Leitsatz (amtlich)

Bei dem Erlaß von Vermögensabgabe wegen Vermögensverfalls besteht in einem späteren Erlaßzeitraum keine Bindung an unrichtige Zu- und Abrechnungen beim Restvermögen in einem früheren Erlaßzeitraum. Soweit aus dem BFH-Urteil III 299/61 U vom 18. Dezember 1964 (BFH 81, 666, BStBl III 1965, 239) etwas anderes herausgelesen werden könnte, würde der Senat daran nicht mehr festhalten.

 

Normenkette

LAG § 203 Abs. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin ist zusammen mit ihrem im Jahre 1956 verstorbenen Ehemann, dessen Alleinerbin sie ist, zur Vermögensabgabe veranlagt worden. Als gesamtes der Abgabe unterliegendes Vermögen wurden 120 900 DM angesetzt. Die verbleibende Abgabeschuld wurde auf 55 010 DM und der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag auf 880,15 DM festgesetzt. Für den Erlaßzeitraum 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1959 waren der Klägerin die Vierteljahrsbeträge voll erlassen worden, weil sich zum 1. Januar 1957 ein Vermögensverlust von 52,4 v. H., zum 31. Dezember 1959 ein Vermögensverlust von 99,6 v. H. ergaben. Bei der Berechnung des Restvermögens waren dabei am 1. Januar 1957 Zurechnungen in Höhe von 66 706 DM und am 31. Dezember 1959 Zurechnungen von 58 636 DM vorgenommen worden. Am 31. Dezember 1959 wurden u. a. für ein in den Jahren 1954, 1955, 1956 errichtetes Wohngebäude und für ein in den Jahren 1949 und 1952 errichtetes Betriebsgebäude Zurechnungen gemacht. Diese wurden in der Weise errechnet, daß von den Herstellungskosten zunächst die normale Absetzung für Abnutzung (AfA) und dann von dem verbleibenden Wert der Einheitswert dieser Grundstücke abgezogen wurden. Er ergaben sich danach folgende Berechnungen:

a) beim Wohngebäude:

Herstellungsaufwand 36 428 DM

./. AfA 1 820 DM

34 608 DM

./. Einheitswert 11 600 DM

Zurechnung 23 008 DM

b) bei den Betriebsgebäuden:

Herstellungskosten 86 339 DM

./. AfA 26 427 DM

59 912 DM

./. Einheitswert 40 100 DM

Zurechnung 19 812 DM

Für den Erlaßzeitraum 1. Januar 1960 bis 31. Dezember 1962 wurde nur ein Erlaß der Vierteljahrsbeträge in Höhe von 14 v. H. ausgesprochen, weil sich nach der Berechnung des FA am 31. Dezember 1962 nur ein Vermögensverlust von 42 v. H. ergab. Bei der Berechnung des Restvermögens änderte das FA hinsichtlich der beiden oben genannten Zurechnungsbeträge seine Auffassung dahin, daß es den Abzug der normalen AfA von den Herstellungskosten nicht mehr für zulässig hielt, so daß sich bei dem Wohngebäude eine Zurechnung von 24 828 DM und bei den Betriebsgebäuden eine Zurechnung von 46 239 DM ergaben.

Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Es könne der Klägerin nicht darin gefolgt werden, daß bei Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die zum Betriebsvermögen gehören, Zurechnungsbeträge nicht in Betracht kämen. Zwar hätte ein solcher Schluß aus Tz. 3 des BdF-Erlasses vom 21. Januar 1957 (BStBl I 1957, 126) gezogen werden können. Diese Verwaltungsanordnung sei jedoch durch den Runderlaß vom 12. Dezember 1957 (BStBl I 1957, 590) noch vor Beginn des hier in Betracht kommenden Erlaßzeitraums geändert worden. Nach dieser Neufassung sei eine Zurechnung auch beim Betriebsvermögen möglich, wenn sich beim Ansatz des Einheitswerts ein Vermögensverlust ergebe, der wirtschaftlich offenbar nicht eingetreten sei. Es sei auch nicht zu beanstanden, daß das FA von den Herstellungskosten des Wohngebäudes und zweier der errichteten Betriebsgebäude nicht die normale AfA abgezogen habe; denn der gemeine Wert dieser Gebäude liege wesentlich höher, als der einkommensteuerliche Restwert. Anders sei es allerdings bei dem dritten errichteten Betriebsgebäude, einer Halle, die, wie sich bei der Ortsbesichtigung ergeben habe, von einer einfachen Holzkonstruktion getragen werde, durch Bretter mit Dachpappenbelag abgedeckt sei und deren Seitenwände aus gesäumten Brettern beständen. Die Kammer schätze den Zeitwert dieser Halle zum 31. Dezember 1962 auf 10 000 DM, so daß bei den Herstellungskosten von 15 339 DM der darüber hinausgehende Betrag von 5 339 DM abgezogen werden könne. Danach ergebe sich ein Restvermögen von 64 444 DM und ein Vermögensverfall von 46 v. H., so daß 22 v. H. der Vierteljahrsbeträge im Erlaßzeitraum 1. Januar 1960 bis 31. Dezember 1962 zu erlassen seien. Der BFH habe im Urteil III 299/61 U vom 18. Dezember 1964 (BFH 81, 666, BStBl III 1965, 239) den Grundsatz aufgestellt, daß in einem späteren Erlaßzeitraum nur jeweils diejenigen Ereignisse berücksichtigt werden könnten, die in einem vorangegangenen Erlaßzeitraum geltend gemacht und anerkannt worden seien, und außerdem diejenigen, einen weiteren Vermögensrückgang verursachenden Vorgänge, die sich im zweiten Erlaßzeitraum erstmals ereignet hätten. Diese Entscheidung könne wohl nur dahin aufgefaßt werden, daß über die Frage, ob und inwieweit in einem früheren Erlaßzeitraum ein Verlust eingetreten sei, durch die diesen Erlaßzeitraum betreffende Erlaßverfügung bindend auch mit Wirkung für die späteren Erlaßzeiträume entschieden werde, und zwar sowohl zum Nachteil als auch zum Vorteil des Abgabepflichtigen. Die Kammer halte diese Grundsätze nicht für zutreffend. Sie stünden im Widerspruch zu den allgemeinen Grundsätzen des Abgabenrechts. Aus den vom BdF erlassenen Verwaltungsanordnungen zu § 203 Abs. 5 LAG ergebe sich auch nicht, daß sich die Finanzverwaltung in dieser Weise auch für die Zukunft habe binden wollen. Es ergebe sich im Gegenteil aus dem ganzen Aufbau der Verwaltungsanordnung, daß keine solche Bindung bestehen könne.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Tz. 27 der neuen Verwaltungsanordnung vom 19. November 1963 (BStBl I 1963, 798) gelte nach Tz. 80 dieser Verwaltungsanordnung für alle nach dem 31. Dezember 1963 beginnenden Erlaßzeiträume, nicht aber für den Erlaßzeitraum 1. Januar 1960 bis 31. Dezember 1962. Für diesen Erlaßzeitraum gelte noch der Erlaß des BdF vom 21. Januar 1957, nach dem Zu- und Abrechnungen beim Betriebsvermögen nicht vorzunehmen seien. Das ergebe sich auch aus Tz. 19 der Verwaltungsanordnung vom 19. Juli 1954 (BStBl I 1954, 380). Wenn man aber Zurechnungen beim Betriebsvermögen doch für zulässig halte, so kämen nur Zurechnungen bis zur Höhe des Steuerbilanzwerts in Betracht. Die Auffassung des FG, es sei wirtschaftlich kein Vermögensverlust eingetreten, sei falsch, wie anhand der Entwicklung des Schuldenstandes, der Kapitalkonten und des Betriebsvermögens nachgewiesen werden könne. Schließlich sei hier das BFH-Urteil III 299/61 U (a. a. O.) zu beachten, das mit Tz. 29 der neuen Verwaltungsanordnung vom 19. November 1963 übereinstimme. Denn auch dort sei angeordnet, daß eine einmal vorgenommene Zurechnung in allen späteren Erlaßzeiträumen grundsätzlich unverändert zu wiederholen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß Vermögensumschichtungen, die zu einem rein rechnerischen Vermögensverlust führen, beim Betriebsvermögen durch Zurechnungen beim Restvermögen zu berücksichtigen sind, wenn der Vermögensverlust wirtschaftlich offensichtlich nicht eingetreten ist. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht auf Tz. 3 Abs. 2 des BdF-Erlasses vom 21. Januar 1957 (a. a. O.). Es ist zwar einzuräumen, daß die ursprüngliche Fassung dieser Tz. dahin verstanden werden kann, daß Zu- und Abrechnungen zum Einheitswert des Betriebsvermögens grundsätzlich nicht vorgenommen werden sollten. Das FG weist jedoch zutreffend darauf hin, daß nach der Neufassung dieser Tz. durch den BdF-Erlaß vom 12. Dezember 1957 (a. a. O.) diese Zweifel behoben sind. Im übrigen war auch schon in Tz. 22/23 der Verwaltungsanordnung des BdF vom 19. Juli 1954 (a. a. O.) bei Vermögensumschichtungen eine Zurechnung zum Restvermögen für alle Vermögensarten, also auch für das Betriebsvermögen, angeordnet. Das FG hat zu Recht im Streitfall das Vorliegen eines nur rechnerischen Vermögensverlustes bejaht. Wenn sich nach Vornahme der Zurechnung zum Restvermögen tatsächlich kein Vermögensverlust ergibt, so ist damit erwiesen, daß wirtschaftlich offensichtlich kein Vermögensverlust eingetreten ist. Daran kann auch der Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Schuldenstandes der Kapitalkonten und des Betriebsvermögens nichts ändern. Wäre wirtschaftlich tatsächlich ein Vermögensverlust eingetreten, so müßte sich dieser auch nach Vornahme der Zurechnung zum Restvermögen ergeben.

2. Das FG hat, nachdem es eine Ortsbesichtigung vorgenommen hatte, festgestellt, daß bei dem starken Anstieg der Baukosten die Marktpreise für die massiven Gebäude, die in den Jahren 1949 bis 1956 errichtet worden sind, trotz des inzwischen eingetretenen Verschleißes über den Herstellungskosten liegen, und zwar sowohl bei dem Wohngebäude, als auch bei zweien der errichteten Betriebsgebäude. An diese Feststellung, die im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegt, ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Die Klägerin hat gegen sie keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG auf Grund seiner Feststellungen auf Grund der örtlichen Besichtigung beim dritten Betriebsgebäude zu der Auffassung gekommen ist, daß der Zeitwert um 5 339 DM unter den Herstellungskosten liegt.

3. Das FG hat sich schließlich im Ergebnis zu Recht nicht durch das BFH-Urteil III 299/61 U (a. a. O.) daran gehindert gesehen, die falsche Berechnung der Zurechnungsbeträge im ersten Erlaßzeitraum bei der Berechnung des Restvermögens im zweiten Erlaßzeitraum richtigzustellen. Seine Auffassung, daß nach diesem Urteil für den zweiten Erlaßzeitraum auch eine Bindung an unrichtige Berechnungen der Zu- und Abschläge bestehe, trifft allerdings in dieser Form nicht zu. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Streitfall hatte der BFH darüber zu entscheiden, ob im zweiten Erlaßzeitraum die Berücksichtigung eines bei der Veräußerung erzielten Mehrerlöses möglich war, obwohl diese Veräußerung bereits im ersten Erlaßzeitraum vorgenommen, vom Abgabepflichtigen aber nicht geltend gemacht und deshalb auch nicht in der Erlaßverfügung über diesen Erlaßzeitraum berücksichtigt worden war. Diese Frage hat der BFH verneint. Nur im Zusammenhang mit dieser damals zu entscheidenden Frage können die Ausführungen in Abschn. V a des Urteils verstanden werden. Soweit aus diesen Ausführungen herausgelesen werden könnte, daß in einem späteren Erlaßzeitraum auch eine Bindung an unrichtige Berechnungen der Zu- und Abrechnungen zum Restvermögen in einer einen früheren Erlaßzeitraum betreffenden Erlaßverfügung bestehe, würde der Senat daran nicht mehr festhalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68812

BStBl II 1970, 28

BFHE 1970, 136

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