Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmer i.S. des Umsatzsteuergesetzes - Company limited of shares als Unternehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Leistender ist, wer im eigenen Namen oder unter fremdem Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt.

2. Eine nach englischem Recht gegründete Company limited of shares kann Unternehmer sein, wenn sie unter ihrem Namen Leistungen gegen Entgelt im Erhebungsgebiet ausführt. Für die Unternehmereigenschaft ist unerheblich, ob diese Gesellschaft nach deutschem Recht rechtsfähig ist.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist mit Gesellschafterbeschluß vom 28. Juli 1993 zum Direktor der "T Limited" (im folgenden Ltd) bestellt worden. Die Ltd ist durch Vertrag vom 27. April 1982 mit einem Stammkapital von 100 englischen Pfund, geteilt in 100 Geschäftsanteile zu jeweils einem englischen Pfund, gegründet worden. Gründungsgesellschafter waren ein in Großbritannien ansässiger Wirtschaftsprüfer und ein Bürovorsteher mit je einem Geschäftsanteil. Eine Registereintragung erfolgte nicht. Die Ltd übernahm die am selben Tag von denselben Gesellschaftern mit gleichlautendem Gründungsvertrag errichtete und im Handelsregister von A eingetragene "H limited" (im folgenden H). Gemäß Gründungsbescheinigung des Handelsregisters A änderte H den Namen in "T Limited". Der Geschäftssitz der Ltd befindet sich in London.

In Großbritannien hat die Ltd keine geschäftliche Tätigkeit entfaltet. Vom zweiten Halbjahr 1983 bis Ende 1985 sind im Zusammenhang mit der Bezeichnung der Ltd im Erhebungsgebiet Umsätze ausgeführt und angemeldet worden. Der Kläger erklärte die Gewerbeabmeldung der Ltd gegenüber der zuständigen Behörde zum 31. Dezember 1985.

Für das dritte Quartal 1983 gab der Kläger für die "T LTD, Y-Straße in Berlin" Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt für Körperschaften ab. Nachdem dieses wegen des Bekanntwerdens zahlreicher Steuerverkürzungsfälle durch Einschaltung einer "Company limited by shares (Ltd)" englischen Rechts die Steuerakten an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA--) mit der Begründung abgegeben hatte, eine non-resident-limited werde als Mitunternehmerschaft oder als Einzelunternehmen beurteilt, wurde für die "T LTD, Inhaber ..." u.a. eine Umsatzsteuererklärung für 1984 durch einen Steuerberater abgegeben. Wegen der darauf vom FA gegen "die Firma T LTD., Inh. ..., Y-Straße, Berlin" erlassenen Umsatzsteuerbescheide für 1983 vom 20. Januar 1988, für 1984 und für 1985 --jeweils vom 17. Dezember 1987-- legte ein Bevollmächtigter für die T Ltd erfolglos Einspruch ein. In den Einspruchsentscheidungen ging das FA davon aus, daß die Umsatzsteuerbescheide zu Recht nicht an eine juristische Person "T Ltd", sondern an den Kläger als Einzelunternehmer gerichtet worden seien; denn dieser habe z.B. in der nachgereichten Anlage bei der Veranlagung zur Einkommensteuer den Gewinn nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt.

Das Finanzgericht (FG) wies die von dem Kläger gegen die bezeichneten Umsatzsteuerbescheide 1983 bis 1985 erhobene Klage als unbegründet ab. Es bestätigte die Beurteilung des FA, daß der Kläger als hinter der Ltd stehender Unternehmer die in den angefochtenen Bescheiden besteuerten Umsätze ausgeführt habe. Ob die Ltd als juristische Person ausländischen Rechts nach deutschem internationalen Privatrecht in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) als rechtsfähig zu beurteilen sei --so führte das FG zur Begründung der Klageabweisung weiter aus--, richte sich nach der Sitztheorie. Die Ltd unterliege dem Recht des Staates, in dem sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz habe. Dieser befinde sich in Berlin. Die Ltd könne aber nicht als deutsche GmbH beurteilt werden, weil eine Reihe der für die Gründung einer GmbH notwendigen Voraussetzungen durch sie, die Ltd, nicht erfüllt würden. Gemeinschaftsrecht (Art.52, 58 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft --EWGV-- vom 25. März 1957, BGBl II 1957, 766) stehe dieser Beurteilung nicht entgegen, weil durch den Vorbehalt in Art.2 Abs.2 des Zustimmungsgesetzes vom 18. Mai 1972 (BGBl II 1972, 369) zu dem Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen in Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) vom 29. Februar 1968 (BGBl II 1972, 372) die Sitztheorie bekräftigt und eine unmittelbare Geltung der Art.52, 58 EWGV entkräftet worden sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung sachlichen Rechts. Die vom FG herangezogene Sitztheorie (Fiktion, daß die juristische Person bei einer Verlegung ihres Verwaltungssitzes in das Inland hier neu gegründet und im Ausland aufgelöst werde) sei vom Bundesgerichtshof (BGH) für das Zivilrecht vertreten worden. Sie widerspreche im Streitfall dem erklärten Willen der Gesellschafter. Die Anwendung der Sitztheorie werde durch die unmittelbar anwendbaren Art.52, 58 EWGV verdrängt, worüber bei Zweifeln der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Vorabentscheidung befinden müsse.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die angefochtenen Bescheide des FA wegen Umsatzsteuer 1983 bis 1985 aufzuheben, hilfsweise eine Vorabentscheidung durch den EuGH herbeizuführen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Vorentscheidung ist mit § 1 Abs.1 Nr.1 und § 2 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 unvereinbar. Das FG hat die Ltd einerseits als Leistende, jedoch nicht als Unternehmer beurteilt. Dafür war nach Ansicht des FG maßgebend, daß die Ltd nach deutschem Recht nicht rechtsfähig sei und sie nicht als Gesellschaft anerkannt werden könne. Deshalb hat das FG den Kläger als Unternehmer angesehen.

1. Die angefochtenen, an den Kläger als Einzelperson ergangenen Umsatzsteuerbescheide sind nur rechtmäßig, wenn das FA mit diesen vom Kläger als Unternehmer ausgeführte Umsätze besteuert hat (§ 13 Abs.2 UStG 1980).

Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Erhebungsgebiet gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, unterliegen der Umsatzsteuer (§ 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980). Unternehmer nach § 2 Abs.1 Sätze 1 und 3 i.V.m. § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 ist, wer eine gewerbliche oder berufliche, d.h. nachhaltige Umsatztätigkeit selbständig ausübt. Steuerschuldner ist der Unternehmer (§ 13 Abs.2 UStG 1980), der die Leistung erbracht hat. Leistender ist grundsätzlich derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381 - Leistungen an Prämiengeber beim Sechstagerennen). Tritt der Leistende unter fremdem Namen auf, sind ihm die Leistungen zuzurechnen.

Auf die Rechtsform, unter der der Handelnde seine Leistungen gegenüber Dritten erbringt, kommt es für die Zurechnung von Umsätzen nicht an. Leistungen können auch von Nichtrechtsfähigen ausgeführt werden (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1993 V R 108/91, BFHE 173, 458 - gelöschte GmbH kann Unternehmer sein; vom 29. April 1993 V R 38/89, BFHE 172, 137, BStBl II 1993, 734 - Grundstücksgemeinschaft). Treten diese gegenüber Dritten (im eigenen oder unter fremdem Namen) als Leistende auf, sind sie umsatzsteuerrechtlich Unternehmer. Unerheblich ist, ob die so handelnden Nichtrechtsfähigen zivil- oder handelsrechtlich wirksam errichtet oder tätig geworden sind (BFH-Urteil vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524 - Sozietät als Testamentsvollstrecker). Umsatzsteuerrechtlich ist nur von Bedeutung, wer entgeltliche Leistungen gegen Entgelt ausgeführt hat. Auf die vom FG vertiefte Frage, nach welchem Recht sich die Rechtsfähigkeit der Ltd bestimme, kommt es somit nicht an. Entscheidend ist lediglich, ob der Kläger im eigenen Namen oder unter dem Namen der Ltd oder ob die Ltd als eine ihm gegenüber selbständige Gesellschaft gegenüber Dritten als Leistender aufgetreten ist.

2. Die vorhandenen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht zu. Den Ausführungen in der Vorentscheidung, der Kläger habe unter der Firmenbezeichnung der Ltd gehandelt, sind keine Tatsachen zugrunde gelegt worden, die eine Prüfung dieser tatsächlichen Schlußfolgerung zulassen. Für sie könnte zwar das Auftreten des Klägers sprechen, wenn er sich --wie bei den erwähnten Umsatzsteueranmeldungen-- auch bei der Ausführung der bezeichneten Leistungen als "Inhaber" der Ltd bezeichnet hat. Das FG wird dies und weitere Beweisanzeichen dafür ermitteln müssen, ob die Auftraggeber des Klägers wußten, daß außer dem Kläger noch ein weiterer Leistender, die Ltd, hätte in Betracht kommen können. Dafür kann als Beweisanzeichen ferner von Bedeutung sein, ob die Auftraggeber dies erkennen konnten, ob ihnen die Ltd als Gesellschaftsform bekannt war, ob sie diese als ihren Vertragspartner angesehen und von ihr Leistungen empfangen wollten. Die Geschäftsanbahnung, die Abrechnung der Leistungen, der Zahlungsverkehr, die Durchführung von Gewährleistung können weitere Hinweise geben. Es spricht viel dafür, muß jedoch noch festgestellt werden, daß der Kläger unter der Bezeichnung der Ltd aufgetreten ist, um sich dadurch steuerliche und haftungsrechtliche Vorteile zu verschaffen. Die insoweit nicht ausreichend begründete Vorentscheidung war wegen dieses Mangels (§ 96 Abs.1 Satz 3 FGO) aufzuheben (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142) und die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

3. Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art.177 Abs.2 EWGV kommt nicht in Betracht. Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, ob und in welchem Umfang das Gemeinschaftsrecht auf die Beurteilung der Rechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen einwirkt, stellt sich nicht. Andere Vorlagefragen sind nicht vorhanden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 66

BStBl II 1994, 671

BFHE 174, 469

BFHE 1995, 469

BB 1994, 1557

BB 1994, 1557 (L)

DB 1994, 1759-1760 (LT)

DStR 1994, 1151 (K)

DStZ 1994, 602-603 (KT)

HFR 1994, 672-673 (LT)

StE 1994, 460 (K)

WPg 1994, 698 (L)

StRK, R.57 (LT)

Information StW 1994, 637 (KT)

BuW 1994, 564 (K)

UStR 1995, 94-96 (KT)

RIW/AWD 1994, 803-804 (KT)

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