Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuertarif, wenn in ausländischen Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen ein Veräußerungsgewinn enthalten ist

 

Leitsatz (amtlich)

Ist in ausländischen Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr ein Veräußerungsgewinn enthalten, so kann weder der auf die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs.1 EStG weiter reduziert werden noch kann der ermäßigte Steuersatz auf andere Teile der Gesamteinkünfte übertragen werden.

 

Orientierungssatz

Im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977 ist auch festzustellen, ob und inwieweit die Einkünfte nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigt sind (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.1985 IV R 61/83). Dazu gehören auch Feststellungen, ob die gewerblichen Einkünfte ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 4 EStG enthalten. Die Feststellung, daß Einkünfte, die aus einem Veräußerungsgewinn resultieren, zugleich zu den ausländischen Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gehören, kommt allerdings nicht in Betracht, wenn an der Personengesellschaft, für die die Feststellung zu treffen ist, lediglich natürliche Personen beteiligt sind. Ist dagegen an einer Personengesellschaft, die ausländische Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt, eine körperschaftsteuerpflichtige Person beteiligt, so könnten Einkünfte im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung auch dann als gemäß § 34c Abs. 4 EStG begünstigt festzustellen sein, wenn sie zugleich aus einer Veräußerung i.S. des § 16 EStG herrühren.

 

Normenkette

EStG §§ 16, 34 Abs. 1-2, § 34c Abs. 4; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 04.04.1989; Aktenzeichen VII 64/86)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG in Liquidation, betrieb mit ihrem einzigen Schiff MS "X" Handelsschiffahrt im internationalen Verkehr i.S. von § 34c Abs.4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Gesellschafter sind der Liquidator und 26 natürliche Personen als Kommanditisten. Im Oktober des Streitjahres verkaufte die Klägerin das Schiff und stellte ihre werbende Tätigkeit ein. Sie erklärte für dieses Jahr einen laufenden Verlust und einen Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr auf … DM fest, darin enthalten ein Veräußerungsgewinn in Höhe von … DM sowie ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG in Höhe von … DM, und verteilte diese Beträge auf die einzelnen Gesellschafter.

Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der sie begehrte, auch den Veräußerungsgewinn als ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG festzustellen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Entscheidungsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 512 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und muß daher zurückgewiesen werden (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Dem FG ist darin zu folgen, daß es das FA zu Recht abgelehnt hat, 80 v.H. des Veräußerungsgewinns als ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG festzustellen.

1. Es kann dahinstehen, ob die Veräußerung eines Handelsschiffes, die zur Einstellung des gesamten Schiffahrtsbetriebs eines Unternehmens führt, überhaupt von der Vergünstigung des § 34c Abs.4 EStG erfaßt wird (verneinend: Urteil des FG Bremen vom 30.Januar 1985 I 210/83 K, rechtskräftig, EFG 1985, 395). Jedenfalls kommt der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs.1 EStG nur einmal zur Anwendung, wenn man zu den ausländischen Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auch den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des einzigen Handelsschiffes eines Unternehmens zählen würde. Sowohl § 16 i.V.m. § 34 Abs.1 und 2 als auch § 34c Abs.4 EStG enthalten Tarifermäßigungen, die ―insofern gleichlautend― dasselbe Ziel verfolgen, nämlich einen ermäßigten Steuersatz zu gewähren. Diese Ermäßigung ist für beide Vorschriften gleichlautend definiert in § 34 Abs.1 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG: Der ermäßigte Steuersatz beträgt die Hälfte des Normalsatzes. Eine weitere Absenkung sieht das Gesetz nicht vor; denn der halbe Steuersatz, gleichgültig ob er aus einem oder aus zwei Gründen in Anspruch genommen werden kann, ist stets auf der Grundlage des tariflichen Steuersatzes zu berechnen. Es besteht somit ―unterstellt, daß der Veräußerungsgewinn überhaupt von § 34c Abs.4 EStG erfaßt wird― eine Tarifermäßigungskonkurrenz. Sie ist in der Weise aufzulösen, daß die weitergreifende Ermäßigungsvorschrift vorgeht. Das wäre im Streitfall § 34 Abs.1 und 2 i.V.m. § 16 EStG. Nach diesen Vorschriften wird nämlich, worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, der gesamte Veräußerungsgewinn, sofern er überhaupt die Freibeträge des § 16 Abs.4 EStG übersteigt, ermäßigt besteuert, wohingegen nach § 34c Abs.4 EStG nur 80 v.H. dieses Gewinnes tarifbegünstigt wären.

Aus dem vorstehend Ausgeführten folgt zum einen, daß bei Zusammentreffen der Voraussetzungen des § 16 und des § 34c Abs.4 EStG der auf die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs.1 EStG nicht noch weiter auf einen "Viertelsteuersatz" reduziert werden kann (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5.Dezember 1984 I R 77/80, BFHE 142, 481, BStBl II 1985, 210). Zum anderen kann der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs.1 EStG auch nicht auf andere Teile der Gesamteinkünfte übertragen werden, wenn die ausländischen Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG zugleich als Veräußerungsgewinn zu qualifizieren sind. Nach § 34c Abs.4 EStG ist nur diejenige Einkommensteuer nach dem ermäßigten Steuersatz zu bemessen, die auf ausländische Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt. Nur diese Einkünfte sind somit mögliche Grundlage für den ermäßigten Steuersatz.

Sind diese Einkünfte bereits aus einem anderen Grund nach dem (nämlichen) begünstigten Steuersatz zu bemessen, ist nicht etwa die Steuer, die auf andere Einkünfte (in Höhe der genannten ausländischen Einkünfte) entfällt, ebenfalls zu ermäßigen. Der Gesetzgeber hat im Falle des § 34c Abs.4 EStG die Vergünstigung in der Weise eingeräumt, daß sie nur dann eingreift, wenn nicht bereits aus anderen Gründen eine Steuerermäßigung zum Zuge kommt (BFH-Urteil in BFHE 142, 481, BStBl II 1985, 210).

Gegen dieses Ergebnis, das sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 34c Abs.4 im EStG ergibt, kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, es laufe dem Gesetzeszweck zuwider. Allerdings ist es richtig, daß vielfach der Gewinn bei der Veräußerung von Schiffen dadurch entstanden ist, daß Abschreibungen auf den Schiffswert in Anspruch genommen worden sind. Diese Abschreibungen können das Entstehen laufender Gewinne verhindert haben, so daß die Steuervergünstigung nach § 34c Abs.4 EStG zur Zeit des aktiven Schiffahrtsbetriebes nicht in Anspruch genommen werden konnte. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, die Vorschrift könne ihr Ziel, das Betreiben von Schiffen unter deutscher Flagge zu fördern, nur dann erreichen, wenn ein Veräußerungsgewinn im Ergebnis doppelt begünstigt werde. Die Konkurrenz zwischen der Begünstigung als Veräußerungsgewinn und als ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG kann nur dann eintreten, wenn ein Betrieb oder Teilbetrieb veräußert wurde. Das ist nicht notwendigerweise bereits dann der Fall, wenn ein Schiffahrtsunternehmen ein einzelnes Schiff veräußert und damit stille Reserven, die während dessen Betriebszeit durch Abschreibungen entstanden sind, aufdeckt.

2. Nach den vorstehenden Erwägungen war das FA nicht verpflichtet, den streitigen Veräußerungsgewinn als ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG festzustellen.

Allerdings ist im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs.1 Nr.2 a der Abgabenordnung (AO 1977) auch festzustellen, ob und inwieweit die Einkünfte nach § 34 Abs.1 und 2 EStG tarifbegünstigt sind (BFH-Urteil vom 11.Juli 1985 IV R 61/83, BFHE 144, 151, BStBl II 1985, 577 zu § 34 Abs.4 EStG). Dazu gehören auch Feststellungen, ob die gewerblichen Einkünfte ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs.4 EStG enthalten (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5.April 1976 IV B 2 - S 2293 - 6/76, BStBl I 1976, 261). Das FG hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, daß nur solche Merkmale in die einheitliche und gesonderte Feststellung einzubeziehen sind, die für die Besteuerung der Beteiligten Bedeutung haben.

Daher kommt wegen des Vorrangs der Tarifermäßigung nach § 34 Abs.1 und 2 i.V.m. § 16 EStG (siehe oben unter 1.) die Feststellung, daß Einkünfte, die aus einem Veräußerungsgewinn resultieren, zugleich zu den ausländischen Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gehören, nicht in Betracht, wenn an der Personengesellschaft, für die die Feststellung zu treffen ist, lediglich natürliche Personen beteiligt sind. Ist dagegen an einer Personengesellschaft, die ausländische Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt, eine körperschaftsteuerpflichtige Person beteiligt, so könnten Einkünfte im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung auch dann als gemäß § 34c Abs.4 EStG begünstigt festzustellen sein, wenn sie zugleich aus einer Veräußerung i.S. des § 16 EStG herrühren. So wäre jedenfalls zu verfahren, wenn ―wie eingangs unterstellt― ein Veräußerungsgewinn überhaupt von § 34c Abs.4 EStG erfaßt wird. Denn eine körperschaftsteuerpflichtige Person kann die Tarifermäßigung gemäß §§ 16, 34 Abs.1 und 2 EStG nicht in Anspruch nehmen (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 9.Aufl., § 34 Anm.9), wohl aber die des § 34c Abs.4 EStG (§ 26 Nr.6 des Körperschaftsteuergesetzes).

Im Streitfall besteht jedoch kein Anhaltspunkt dafür, daß körperschaftsteuerpflichtige Personen an der Klägerin beteiligt sind. Bei den unmittelbar Beteiligten handelt es sich nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG um natürliche Personen. Eine mittelbare Beteiligung körperschaftsteuerpflichtiger Personen wird von der Klägerin weder behauptet noch gibt es für sie irgendwelche Anzeichen. Stichhaltig ist auch nicht der Einwand der Klägerin, das Bestehen solcher mittelbarer Beteiligungen könne nie ausgeschlossen werden. Soll eine Unterbeteiligung nicht offenbart werden, so wird für das Unterbeteiligungsverhältnis regelmäßig eine besondere gesonderte Feststellung i.S. des § 179 Abs.2 Satz 2 AO 1977 durchgeführt. Für sie ist nach § 18 Abs.1 Nr.2 AO 1977 ebenfalls das Betriebsfinanzamt zuständig. Dieses Finanzamt weiß demnach, ob Unterbeteiligungen bestehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich ―wie im Streitfall― unter den Hauptbeteiligten keine Personenhandelsgesellschaft befindet.

Sollte sich erst später herausstellen, daß entgegen der ursprünglichen Annahme des Betriebsfinanzamts gleichwohl eine körperschaftsteuerpflichtige Person mittelbar an den ausländischen Einkünften i.S. des § 34c Abs.4 EStG beteiligt ist, so läßt sich die erforderliche Feststellung durch Erlaß eines Ergänzungsbescheides in dem die Hauptbeteiligten betreffenden Feststellungsverfahren nachholen (§ 179 Abs.3 AO 1977).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63945

BFH/NV 1991, 43

BStBl II 1991, 455

BFHE 163, 554

BFHE 1991, 554

BB 1991, 968 (L)

DB 1991, 1553 (L)

DStR 1991, 743 (KT)

HFR 1991, 481 (LT)

StE 1991, 182 (K)

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