Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichstellungsgelder sind auch beim Erwerb vom Vorerben Anschaffungskosten

 

Leitsatz (NV)

Überträgt die Mutter als Vorerbin (nach dem Vater) ein zur Vorerbschaft gehörendes Grundstück an einen von mehreren Nacherben (Abkömmlingen) und verpflichtet sich dieser, an die anderen Nacherben als Entgelt für deren Zustimmung Gleichstellungsgelder zu zahlen, so sind diese Gelder Anschaffungskosten.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4, § 12; EStDV § 11d Abs. 1; BGB § 2113

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger erzielt u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines 2-Familien-Haus-Grundstücks. Eigentümerin dieses Grundstücks war seine Mutter als Vorerbin nach dem Vater des Klägers; Nacherben waren der Kläger und seine Geschwister. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8. Juni 1977 übertrug die Mutter des Klägers diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge das Grundstück zu Alleineigentum. Die übrigen Nacherben stimmten der Löschung des Nacherbenvermerks zu und bewilligten diese. Der Kläger übernahm eine Sicherungshypothek einschließlich der zugrunde liegenden Verbindlichkeiten, die noch ca. . . . DM betrugen. Außerdem verpflichtete er sich, an seine Geschwister die folgenden Gleichstellungsgelder zu zahlen: . . .

In seiner Einkommensteuererklärung für 1977 machte der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging von einem unentgeltlichen Erwerb des Grundstücks aus. Das FA gewährte dem Kläger gemäß § 11d der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) die der Mutter zustehenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 178 DM (= 2 % aus 15 230 DM anteilig für sieben Monate). Es berücksichtigte außerdem die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten.

Mit der Klage begehrte der Kläger die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG in Höhe von 5 % aus . . . DM. Er berechnete die Anschaffungskosten des Grundstücks unter Einbeziehung der Gleichstellungsgelder.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, der Kläger habe das Grundstück unentgeltlich erworben. Bei den Abfindungszahlungen handle es sich um Auflagen. Dem Kläger ständen nur die AfA zu, die seine Mutter als Rechtsvorgängerin gehabt habe (§ 11d EStDV).

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß Verletzung des § 7b EStG. Ihm seien für den Erwerb des Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Anschaffungskosten entstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Soweit der Kläger allerdings den Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung begehrt, kann die Revision keinen Erfolg haben; denn das FA hat diese Aufwendungen bereits im Einkommensteuerbescheid 1977 berücksichtigt.

Zur Unrecht hat das FG den Erwerb des Grundstücks durch den Kläger als voll unentgeltlich beurteilt. Der Vertrag vom 8. Juni 1977 enthält eine vorweggenommene Erbfolgeregelung, in deren Rahmen die Geschwister des Klägers als Nacherben auf ihr Anwartschaftsrecht auf das Grundstück verzichtet haben. Der Senat kann offenlassen, ob Leistungen des Klägers für diesen Verzicht bürgerlich-rechtlich als Auflagen zu werten sind. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juni 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der vorweggenommenen Erbfolgeregelung nicht an die bürgerlich-rechtliche Wertung anzuknüpfen. Maßgebend ist vielmehr, ob der Übernehmer Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks zu erbringen hat. Sagt der Übernehmer Ausgleichszahlungen an Geschwister zu und übernimmt er Verbindlichkeiten, so ist die Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der Gleichstellungsgelder und der übernommenen Verbindlichkeiten hat der Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats im genannten Beschluß unter C.II.2. und 3.

Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Dem Kläger sind für den Erwerb des Grundstücks Anschaffungskosten entstanden, für die er, soweit sie auf das Gebäude entfallen (vgl. zur Aufteilung BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252, mit weiteren Hinweisen), erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG vornehmen kann.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zu den vom Kläger als Anschaffungskosten geltend gemachten früheren Zahlungen an X und die zusätzliche Zahlung an Y getroffen. Nur wenn es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die der Kläger erbracht hat, um das Grundstück zu erwerben, sind diese Aufwendungen den Anschaffungskosten zuzurechnen. Da es sich um einen teilentgeltlichen Erwerb handelt, hat der Kläger die AfA der Rechtsvorgängerin in dem Umfang fortzuführen, in dem er das Grundstück unentgeltlich erworben hat (§ 11d EStDV). Auch insoweit fehlen Feststellungen des FG. Die Sache wird zur Nachholung der fehlenden Feststellungen an das FG zurückverwiesen. Der Senat weist für die erneute Entscheidung darauf hin, daß die Notariatsgebühren nicht entsprechend dem entgeltlichen und unentgeltlichen Erwerb aufzuteilen, vielmehr in voller Höhe Anschaffungskosten sind, da sie anfallen, um das Grundstück von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63011

BFH/NV 1991, 449

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