des Unterschiedsbetrages zwischen den aktivierten Zinsansprüchen und den passivierten Zinsverpflichtungen; denn nur in Höhe dieses Betrages wurde das Gewinnergebnis berührt. Die Rb. ist jedoch auch insoweit nicht begründet.

Die Bfin. beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 15/57 U (a. a. O.). In dieser Entscheidung ist der Senat davon ausgegangen, daß beim Erwerb eigener Pfandbriefe die verbrieften Kapitalforderungen als durch das Inhaberpapier verselbständigte Ansprüche bestehen bleiben können. Dieses, auf der sachenrechtlichen Ausgestaltung der Inhaberschuldverschreibung beruhende Fortbestehen von Forderung und Schuld trotz Vereinigung in der Hand einer Person (vgl. hierzu auch Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 147 S. 233 (243)) hat der Senat unter Berücksichtigung des damals zur Entscheidung stehenden Sachverhalts und unter Betonung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch noch angenommen bei Zinsen aus eigenen Pfandbriefen, die eine Hypothekenbank zur Kurspflege vorübergehend erworben und später wieder abgestoßen hatte. Der Senat hat bei dem damaligen Sachverhalt den an das Wertpapier geknüpften Zinsanspruch als verselbständigt angesehen und deshalb ausnahmsweise ein Erlöschen von Forderung und Schuld bei Identität von Gläubiger und Schuldner (Konfusion) verneint.

Zutreffend hat aber die Vorinstanz den sachverhaltsmäßigen Unterschied zwischen dem Streitfall und dem durch das Urteil I 15/57 U entschiedenen Fall hervorgehoben.

Im Streitfall geht es um Ansprüche, die durch die Einziehung der Wertpapiere fällig geworden sind. Mit der Einziehung endet aber gerade die eine Konfusion verhindernde Verselbständigung der verbrieften Rechte. Zwischen dem letzten Inhaber des eingezogenen Papiers und dem Aussteller besteht nur noch ein rein schuldrechtliches Verhältnis. Damit tritt aber, wenn Schuldner und Gläubiger dieselbe Person sind, automatisch Konfusion ein, d. h. ein Erlöschen von Schuld und Forderung ohne Leistung. Von einer Zinszahlung der Bfin. an sich selbst kann also im Streitfall nicht gesprochen werden.

Die Bfin. wehrt sich gegen den von der Vorinstanz angestellten Vergleich der eingezogenen Stücke mit den sogenannten "nassen" Stücken. Zweifellos sind, was ihre Zweckbestimmung anlangt, Schalterstücke etwas anderes als eingezogene Stücke. Beiden ist aber gemeinsam, daß eine verbriefte Verbindlichkeit nicht - im einen Falle noch nicht, im anderen Falle nicht mehr - besteht. Im einen Falle fehlt eine Verbindlichkeit mangels "Kreation", im anderen infolge Konfusion.

Wenn im genannten Urteil I 15/57 U mehrfach der Wiederverkauf der erworbenen eigenen Stücke und der nur vorübergehende Besitz solcher Stücke durch die Ausstellerin hervorgehoben wurde, so kommt dem entgegen der Auffassung der Bfin. Bedeutung zu. Die Bfin. meint einerseits, der vom Urteil I 15/57 U als bedeutsam gewerteten Kurspflege sei schon durch den Erwerb eigener Stücke Genüge getan, ohne daß es darauf ankomme, was dann mit den gekauften Stücken geschehe. Sie meint andererseits, daß die genannten Hervorhebungen im Urteil deshalb erfolgt seien, weil der Senat Ankäufe als Daueranlage nicht als Stützungskäufe habe anerkennen wollen. Aus letzterem ergibt sich aber gerade, daß es keineswegs unerheblich ist, was mit den erworbenen eigenen Stücken geschieht, z. B. ob sie als Daueranlage oder zum Wiederverkauf bestimmt sind. Im Streitfall ist durch die Einziehung der Wertpapiere deren Existenz beendet worden, und Forderung und Schuld sind durch Konfusion, d. h. ohne Zahlung oder deren Surrogate wie Aufrechnung oder Verrechnung, erloschen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410195

BStBl III 1962, 27

BFHE 1962, 65

BFHE 74, 65

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