Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Arbeitsrecht Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1.ß 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 1955 verstößt weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 6 GG.

2.Bei der Bemessung des Steuersatzes im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1955 ist das gesamte Einkommen (einschließlich der außerordentlichen Einkünfte) auch dann zu berücksichtigen, wenn die außerordentlichen Einkünfte wesentlich höher sind als die übrigen Einkünfte.

3.Eine Zwischenentscheidung ist nicht zulässig, wenn nur ein Streitpunkt Gegenstand des Verfahrens ist.

EStG 1955 §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 34 Abs. 1 Satz 1; AO § 284 Abs. 2; GG Art. 3, 6.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1 S. 2, § 34 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3, 6; AO § 284 Abs. 2; FGO § 99

 

Tatbestand

Der Bf. hat im Jahre 1955 neben seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb, freier Berufstätigkeit und Kapitalvermögen sowie einem Verlust aus Vermietung und Verpachtung durch die Veräußerung seiner Anteile an der GmbH und an der KG Veräußerungsgewinne von insgesamt 1.127.477 DM erzielt. Die Höhe dieser Gewinne ist unstreitig. Der Bf. war auf Grund der Erbauseinandersetzung der Familie im Jahre 1947 an der vorgenannten KG mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 15 v. H. beteiligt. Im Jahre 1949 wurde von den Beteiligten der KG eine GmbH gegründet, die zunächst die Übernahme des Vertriebs der Erzeugnisse der KG und mit Wirkung vom 1. Januar 1950 den gesamten Betrieb der KG übernahm, so daß von diesem Zeitpunkt an der gesamte betriebliche Gewinn der GmbH zufloß. Die übrigen Anteile an der GmbH entfielen im Jahre 1955 mit 77 v. H. auf die Geschwister des Bf., an die er in den Jahren 1952 und 1954 je 1 v. H. verkauft hatte, und mit je 5 v. H. auf seine Mutter und auf die GmbH selbst. Da somit der Bf. zusammen mit seinen Angehörigen an der GmbH zu mehr als 1/4 beteiligt war, hat das Finanzamt das nach Abzug von Sonderausgaben verbleibende Einkommen von 1.122.809 DM gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG 1955 unter Beachtung der Bestimmungen des Abschnitts 198 EStR 1955 mit einem ermäßigten Steuersatz von 27,4 v. H. besteuert. Dieser Satz entspricht der Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich bei diesem Einkommen unter Berücksichtigung der Steuerabzugsbeträge für die Ehefrau und Kinder nach der Tabelle ergeben würde. Die demnach festgesetzte Einkommensteuer beläuft sich auf 307.452 DM.

Der Bf. hat mit der hiergegen eingelegten Sprungberufung geltend gemacht, daß die Veräußerungsgewinne abweichend von der in der EStR vorgesehenen Regelung höchstens mit einem Steuersatz von 13,5 v. H. zu versteuern seien. Bei der Errechnung des von ihm beantragten Steuersatzes ist der Bf. davon ausgegangen, daß ein Steuerpflichtiger, dessen laufende Einkünfte mit dem höchsten Steuertarif von 55 v. H. und dessen außerordentliche Einkünfte mit dem Höchstsatz von 30 v. H. zu besteuern seien, eine Tarifbegünstigung für die außerordentlichen Einkünfte von 45 v. H. gegenüber dem höchsten Steuertarif erreiche. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsse dieses Ergebnis auch dann herbeigeführt werden, wenn das laufende Einkommen nicht dem höchsten Steuersatz von 55 v. H. unterliege. Es sei daher der von ihm für die Veranlagungszeiträume 1952 bis 1955 auf Grund des Steuertarifs 1955 errechnete durchschnittliche Steuersatz von 24,4 v. H. und die mögliche Höchstersparnis von 45 v. H., d. h. um 10,9 v. H. zu mindern, so daß sich für die Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte ein Steuersatz von 13,5 v. H. ergebe. Die Nichtanwendbarkeit der in Abschnitt 198 EStR 1955 getroffenen Regelung ergebe sich auch deshalb, weil sie von dem Normalfall ausgehe, in dem hohe laufende Einkünfte mit relativ geringen außerordentlichen Einkünften zusammenträfen. In einem solchen Falle wirke sich der halbierte Durchschnittssteuersatz als Durchschnittssteuersatz auf die außerordentlichen Einkünfte erheblich günstiger aus als der volle Steuersatz. Dagegen werde der Zweck des § 34 Abs. 1 EStG dann nicht erreicht, wenn, wie im vorliegenden Fall, verhältnismäßig geringe laufende Einkünfte hohen außerordentlichen Einkünften gegenüberständen. Aus dem Zweck des § 34 EStG ergebe sich, daß der Steuersatz der außerordentlichen Einkünfte dem der ordentlichen Einkünfte anzupassen und darüber hinaus zu begünstigen sei. Der Bf. hat ferner darauf hingewiesen, daß der Veräußerungsgewinn überwiegend (1.056.900 DM) aus der Veräußerung seines Anteils von nur 13 v. H. am Stammkapital der GmbH herrühre. Diese Beteiligung sei nur deshalb als wesentliche im Sinne des § 17 EStG anzusehen, weil er gemeinsam mit seinen Geschwistern an der GmbH beteiligt sei. Dieser Umstand hätte bei der Bemessung des Steuersatzes nicht außer Betracht bleiben dürfen. Auch sei er zur Veräußerung des gesamten Anteils deshalb gezwungen worden, weil seine sonstigen Einkünfte nicht ausgereicht hätten, um die auf dem Vermögen lastenden Steuern und den Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten.

Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen, und zwar aus folgenden Erwägungen: Die Festsetzung eines innerhalb des Rahmensatzes des § 34 Abs. 1 EStG liegenden Steuersatzes für außerordentliche Einkünfte sei in das Ermessen des Finanzamts gestellt. Die in Abschnitt 198 EStR 1955 getroffene Regelung solle lediglich eine einheitliche und gleichmäßige Steuerfestsetzung durch die Finanzämter sicherstellen. Es komme ihr jedoch nicht die Bedeutung einer gesetzlichen Norm zu, an die die Steuergerichte gebunden seien. Das Gericht habe vielmehr zu prüfen, ob diese Regelung dem Sinn und Zweck des § 34 EStG und den in § 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) für die Ermessensausübung festgelegten Grundsätzen gerecht werde. Bei einer Prüfung unter diesen Gesichtspunkten führe die Anweisung, daß in der Regel die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes anzuwenden sei, der sich ohne Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG bei der Veranlagung des Einkommens einschließlich der außerordentlichen Einkünfte ergeben würde, nach Auffassung des Gerichtes zu einem Ergebnis, das dem Sinn und Zweck des § 34 EStG und der Billigkeit und Gerechtigkeit durchaus entspreche. Durch Berücksichtigung der ordentlichen wie auch der außerordentlichen Einkünfte sei sichergestellt, daß auch höhere außerordentliche Einkünfte innerhalb des Rahmensatzes von 10 bis 30 v. H. zur Auswirkung kämen; gerade in dem Fall des Bf. zeige es sich, daß auf das Gesamteinkommen unter Einbeziehung der außerordentlichen Einkünfte abgestellt werden müsse, wenn ein der progressiven Staffelung des Allgemeinsteuertarifs und des Sondersteuerrahmens der § 34 Abs. 1 EStG entsprechendes billiges Ergebnis erreicht werden solle. Die vom Bf. vorgetragenen besonderen Umstände rechtfertigen keine Abweichung von der in den EStR 1955 getroffenen Regelung. Das treffe sowohl für den Umstand zu, daß die Beteiligung des Bf. nur unter Hinzurechnung der Beteiligung seiner Geschwister als wesentliche im Sinne des § 17 EStG anzusehen sei und ihre Veräußerung nur deshalb zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn geführt habe, wie auch auf den weiteren Umstand, daß der Bf. nicht in der Lage gewesen sei, die mit den Beteiligungen im Zusammenhang stehenden Vermögensteuern aus seinen laufenden Einkünften aufzubringen. Die nur geringfügig unter dem Höchstsatz von 30 v. H. festgesetzte Einkommensteuer beruhe ausschließlich auf den ungewöhnlich hohen Veräußerungsgewinnen und finde auch hierin ihre Rechtfertigung.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der vom Bf. eingelegten Rb. ergibt folgendes:

Der Bf. vertritt erstmalig in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Auffassung, daß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 1955 gegen Art. 3 Abs. 1 (Gleichheit vor dem Gesetz) und gegen Art. 6 Abs. 1 (Schutz der Ehe und Familie) des Grundgesetzes (GG) verstoße und daher in entsprechender Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht im Beschluß 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 I S. 193) entwickelten Rechtsgrundsätze nichtig sei. Dem Antrag des Bf., das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, kann jedoch nicht entsprochen werden, da der erkennende Senat den § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 1955 nicht für verfassungswidrig erachtet. Der Bf verkennt den in Art. 3 Abs. 1 GG festgelegten Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Dieser Gleichheitsgrundsatz verbietet nur, daß wesentlich Gleiches ungleichmäßig, nicht aber, daß wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951, Steuerrechtsprechung in Karteiform, GG, Art. 3, Rechtsspruch 1). Eine unterschiedliche Behandlung ist dann gerechtfertigt, wenn tatsächliche Ungleichheiten aus Erwägungen der Gerechtigkeit oder Zweckmäßigkeit wesentliche Bedeutung haben (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts1 BvL 106/53 vom 18. Dezember 1953, Steuerrechtsprechung in Karteiform, GG, Art. 3, Rechtsspruch 9). Die Entscheidung hierüber obliegt dem Ermessen des Gesetzgebers. Nach § 17 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Eine wesentliche Beteiligung ist dann gegeben, wenn der Veräußerer allein oder mit seinen Angehörigen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar, z. B. durch Treuhänder oder durch eine Kapitalgesellschaft, innerhalb der letzten 5 Jahre beteiligt war. Durch diese gesetzliche Bestimmung soll sichergestellt werden, daß von einer Kapitalgesellschaft erzielte aber nicht ausgeschüttete Gewinne, die bei der Anteilsveräußerung von einem wesentlich Beteiligten realisiert werden, der Besteuerung unterworfen werden.

Wenn der Gesetzgeber im Rahmen dieser Bestimmung eine wesentliche Beteiligung bei einem Anteil von 25 v. H. am Kapital der Gesellschaft annimmt, so entspricht diese Anteilshöhe der gesetzlichen Regelung der sogenannten Schachtelvergünstigung des § 9 KStG wie des § 60 des Bewertungsgesetzes (BewG), und wenn er ferner die Einbeziehung der Angehörigen vorschreibt, so ist er hierbei offenbar von der Erwägung ausgegangen, daß die im Besitz von Familienangehörigen befindlichen Anteile nach der allgemeinen Lebenserfahrung dem einzelnen einen besonders starken Einfluß auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ermöglichen. Es kann daher der Rb. nicht darin gefolgt werden, daß der Gesetzgeber durch diese Regelung das ihm zustehende Ermessen verletzt habe (vgl. auch Urteil des BundesfinanzhofsI 206/57 vom 9. September 1958, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 8 Ziff. 2 - 9, Rechtsspruch 22). Hierbei ist nicht entscheidend, daß diese gesetzgeberische Vermutung nicht immer zutreffen wird und daß möglicherweise auch über wirtschaftlich abhängige fremde Personen ein bestimmender Einfluß auf ein Unternehmen ausgeübt werden kann, wie auch eine 25 - prozentige Beteiligung allein unter Umständen nur eine geringe Einflußnahme gewähren kann. Es kommt nicht darauf an, ob die vom Gesetzgeber in § 17 EStG getroffene gesetzliche Regelung die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung ist und ob etwa eine andere Regelung gerechter oder vernünftiger gewesen wäre oder dem Gleichheitsgrundsatz mehr entsprochen hätte (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts1 BvR 323/51 vom 17. Dezember 1953, Steuerrechtsprechung in Karteiform, GG, Art. 3 Rechtsspruch 8; Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 27). Die angegriffene Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 6 GG, der die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Das Schwergewicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (a. a. O.) ist darin zu erblicken, daß es im Hinblick auf die aus der Zusammenveranlagung von Ehegatten sich ergebende Steuerprogression den § 26 EStG für nichtig erklärt hat (vgl. Abschnitt D I Abs. 1 der Entscheidung). Die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber aber nicht, im Rahmen seines Ermessens an den Tatbestand der Ehe und der Familienzugehörigkeit steuerliche Folgen zu knüpfen, selbst wenn sie sich im Einzelfall steuerlich ungünstig auswirken. Es muß in jedem Fall die Eigenart des zu regelnden Rechtsgebiets beachtet werden (so Urteil des BundesfinanzhofsI 71/57 U vom 28. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 112, Slg. Bd. 66 S. 290). Zu dem Begriff der wesentlichen Beteiligung im Sinne der dem § 17 EStG 1955 entsprechenden Vorschrift des § 30 Abs. 3 EStG 1925 war in der Begründung des Entwurfs des EStG 1925 (S. 56) ausgeführt: "Die Frage, wie groß die sich so ergebende Beteiligung sein muß, um als wesentliche Beteiligung zu gelten, könnte in der Praxis zu Streitigkeiten führen. Der Entwurf sieht deshalb eine feste Grenze vor, die entsprechend der Regelung beim sogenannten Schachtelprinzip auf 'ein Viertel' des Kapitals festgesetzt werden soll. Als wesentliche Beteiligung darf es also, ohne daß dem Ermessen der Verwaltungsbehörde noch ein weiterer Spielraum gelassen wird, nur angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige und seine Angehörigen zusammen mehr als ein Viertel der Anteile besitzen". Es handelt sich somit um eine vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Schwierigkeit der Feststellung der Wesentlichkeit einer Beteiligung für notwendig erachtete gesetzliche Regelung, die die Mitbeteiligung der Angehörigen nach den Erfahrungen des wirtschaftlichen Lebens mitberücksichtigt hat, wobei auch der Gesichtspunkt der Verhütung von Steuerumgehungen eine Rolle gespielt haben wird (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957, a. a. O., D II Ziff. 5 letzter Satz, wo es heißt: "Im übrigen würden auch besondere gesetzliche Bestimmungen, die lediglich Umgehungen der Steuerpflicht durch eine vorgeschobene zivilrechtliche Verteilung der Einkünfte zwischen Ehegatten verhindern sollen, niemals eine durch Art. 6 Abs. 1 GG verbotene Benachteiligung der Ehe und Familie darstellen."). Außerdem erstreckt sich die Zurechnung nicht nur auf die Anteile der Angehörigen, sondern auch auf die mittelbare Beteiligung durch Treuhänder oder durch eine Kapitalgesellschaft, so daß auch aus diesem Grunde von einer Schlechterstellung der Familienangehörigen allein nicht gesprochen werden kann (vgl. zustimmend: Blümich-Falk, 8. Aufl., Einkommensteuergesetz § 17 Anm. 1; Böttcher-Grass, Die Ehegattenbesteuerung, B Anm. 196 - 198, Forkel-Verlag; Glöggler: Ist die Zusammenrechnung der Beteiligung naher Angehöriger im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG verfassungswidrig?, Rechts- und Wirtschaftspraxis Bl. 14 D EinkommensteuerII B 19 - 20/58; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 6. Aufl., § 17 Textziffer 3; Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 17, Anm. 3; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 17. Anm. D II Ziff. 2 und 3, - die drei letztgenannten Kommentare allerdings ohne ausdrückliche Stellungnahme -; anderer Ansicht: Stegmaier, Finanz-Rundschau 1959 S. 428; Gericke, Finanz-Rundschau 1959 S. 217; Mielke, "Sippenbesteuerung" im Industriekurier 1957 Nr. 149 und "Veräußerung wesentlicher Beteiligungen von Angehörigen" in "Aus Beruf und Praxis" 1957 Nr. 4 S. 8; "Der Betrieb" 1957 S. 1140 - ohne Verfasserangabe).

Soweit sich die Rb. gegen die Höhe des für die Veräußerungsgewinne unter Berücksichtigung der Regelung in Abschnitt 198 EStR 1955 festgesetzten Steuersatzes richtet, muß ihr ebenfalls der Erfolg versagt bleiben. Der erkennende Senat tritt den Ausführungen des Finanzgerichts in vollem Umfange bei. Es kann der vom Bf. vertretenen Ansicht (so auch Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 34 Anm. 4) nicht gefolgt werden, daß der in Abschnitt 198 getroffenen Regelung nur die Fälle zugrunde liegen, in denen hohe laufende Einkünfte und nur verhältnismäßig geringe außerordentliche Einkünfte vorliegen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Berücksichtigung des gesamten Einkommens, also einschließlich der außerordentlichen Einkünfte, dem auch für die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG maßgebenden Grundsatz des Einkommensteuerrechts, die Steuer nach der Leistungsfähigkeit zu berechnen, am besten gerecht wird. Deshalb ist auch die früher geltende Regelung (vgl. Abschnitt 132 Abs. 1 EStR 1941 und Abschnitt 153 Abs. 1 EStR 1946), nach der die außerordentlichen Einkünfte nur mit dem Steuersatz zu erfassen waren, der sich bei Anwendung der Einkommensteuertabelle auf das um die außerordentlichen Einkünfte gekürzte laufende Einkommen als durchschnittlicher Hundertsatz ergab, seit dem EStR II/1948 und 1949 (Abschnitt 215) aufgegeben worden. Mit Recht hat das Finanzgericht darauf hingewiesen, daß gerade im vorliegenden Fall für die Ermittlung eines angemessenen Steuersatzes nicht allein auf das laufende Einkommen, sondern unter Einbeziehung der außerordentlichen Einkünfte auf das Gesamteinkommen des Bf. abzustellen ist, wenn ein im Rahmen des Sondertarifs des § 34 Abs. 1 1 EStG angemessenes Ergebnis erreicht werden soll. Hätte der Bf. den durch die Anteilsveräußerung erst im Jahre 1955 realisierten Gewinn von insgesamt 1.127.477 DM verteilt auf die Jahre 1949 bis 1955 als laufende Ausschüttungen bezogen, so hätte sich insgesamt eine Einkommensteuer von etwa 825.000 DM ergeben, während die tatsächlich veranlagten Einkommensteuern des Bf. für diese Veranlagungszeiträume einschließlich der für 1955 festgesetzten rund 307.000 DM nur etwa 386.000 DM betragen. Daß der angewandte Steuersatz nur geringfügig unter dem Höchstsatz von 30 v. H. liegt, beruht ausschließlich und mit Recht auf den vom Bf. erzielten hohen Veräußerungsgewinnen.

Obwohl hiernach die Rb. in vollem Umfang unbegründet ist, muß die Vorentscheidung aus folgenden Gründen aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen werden: Das Finanzgericht hat wegen der Neuregelung der Veranlagung von nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten durch das Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848) und der mit diesem Gesetz geschaffenen Wahlmöglichkeiten mit Zustimmung des Bf. über die im vorliegenden Fall allein streitige Frage eine Zwischenentscheidung getroffen. Für den Erlaß einer Zwischenentscheidung im Sinne des § 284 Abs. 2 AO waren jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben, da im finanzgerichtlichen Verfahren ausschließlich die Höhe der für die Veräußerungsgewinne festgesetzten Steuer streitig war. Das Finanzgericht hätte auf Grund des vor Erlaß der Entscheidung ergangenen Gesetzes vom 26. Juli 1957 im anhängigen Verfahren die Voraussetzungen prüfen müssen, ob eine getrennte Veranlagung der Ehegatten nach § 26 EStG erforderlich war, und die Steuerfestsetzung entsprechend durchführen müssen (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV 27/58 U vom 11. März 1958, BStBl 1958 III S. 212, Slg. Bd. 66 S. 556). Es erscheint daher aus prozeßökonomischen Erwägungen angebracht, die Entscheidung als Endurteil zu behandeln. Das Finanzamt, an das die Sache zweckmäßigerweise zurückverwiesen wird, wird daher nunmehr zu prüfen haben, ob etwa statt der bisher erfolgten Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung vorzunehmen ist. Hierbei wird es den von ihm richtig ermittelten Steuersatz entsprechend dem in den EStR 1955 Abschnitt 198 aufgeführten Beispiel, wie auch vom Finanzgericht geschehen, auf 27. v. H. abzurunden haben. Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und bei der Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes wird das Finanzamt zu beachten haben, daß der Bf. in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Nichtigkeit des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG geltend gemacht hat, sodaß die auf den Veräußerungsgewinn aus seinen GmbH-Anteilen entfallende Steuer in vollem Umfange als im Streit befangen anzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409765

BStBl III 1960, 409

BFHE 1961, 429

BFHE 71, 429

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