Entscheidungsstichwort (Thema)

Heileurythmist - keine USt-befreite heilberufliche Tätigkeit; Fortsetzungsfeststellungsklage bei vor Klageerhebung erledigtem Verwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Heileurythmist übt keine einem der in § 4 Nr.14 UStG genannten Berufe ähnliche Tätigkeit aus.

2. Die Rechtsprechung, wonach die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 FGO selbst dann statthaft ist, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt hat, gilt auch für die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides.

 

Orientierungssatz

1. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ( § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann; das ist der Fall, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit allen seinen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist. Zur Anerkennung der Berufsähnlichkeit genügt nicht, daß die Tätigkeiten vergleichbar sind. Das Berufsbild wird durch sämtliche Berufsmerkmale geprägt. Zu diesen Berufsmerkmalen gehören neben der Ausbildung auch die Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft. Hierzu zählt bei Heilberufen u.a., daß deren Ausübung einer Erlaubnis bedarf und der Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegt (Festhaltung an BFH-Rechtsprechung).

2. Für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wird, da sie der Sache nach ein Unterfall der Anfechtungsklage ist, vorausgesetzt, daß bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses alle im Gesetz für die (fiktive) Anfechtungsklage vorgeschriebenen Prozeß-(Sachurteils-)voraussetzungen erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 17.7.1985 I R 214/82).

3. Durch den Erlaß des Umsatzsteuerbescheids erledigt sich die Steuerfestsetzung eines Vorauszahlungsbescheides "auf andere Weise" i.S. des § 124 Abs. 2 AO 1977. Ein gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid eingelegter Einspruch wird mit der Wirksamkeit des Jahresbescheids (mangels Beschwer i.S. des § 350 AO 1977) unzulässig. Eine dennoch vom FA erlassene Einspruchsentscheidung, durch die die Steuer aus dem Vorauszahlungsbescheid herabgesetzt wurde, ginge insoweit ins Leere (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1984 V R 146/83).

 

Normenkette

UStG 1967 § 4 Nr. 14; UStG 1980 § 4 Nr. 14; FGO § 100 Abs. 1 S. 4; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973 § 4 Nr. 14; AO 1977 § 124 Abs. 2, § 350

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.10.1999; Aktenzeichen 2 BvR 1264/90)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist selbständig tätiger Heileurythmist. Die von ihm angewendete Therapie ―es handelt sich um eine Bewegungstherapie auf anthroposophisch-medizinischer Grundlage― wird von Ärzten verordnet und vom Kläger unter deren Verantwortung durchgeführt. Der Kläger hat seine Kenntnisse und Fähigkeiten durch ein Studium der Eurythmie und eine besondere Ausbildung in Heileurythmie erworben.

Der Kläger vertritt die Auffassung, seine Umsätze aus der Tätigkeit als selbständiger Heileurythmist seien gemäß § 4 Nr.14 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) ―UStG 1967― steuerfrei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) hingegen setzte für die Jahre 1973 bis 1977 eine Umsatzsteuerschuld und für das erste Kalendervierteljahr 1978 eine Umsatzsteuervorauszahlung fest. Gegen die Bescheide legte der Kläger Einspruch ein. Vor einer Entscheidung über den Einspruch erließ das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid für 1978. Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Umsatzsteuer für die Jahre 1973 bis 1977 und die Vorauszahlung für das erste Kalendervierteljahr 1978 neu fest. Das FA lehnte es in der Einspruchsentscheidung ab, die Tätigkeit des Klägers als Heilhilfsberuf i.S. des § 4 Nr.14 UStG 1967 anzuerkennen, weil sie nicht wie die Tätigkeit des Krankengymnasten der staatlichen Erlaubnis bedürfe, nicht der Aufsicht durch Gesundheitsbehörden unterliege und weil die Ausbildung nicht gesetzlich geregelt sei. Aufgrund eines Gutachtens der Hochschule in A ging das FA jedoch davon aus, daß der Kläger eine freiberufliche künstlerische Tätigkeit ausübe; es unterwarf die Umsätze für die Jahre 1976 und 1977 dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.2 Nr.5 UStG 1967. Für die übrigen Veranlagungszeiträume wurde die Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs.1 bis 3 UStG 1967 festgesetzt.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuerbescheide 1973 bis 1977 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf. Außerdem stellte es antragsgemäß fest, daß der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das erste Kalendervierteljahr 1978 in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig sei. Bei dieser Entscheidung ging das FG davon aus, daß der Antrag des Klägers als Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig sei. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 580 abgedruckt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr.14 UStG 1967. Es beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält eine Überprüfung der Rechtsprechung für angezeigt, wonach im Rahmen des § 4 Nr.14 UStG 1967 nicht Tätigkeiten, sondern Berufe verglichen werden müssen. Diese Rechtsprechung trage der Entwicklung neuer Berufe nicht ausreichend Rechnung. Die sog. Schulmedizin werde ungerechtfertigt begünstigt, alternative wissenschaftliche Fachrichtungen würden benachteiligt. Der Gesetzgeber habe auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapie anerkannt, daß mehrere Therapierichtungen nebeneinander bestehen, die von unterschiedlichen theoretischen Denkansätzen und wissenschaftlichen Methoden ausgehen (vgl. BTDrucks 7/5091 S.5 ff.). Damit sei auch die anthroposophische Medizin im Arzneimittelbereich anerkannt worden. Bei der Auslegung des § 4 Nr.14 UStG 1967 müsse der Pluralität der wissenschaftlichen Lehrmeinungen ebenfalls Rechnung getragen werden. Eine den in § 4 Nr.14 UStG 1967 genannten Berufen ähnliche heilberufliche Tätigkeit müsse deshalb auch dann angenommen werden, wenn die Tätigkeit auf ärztlicher Verordnung beruhe, unter ärztlicher Verantwortung durchgeführt und von den Krankenkassen honoriert werde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

1. Gemäß § 4 Nr.14 UStG 1967 sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Dentist, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Ziff.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann; das ist der Fall, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit allen seinen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist. Zur Anerkennung der Berufsähnlichkeit genügt nicht, daß die Tätigkeiten vergleichbar sind, etwa durch das sie charakterisierende Merkmal der Behandlung und Linderung von Leiden. Denn zum maßgeblichen Berufsbild gehört nicht nur die jeweils ausgeübte Tätigkeit als solche; das Berufsbild wird durch sämtliche Berufsmerkmale geprägt. Zu diesen Berufsmerkmalen gehören neben der Ausbildung auch die Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft. Hierzu zählt bei Heilberufen u.a., daß deren Ausübung einer Erlaubnis bedarf und der Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegt (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7.Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621, und vom 25.März 1977 V R 144/74, BFHE 122, 181, BStBl II 1977, 579; zu § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG vgl. BFH-Urteil vom 21.September 1989 IV R 117/87, BFHE 158, 372, BStBl II 1990, 153).

2. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Die vom Kläger und dem FG angeführten Gründe geben keinen Anlaß, hiervon abzuweichen.

a) Das FG ist ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, die Tätigkeit des Klägers sei Heilkunde i.S. des § 1 Abs.2 des Heilpraktikergesetzes vom 17.Februar 1939 (RGBl I 1939, 239) und bedürfe daher der Erlaubnis nach § 1 Abs.1 des Heilpraktikergesetzes. Träfe diese Ansicht zu, müßte die Tätigkeit des Klägers mit der Tätigkeit eines Arztes oder Heilpraktikers verglichen werden, die beide Heilkunde i.S. des § 1 Abs.2 des Heilpraktikergesetzes ausüben. Nach den Kriterien für die Abgrenzung der erlaubnispflichtigen Ausübung der Heilkunde von der (nach dem Heilpraktikergesetz) erlaubnisfreien Heilhilfstätigkeit (siehe hierzu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 25.Juni 1970 I C 53.66, BVerwGE 35, 308) liegt es näher, die Heileurythmie als Heilhilfstätigkeit zu beurteilen. Heilhilfstätigkeiten erfordern nach allgemeiner Erfahrung kein ärztliches Fachwissen. Je nach Art und Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit sowie ihrer Gefährlichkeit für den Patienten unterliegen die Hilfskräfte in der Gesundheitspflege einer mehr oder weniger intensiven Anleitung und Beaufsichtigung durch einen Arzt (BVerwGE 35, 308/312). Sollte die Tätigkeit des Klägers als Heilhilfsberuf zu beurteilen sein, wäre als Vergleichsberuf der Heilhilfsberuf des Krankengymnasten heranzuziehen.

b) Der Senat braucht darauf nicht weiter einzugehen. Denn sowohl für den zum Vergleich in Betracht kommenden Heilberuf des Heilpraktikers als auch für den Heilhilfsberuf des Krankengymnasten ist kennzeichnend, daß die Berufsausübung der staatlichen Erlaubnis bedarf und der Aufsicht durch die Gesundheitsbehörden unterliegt. Für den Heilpraktiker gilt insoweit § 1 Abs.1 des Heilpraktikergesetzes, während sich für den Krankengymnasten dies aus § 1 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21.Dezember 1958 ―MMBKG― (BGBl I 1958, 985, zuletzt geändert durch Art.37 des Gesetzes vom 18.Februar 1986, BGBl I 1986, 265/272) ergibt (vgl. im einzelnen neben BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621 auch BFH-Urteile vom 30.Januar 1975 V R 102/74, BFHE 115, 292, BStBl II 1975, 523, und vom 14.März 1975 IV R 207/72, BFHE 115, 265, BStBl II 1975, 576). Zudem ist dem Berufsbild des Krankengymnasten auch noch der gesetzliche Schutz der Berufsbezeichnung (§ 1 MMBKG) sowie die gesetzliche Regelung von Umfang und Art der Ausbildung (§§ 2, 8 bis 10 MMBKG) eigentümlich. Danach ist der Beruf des Klägers weder dem Beruf des Heilpraktikers noch dem des Krankengymnasten vergleichbar. Eine mittelbare Beaufsichtigung der Tätigkeit des Klägers durch die Gesundheitsbehörde dergestalt, daß der die Therapie anordnende Arzt sich gegenüber der Aufsichtskörperschaft verantworten müsse, macht ―entgegen der Ansicht des FG― den Beruf des Klägers nicht mit einem Katalogberuf vergleichbar.

c) Die gegen die Heranziehung der Berufszulassung und -aufsicht als maßgebliche Entscheidungskriterien vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

Wie der Senat bereits im Urteil in BFHE 122, 181, BStBl II 1977, 579 dargelegt hat, reicht es für die Annahme der Ähnlichkeit der Heilberufe gemäß § 4 Nr.14 UStG 1967 nicht aus, daß die zu beurteilende Tätigkeit als Ausübung der Heilkunde qualifiziert werden kann. Denn nach dem Wortlaut des § 4 Nr.14 UStG 1967 sind ―anders als nach der entsprechenden Vorschrift des UStG 1951 (§ 4 Nr.11)― nicht Tätigkeiten ("die ärztlichen und ähnlichen Hilfeleistungen"), sondern Berufe zu vergleichen ("Tätigkeit als Arzt, … Heilpraktiker, Krankengymnast … oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit"). Soweit das Gesetz von "einer ähnlichen … Tätigkeit" spricht, nimmt es Bezug auf § 18 Abs.1 Nr.1 EStG und damit auf den Begriff der "freiberuflichen Tätigkeit".

Ein "ähnlicher Beruf" muß in wesentlichen Punkten einem der im Gesetz genannten Berufe entsprechen. Der erkennende Senat hält ―in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung zu § 4 Nr.14 UStG 1967 und zu § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG― die Regelung der Berufserlaubnis und -aufsicht für ein wesentliches Merkmal eines Berufs. Diese Regelungen dienen im Rahmen des § 4 Nr.14 UStG 1967 dem Zweck, die Qualität einer medizinischen Behandlung zu gewährleisten. Ein Beruf kann dem im Gesetz genannten Beruf nur ähnlich sein, wenn er auch dieses prägende Merkmal aufweist.

Die gesetzliche Regelung hat zur Folge, daß neue medizinische Berufe oder Berufe alternativer medizinischer Fachrichtungen erst in den Genuß der Umsatzsteuerbefreiung kommen, wenn der Gesetzgeber sie entweder in den Katalog des § 4 Nr.14 UStG 1967 aufnimmt oder ihnen durch eine Berufsregelung die Ähnlichkeit mit den Katalogberufen gibt. Die Gerichte sind an diese gesetzliche Regelung gebunden und nicht befugt, die Steuerbefreiung auf andere Steuerpflichtige zu erstrecken, wenn die Ähnlichkeit der Berufe verneint werden muß.

Damit kann nicht der Rechtsansicht des Klägers gefolgt werden, die den in § 4 Nr.14 UStG 1967 genannten Berufen ähnlichen heilberuflichen Tätigkeiten seien danach abzugrenzen, ob sie auf ärztlicher Verordnung beruhen, unter ärztlicher Verantwortung durchgeführt und von den Krankenkassen honoriert werden. Insoweit ist zwar das ―auch vom FG angeführte― Argument zutreffend, nach den Materialien des Gesetzes sei die Befreiungsvorschrift maßgeblich zur Entlastung der Sozialversicherungsträger geschaffen worden. Dieses Motiv des Gesetzgebers erlaubt es dem Richter aber nicht, die den Tatbestandsmerkmalen des Gesetzes nicht entsprechenden Leistungen an die Sozialversicherungsträger den tatbestandsmäßigen Leistungen gleichzustellen (BFHE 122, 181, 184, BStBl II 1977, 579, 580) und dadurch den gesetzlichen Tatbestand auszuweiten (Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes ―GG―).

Das Bundesverfassungsgericht ―BVerfG― (Beschluß vom 29.August 1981 1 BvR 695/88, BStBl II 1988, 975, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr.14, Rechtsspruch 1) hat ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der BFH beim Vergleich der Berufsbilder hinsichtlich der Ähnlichkeit darauf abstellt, daß die Ausübung dieses Berufs von einer staatlichen Erlaubnis abhängt. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung ist daher gerechtfertigt, Auswirkungen auf die Freiheit der Berufswahl oder -ausübung (Art.12 Abs.1 GG) sind nicht gegeben.

3. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Die Anfechtungsklage wegen Umsatzsteuer 1973 bis 1977 war abzuweisen.

Die Klageabweisung erfaßt auch den Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für das erste Quartal 1978 festzustellen. Das FG hat zu Recht die Klage insoweit gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 FGO für zulässig erachtet. Die sog. Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach ständiger Rechtsprechung auch dann statthaft, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt hat (vgl. grundlegend: BFH-Urteil vom 7.April 1979 VII R 14/77, BFHE 128, 346, BStBl II 1979, 708; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 100 Rz.41, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung auch des BVerwG; der dort zitierte BFH-Beschluß vom 27.Juni 1986 VI S 6/86, BFH/NV 1987, 118 weicht nicht ab, da diese Frage nur im Rahmen des Feststellungsinteresses erörtert worden ist und kein tragendes Entscheidungselement war). Diese Rechtsansicht gilt nicht nur für Klagen gegen Verwaltungsakte, die keine Steuerbescheide sind (z.B. Anordnung der Betriebsprüfung), sondern auch für die Klage gegen einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid. Die Erhebung einer eigenständigen Feststellungsklage gemäß § 41 FGO wäre in diesem Fall nicht statthaft, weil mit einer Feststellungsklage die Nichtigkeit, nicht die Rechtswidrigkeit eines Steuerbescheids begehrt werden kann. Hinge die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage von dem Zufall ab, ob die Finanzbehörde den Umsatzsteuerjahresbescheid vor oder nach Erhebung der Anfechtungsklage gegen den Vorauszahlungsbescheid erließe, wäre der Rechtsschutz des Betroffenen lückenhaft. Dies widerspräche dem Grundsatz der FGO, einen möglichst umfassenden Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 128, 346, BStBl II 1979, 708). Für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wird, da sie der Sache nach ein Unterfall der Anfechtungsklage ist, vorausgesetzt, daß bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses alle im Gesetz für die (fiktive) Anfechtungsklage vorgeschriebenen Prozeß-(Sachurteils-)voraussetzungen erfüllt sind (BFH-Urteil vom 17.Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21).

Im Streitfall hatte der Kläger gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das erste Quartal 1978 Einspruch eingelegt. Durch den Erlaß des Umsatzsteuerbescheides 1978 erledigte sich die Steuerfestsetzung des Vorauszahlungsbescheides "auf andere Weise" i.S. des § 124 Abs.2 der AbgabenordnungAO 1977― (vgl. BFH-Urteil vom 29.November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Mit der Wirksamkeit des Vorauszahlungsbescheids entfiel auch die Beschwer i.S. des § 350 AO 1977. Der Einspruch wurde unzulässig. Die Einspruchsentscheidung, durch die die Steuer aus dem Vorauszahlungsbescheid herabgesetzt wurde, ging insoweit ins Leere (vgl. BFH in BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Damit sind alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt, die für eine Anfechtungsklage vorgeschrieben sind. Das darüber hinaus für die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 FGO vorausgesetzte berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist gegeben. Da die Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides ausgesetzt war (§ 361 Abs.2 AO 1977), mußte der Kläger besorgen, auf Aussetzungszinsen in Anspruch genommen zu werden (§ 237 AO 1977); die Anfechtung des Vorauszahlungsbescheides hatte keinen Erfolg.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63210

BFH/NV 1990, 71

BStBl II 1990, 804

BFHE 161, 196

BFHE 1991, 196

BB 1990, 1763 (LT1-2)

DB 1990, 2104 (S)

HFR 1990, 648 (LT)

StE 1990, 316 (K)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge