Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betriebsgebäude ist dann i.S. des § 4b InvZulG 1975 fertiggestellt, wenn es in all seinen wesentlichen Teilen und entsprechend der ursprünglichen Planung dem Betrieb zur Verfügung steht. Danach ist ein als Lager geplanter Gebäudeteil selbst dann nicht fertiggestellt, wenn er zwar tatsächlich vom Steuerpflichtigen als Lager genutzt wird, entgegen der dem Bauantrag zugrunde liegenden Planung jedoch Innenputz, Estrich und teilweise die Türen noch fehlen.

2. Auch ein von der zuständigen Baubehörde über einen Gebäudeteil verhängtes Nutzungsverbot kann gegen die Fertigstellung i.S. von § 4b InvZulG 1975 sprechen.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Auslieferungslager. Im Streitjahr 1976 begann sie mit dem Bau eines zweigeschossigen Gebäudes. Die im Erdgeschoß gelegenen Büroräume wurden noch im Jahr 1976 bezogen. Das Obergeschoß sollte nach der Baubeschreibung als Lager genutzt werden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975. Im Rahmen einer im Jahr 1981 durchgeführten Außenprüfung wurde jedoch festgestellt, daß im Obergeschoß noch der Innenputz und Estrich fehlten. Die Bauaufsichtsbehörde hatte am 9.November 1976 lediglich eine Teilabnahme des Gebäudes vorgenommen und in dem Teilabnahmebescheid vermerkt: "Das Ober- bzw. Dachgeschoß dürfen erst genutzt werden, wenn der Ausbau abgeschlossen und die Gebäudeabnahme durchgeführt ist."

Das FA forderte daraufhin die Zulage zurück, da das Gebäude nicht bis zum 1.Juli 1977 fertiggestellt worden sei. In der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage wurde vorgetragen, das Obergeschoß sei in der Zeit zwischen 1976 und 1981 tatsächlich als Lager genutzt worden. Erst im Dezember 1981 sei dann wegen Platzmangels ein Ausbau zu weiteren Büroräumen erfolgt.

Das Finanzgericht (FG) gab, nachdem es den für die Bauabnahme des streitbefangenen Gebäudes zuständigen Beamten als sachverständigen Zeugen vernommen hatte, der Klage statt. Es war der Ansicht, daß die wesentlichen Arbeiten an dem Gebäude innerhalb der am 1.Juli 1977 endenden Frist des § 4b Abs.2 Satz 3 InvZulG 1975 abgeschlossen gewesen seien. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß das Nutzungsverbot des Obergeschosses nur wegen des fehlenden Treppengeländers ausgesprochen worden sei. Die noch fehlenden, in der Baugenehmigung als Auflage vorgesehenen feuerhemmenden Türen und die sonstigen noch fehlenden Ausbauten hätten nicht für ein Nutzungsverbot ausgereicht, sondern wären allenfalls zur Schlußabnahme notwendig gewesen. Von einer Schlußabnahme könne die Fertigstellung eines Gebäudes jedoch dann nicht abhängen, wenn es tatsächlich zu dem in der Baugenehmigung vorgesehenen Zweck, nämlich als Lager, genutzt werde. Die zum Zeitpunkt der Abnahme noch fehlende Unfallschutzmaßnahme sei im Verhältnis zu den Gesamtherstellungskosten auch von so untergeordnetem Wert, daß darin die Fertigstellung, die nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen sei, nicht scheitern könne.

Mit der Revision rügt das FA eine unzutreffende Anwendung des § 4b InvZulG 1975. Das Gebäude sei entgegen der Ansicht des FG nicht innerhalb der Förderfrist fertiggestellt worden. Daß das Obergeschoß möglicherweise ab 1976 als provisorischer Lagerraum genutzt worden sei, ändere nichts daran, daß wegen fehlender Türen sowie fehlenden Innenputzes und Estrichs nicht von einem fertiggestellten Gebäude ausgegangen werden könne.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Klägerin für die Herstellung des Büro- und Lagergebäudes nur dann eine Zulage nach § 4b InvZulG 1975 zusteht, wenn das Gebäude bis zum 1.Juli 1977 fertiggestellt worden ist (§ 4b Abs.2 Satz 3 InvZulG 1975). Da der Begriff der "Fertigstellung" im InvZulG 1975 nicht näher geregelt ist, ist er, wie viele andere dem Einkommensteuerrecht entnommene Begriffe, entsprechend den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, es sei denn, aus Sinn und Zweck des InvZulG ergebe sich etwas anderes (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.Dezember 1988 III R 186/83, BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203).

Nach diesen Grundsätzen ist ein Betriebsgebäude dann fertiggestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und das Gebäude für den Betrieb nutzbar ist. Entscheidend ist dabei, daß das Gebäude in vollem Umfang und nicht lediglich zu einem Teil für den Betrieb zur Verfügung steht. Nur geringfügige Restarbeiten, die die Nutzung des Gebäudes nicht beeinflussen, berühren den Fertigstellungszeitpunkt nicht und sind, wenn sie später ausgeführt werden, unschädlich (BFH-Urteil vom 10.April 1987 III R 104/82, BFH/NV 1987, 601, für die nachträgliche Fertigstellung einer Blitzschutzanlage).

Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz kommt es dabei nicht darauf an, welchen Kostenanteil die noch ausstehenden Bauarbeiten im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Gebäudes haben (vgl. BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203). Ausschlaggebend ist vielmehr allein, ob die Bauarbeiten am Stichtag soweit abgeschlossen sind, daß das Gebäude in all seinen wesentlichen Teilen, entsprechend seiner vorgesehenen Nutzungsmöglichkeit, für den Betrieb zur Verfügung steht. Dabei ist die Frage, ob jemandem der Bezug des Gebäudes zuzumuten ist, anhand objektiver Kriterien und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden (BFH-Urteil vom 25.Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß das von der Klägerin errichtete Büro- und Lagergebäude am 1.Juli 1977 nicht fertiggestellt war. Nach den Feststellungen des FG fehlten im Obergeschoß bis 1981 Estrich und Innenputz. Demgemäß war das Obergeschoß bis 1981 in einem unfertigen rohbauähnlichen Zustand, der nach der Verkehrsanschauung nicht als Fertigstellung angesehen werden kann.

Dabei verkennt der Senat nicht, daß an den Ausbauzustand eines als Lager genutzten Gebäudeteils wesentlich geringere Anforderungen zu stellen sind als beispielsweise an einen Büroraum oder gar eine Wohnung. Es reicht aber nicht aus, daß lediglich im Rohbau fertige Räume errichtet werden, die sich nur provisorisch zu Lagerzwecken eignen. Entscheidend ist vielmehr, welche Art von Lager und welcher Bauzustand geplant worden sind und ob insofern nach der Verkehrsanschauung eine bestimmungsgemäße Nutzung möglich ist. Die von der Klägerin bei Einreichung des Bauantrags geplanten Lagerräume, die immerhin der Lagerung von Geräten mit teilweise erheblichem Wert dienen sollten, gingen sowohl ihrer Art nach als auch von ihrer Bauausführung her deutlich über den am 1.Juli 1977 tatsächlich erreichten Stand der Bauarbeiten hinaus. Wie sich im übrigen aus dem eigenen Vortrag der Klägerin ergibt, sind die Räume auch später nicht mehr ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zugeführt worden, sondern sie wurden als Büroräume fertiggestellt und genutzt.

Unerheblich ist ferner, daß die Räume nach den Angaben der Klägerin tatsächlich als Lager für Büro- und Werbematerial genutzt wurden. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 26.Juni 1970 III R 56/69 (BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769) entschieden, daß sich die Frage der Bezugsfertigkeit einer Wohnung nach objektiven Merkmalen bestimmt und der tatsächliche Bezug allenfalls eine nicht zwingende, jederzeit widerlegbare Vermutung der Bezugsfertigkeit zuläßt. Nicht anders verhält es sich mit gewerblich genutzten Gebäuden. Entsprechend ist auch im vorliegenden Fall nicht auf die tatsächliche Nutzung abzustellen, sondern auf die objektive Fertigstellung nach der Verkehrsauffassung, und diese ist bei Lagerräumen der von der Klägerin geplanten Art dann nicht gegeben, wenn Türen und Böden fehlen und die Innenwände noch nicht verputzt sind.

Gegen die Annahme der Fertigstellung spricht im vorliegenden Fall noch zusätzlich, daß die Baubehörde in ihrem Teilabnahmeschein vom 9.November 1976 ausdrücklich ein Nutzungsverbot für das Obergeschoß ausgesprochen hat. Die baurechtliche Schlußabnahme ist zwar keine zwingende Voraussetzung für die Annahme der Fertigstellung (BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats wäre es jedoch im Hinblick auf die Einheit der Rechtsprechung verfehlt, ein endgültig entgegen materiellen baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtetes Gebäude (Gebäudeteil) durch Gewährung einer Investitionszulage zu fördern (BFH-Urteil vom 8.Februar 1980 III R 104/78, BFHE 130, 439, BStBl II 1980, 474). Aus ähnlichen Erwägungen kann auch ein Gebäudeteil, bei dem nicht nur die behördliche Schlußabnahme fehlt, sondern dessen Nutzung auch noch nach dem 30.Juni 1977 ausdrücklich untersagt war, in der Regel nicht als i.S. des § 4b Abs.2 Satz 3 InvZulG 1975 fristgemäß fertiggestellt angesehen werden. Die Nutzungsuntersagung ist daher ein starkes Indiz gegen die Fertigstellung, das im Streitfall zu den sonstigen Erwägungen hinzu kommt. Daß möglicherweise nur das fehlende Treppengeländer zu der Nutzungsuntersagung geführt hat, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend, denn der Kostenanteil, den die für die Nutzbarmachung noch notwendigen Bauarbeiten im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Gebäudes haben, ist nicht ausschlaggebend (vgl. BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203).

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das Obergeschoß nicht bis zum 1.Juli 1977 fertiggestellt wurde, war die Klage gegen den Änderungsbescheid wegen Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 vom 30.Oktober 1981 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17.Dezember 1982 abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62908

BFH/NV 1989, 47

BStBl II 1989, 906

BFHE 158, 280

BFHE 1990, 280

BB 1989, 2104-2104 (L1-2)

DB 1989, 2363 (ST)

HFR 1990, 37 (LT)

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