Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz der Kostenmiete beim Nutzungswert der Wohnung in besonders aufwendigem Zweifamilienhaus - Zurechnung des Nutzungswerts unentgeltlich überlassener Einliegerwohnung

 

Leitsatz (NV)

1. Der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus, das besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist, wird anhand der Kostenmiete geschätzt, wenn eine für vergleichbare Wohnungen erzielbare Miete nicht feststellbar ist oder die Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde. Letzteres ist anzunehmen, falls die Herstellungskosten des Gebäudes verhältnismäßig hoch sind und die Voraussetzungen für eine Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorliegen (Anschluß an BFH-Urteil vom 21. 1. 1986 IX R 7/79, BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 unter teilweiser Abweichung vom BFH-Urteil vom 30. 4. 1985 - IX R 72/84, BFH/NV 1986, 152).

2. Wird die Einliegerwohnung im eigenen Zweifamilienhaus unentgeltlich an einen - volljährigen - Angehörigen überlassen, so ist diesem der Nutzungswert der Wohnung zuzurechnen, wenn er die Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition innehat. Hierfür genügt ein Leihvertrag für eine von vornherein festgelegte Zeit. Eine besondere Form ist für die Vereinbarung - abweichend vom BdF-Schreiben vom 15. 11. 1984 IV B 1 - S 2253-139/84, BStBl I 1984, 561, Tz. 53 - nicht erforderlich (Anschluß an BFH-Urteil vom 29. 11. 1983 VIII R 184/83, BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 361).

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger - Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden - haben vier Kinder. Ihnen gehört ein 1973 mit Herstellungskosten von rund 760 000 DM errichtetes Zweifamilienhaus in X auf einem ca. 2 000 qm großen Grundstück. Die seit Dezember 1973 selbstgenutzte Hauptwohnung hat eine Wohnfläche von 210 qm; die Wohnfläche der seit April 1974 an die Mutter des Klägers unentgeltlich überlassenen Einliegerwohnung beträgt 54 qm.

Zur Hauptwohnung gehört ein Schwimmbad mit einer Sauna (Gesamtfläche 84 qm).

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1973 setzten die Kläger den Wert der eigengenutzten Wohnung mit null DM an und ermittelten infolgedessen einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von ca. 26 000 DM. In der Einkommensteuererklärung 1974 errechneten sie in Anlehnung an eine Marktmiete von 6 DM je Quadratmeter einen Mietwert von 18 000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging dagegen von der Kostenmiete aus und gelangte für das Streitjahr 1973 zu einem Mietwert von 4 000 DM sowie für das Streitjahr 1974 von rd. 60 000 DM. Nach Abzug der unstreitigen Werbungskosten ergab sich für 1973 ein Werbungskostenüberschuß von rd. 23 000 DM und für 1974 von ca. 10 000 DM. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage im wesentlichen statt, nachdem es zwei Gutachten zur Höhe der Marktmiete eingeholt hatte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob der Rohmietwert der Wohnung der Kläger anhand der Kostenmiete zu ermitteln ist.

Der gemäß § 21 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach ständiger Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, in der Weise zu ermitteln, daß einem zu schätzenden Rohmietwert die nachgewiesenen Werbungskosten gegenübergestellt werden.

Der Rohmietwert ist grundsätzlich anhand der am Wohnungsmarkt für vergleichbare Objekte erzielbaren Miete, der sog. Marktmiete, zu ermitteln, wie der BFH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. z. B. das Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 17/82, BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368).

Der Ansatz der sog. Kostenmiete kommt nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung in Betracht, wenn sich eine Marktmiete nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellen läßt.

Ferner hat der erkennende Senat mit dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom gleichen Tage IX R 7/79 ausgesprochen, daß die Kostenmiete auch dann anzusetzen ist, falls die Marktmiete nicht dem besonderen Wohnwert der selbstgenutzten Wohnung Rechnung trägt. Ist das Gebäude besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet, beruht dies regelmäßig nur auf der beabsichtigten und durchgeführten Selbstnutzung. Solche Gebäude werden nur ausnahmsweise und praktisch nie kostendeckend vermietet. Der Ansatz der am Wohnungsmarkt für vergleichbare Objekte höchstens erzielbaren Miete entspricht dann nicht dem Gebrauchswert der selbstgenutzten Wohnung.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Denn dem FG-Urteil lassen sich keine hinreichenden Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage entnehmen, ob das Zweifamilienhaus der Kläger besonders gestaltet oder ausgestattet ist, so daß die erzielbare Miete dem höheren Gebrauchswert der Wohnung nicht gerecht werden könnte. Zur Nachholung dieser Feststellungen geht die nicht spruchreife Sache an das FG zurück.

Das FG wird zweckmäßigerweise die das Wohngrundstück der Kläger betreffenden Einheitswertakten beiziehen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Bei einer erneuten Entscheidung ist das FG an einen Einheitswertbescheid, auch wenn er bestandskräftig wurde, nicht gebunden.

Da die Vorentscheidung schon aus dem vorstehend genannten Grunde aufzuheben war, bedarf es keiner Stellungnahme zu der weiteren Revisionsrüge des FA, ob das FG die für vergleichbare Mietobjekte erzielbare Miete zutreffend ermittelt hat.

2. Die Vorentscheidung enthält ferner keine tatsächlichen Feststellungen zu der Rechtsfolge, daß den Klägern der Nutzungswert der an die Mutter der Klägerin unentgeltlich überlassenen Einliegerwohnung zuzurechnen ist. Wie der BFH in den Urteilen vom 29. November 1983 VIII R 215/79 (BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366) und VIII R 184/83 (BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist der Nutzungswert einer unentgeltlich überlassenen Wohnung dem Nutzenden zuzurechnen, wenn er die Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition innehat. Das trifft dann zu, wenn der Eigentümer dem Nutzenden den Gebrauch für eine festgelegte Zeit nicht entziehen kann. Das FG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen nachholen und prüfen, ob zwischen den Klägern und der Mutter der Klägerin eine Vereinbarung getroffen war, die der Mutter den Gebrauch der Einliegerwohnung für eine von vornherein festgelegte Zeit sicherte. Eine besondere Form ist für die Vereinbarung eines Leihverhältnisses nicht erforderlich (vgl. Urteil in BFHE 140, 203, 207, BStBl II 1984, 371, 373, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs in BGHZ 82, 354). Soweit der BMF im Schreiben vom 15. November 1984 IV B 1 - S 2253-139/84 (BStBl I 1984, 561, Tz. 53) die Auffassung vertritt, ein unentgeltlich begründetes Nutzungsrecht könne ,,regelmäßig" nur anerkannt werden, wenn der Überlassungsvertrag schriftlich abgeschlossen worden sei, handelt es sich um eine Verwaltungsanweisung, die für die Gerichte nicht bindend ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414350

BFH/NV 1986, 456

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