Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

"übergroßen" Steuerpflichtigen steht wegen der durch ihre Größe bedingten Mehraufwendungen für Kleidung und Ernährung keine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zu.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der Bf., der 1,96 m groß ist, beantragte für 1954 einen Freibetrag nach § 33 EStG wegen der Mehraufwendungen, die ihm durch seine Größe entstehen, und die er mit 450 DM für Ernährung und 138 DM für Kleidung angab. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag nicht. Der Einspruch und die Berufung des Bf. hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht führte aus, die vom Bf. geltend gemachten Aufwendungen seien zwar im Sinne von § 33 EStG zwangsläufig und beeinträchtigten auch seine steuerliche Leistungsfähigkeit. Sie seien aber nicht außergewöhnlich; denn die übergröße sei nur eine der zahlreichen auf dem Gebiet der menschlichen Körperkonstitution vorkommenden Besonderheiten. Mehraufwendungen gegenüber dem Durchschnitt entstünden nicht nur übergroßen Menschen, sondern auch solchen mit erheblichem Leibesumfang, mit besonders breitem oder schmalem Körperbau, mit übergroßen oder überkleinen Kopfweiten und Gliedmaßen sowie Personen, bei denen das Verhältnis zwischen Oberkörper und Beinlänge anomal sei.

Der Bf. rügt mit der Rb. als Verfahrensmangel, das Finanzgericht habe es unterlassen, die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen, nach der ein Normalmann 174,5 cm groß sei mit einem Gewicht von 70,7 kg. Wenn es auch richtig sei, daß die Zahl der Menschen mit einer in dieser oder jener Hinsicht abweichenden Körperkonstitution keine Minderheit sei, so komme es für die steuerliche Beurteilung aber darauf an, ob das Abweichen vom Normalen außergewöhnliche Aufwendungen bedinge. Das sei zu bejahen, wenn die Körpergröße mehr als 21 cm von der des "Normalmenschen" abweiche. Ob und in welchem Ausmaß hierdurch erhöhte Aufwendungen entstünden, sei individuell zu prüfen. Der Mehraufwand sei nach § 33 EStG zu berücksichtigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Ein Freibetrag kann nach § 33 EStG nur gewährt werden, wenn die Aufwendungen des Steuerpflichtigen zwangsläufig und außergewöhnlich sind und wenn sie die zumutbare Eigenbelastung übersteigen. Das Finanzgericht hat eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG abgelehnt, weil die dem Bf. wegen seiner Größe für Kleidung und Ernährung erwachsenen Mehraufwendungen nicht außergewöhnlich seien. Diese Beurteilung entspricht dem geltenden Recht. Außergewöhnlich im Sinne von § 33 EStG sind nur Aufwendungen, die ihrer Art nach außergewöhnlich sind. Die Kosten für Ernährung und Kleidung gehören nicht dazu; denn diese belasten jeden Steuerpflichtigen, wenn auch nach der körperlichen Konstitution des einzelnen, seinen persönlichen Ansprüchen und Eigentümlichkeiten in verschiedener Höhe. Ausgaben für die Ernährung können zwar ausnahmsweise nach § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn ein Steuerpflichtiger wegen einer Erkrankung einer Diätkost bedarf, deren Mehraufwand dann aber den Krankheitskosten zuzurechnen ist. Von diesem Sonderfall abgesehen müssen die Aufwendungen für Ernährung und Kleidung nicht nur nach § 12 Ziff. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Betracht bleiben, sondern auch im Rahmen des § 33 EStG. Es handelt sich dabei um Ausgaben, die nicht außergewöhnlich im Sinne von § 33 EStG sind. Es würde dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen, würde man für diese Bedürfnisse einen Normalbedarf zu ermitteln versuchen und dann die darüber hinausgehenden Ausgaben als außergewöhnlich im Sinne von § 33 EStG behandeln. Die Feststellung eines Normalbedarfs ist schon deshalb schwierig, weil er gebietsweise und individuell verschieden hoch ist. Gerechterweise müßte im übrigen bei Anerkennung eines steuerlichen "Normalaufwandes" ein Minderaufwand zu einer Erhöhung der Steuer führen können. Das ist aber nach dem System des Einkommensteuerrechts nicht möglich. Daß unterschiedliche Aufwendungen der Steuerpflichtigen sich steuerlich nicht auswirken, kommt auch in anderem Zusammenhang vor. So wird z. B. für einjährige Kinder der gleiche Freibetrag bei der Einkommensteuer (Lohnsteuer) gewährt wie für 17-jährige, obwohl die Aufwendungen für sie in der Regel verschieden hoch sind. Es ist nicht zu vermeiden, daß bei einem Gesetz, das tausend- oder gar millionenfach anzuwenden ist, die bei den einzelnen Steuerpflichtigen vorkommenden Abweichungen in bestimmten Grenzen unbeachtet bleiben müssen. Der Gesetzgeber muß in solchen Fällen zwangsläufig Typisierungen schaffen, um das Gesetz durchführbar zu machen. Diese Erwägung gilt nicht zuletzt für die Kosten der Bekleidung und der Ernährung, deren Höhe je nach den persönlichen Verhältnissen der Steuerpflichtigen unterschiedlich sein kann. Nach der Systematik des EStG besteht keine Möglichkeit, diese Ausgaben in ihrer schwankenden Höhe zugunsten oder zuungunsten der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.

Demgemäß kommt es nicht auf die Feststellung einer Normalgröße und auf die Ermittlung eines Mehraufwandes für Verpflegung und Bekleidung bei besonders großen Menschen an, weil sich daraus steuerliche Folgen nicht ergeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424149

BStBl III 1963, 381

BFHE 1964, 174

BFHE 77, 174

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge