Leitsatz (amtlich)

1. eine doppelte Haushaltsführung im Zeitpunkt der Eheschließung nicht aus beruflichen Gründen entstanden ist, wenn nur ein Ehegatte berufstätig ist, beide Eheleute ihre bisherigen Wohnungen an getrennten Orten auch nach der Eheschließung beibehalten und die Eheleute die Wohnung im eigenen Einfamilienhaus des nichtberufstätigen Ehegatten zur Familienwohnung bestimmen.

2. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG auch gegeben sein können, wenn ein Arbeitnehmer zwei Wohnungen hat, von denen er sich abwechselnd zur Arbeitsstätte begibt.

3. Kosten für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung aber nur dann nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt werden können, wenn diese Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers darstellt und wenn sie nicht so weit von der Arbeitsstätte entfernt liegt, daß ein Arbeitnehmer es bei dem von ihm regelmäßig benutzten Beförderungsmittel arbeitstäglich auf die Dauer nicht auf sich nehmen würde, am selben Tag zur Arbeitsstätte hin und zurück zu fahren, um seiner Arbeit am Beschäftigungsort nachgehen zu können.

 

Normenkette

EStG 1975 § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nrn. 4-5

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) haben im Jahr 1975 geheiratet. Der im Streitjahr 1976 nicht mehr berufstätige Kläger bewohnte ein in O gelegenes eigenes Einfamilienhaus. Die Klägerin war als Verwaltungsinspektorin in M tätig, wo sie eine rd. 56 qm große Mietwohnung bewohnte. Die Kläger begründeten nach der Heirat ihren gemeinsamen Familienwohnsitz in O. Sie machten in der Einkommensteuererklärung 1976 bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung geltend, und zwar Kosten für 24 Fahrten mit der Bundesbahn von O nach M und zurück, sowie Aufwendungen für die Zimmermiete in M und und Mehraufwendungen für Verpflegung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ließ diese Ausgaben nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Kläger nur noch den Abzug der vorgenannten Fahrtkosten als Werbungskosten begehrten, teilweise statt. Es führte u. a. aus:

Die Ausgaben seien als Aufwendungen für Familienheimfahrten wegen einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine berufliche Veranlassung bei der Entstehung einer doppelten Haushaltsführung zu bejahen, wenn ein doppelter Haushalt anläßlich der Eheschließung begründet werde, falls beide Eheleute an verschiedenen Orten wohnten, arbeiteten und das bisherige Arbeitsverhältnis dort fortsetzten. Die Klägerin habe im Streitfall in M gewohnt und gearbeitet, während ihr Ehemann weiterhin in O gelebt habe. Der Kläger habe zwar nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Er habe aber andere ortsgebundene Einkünfte, und zwar solche aus Vermietung und Verpachtung, erzielt. Diese Einkünfte habe er nicht kurzfristig ohne Einbuße oder Erschwerung wechseln können. Die privaten Gründe für die Wahl des Familienwohnsitzes seien daher von der beruflichen Tätigkeit beider Eheleute überlagert gewesen. Dem Kläger habe unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht zugemutet werden können, sein Haus in O aufzugeben bzw. zu vermieten und nach M umzuziehen.

Lägen die Voraussetzungen einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung im Streitfall aber nicht vor, so müßten die Fahrtkosten zumindest als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH könne ein Arbeitnehmer, der mehrere Wohnungen habe, von denen aus er sich abwechselnd zu seiner Arbeitsstelle begebe, Aufwendungen auch für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung zur Arbeitsstätte als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG absetzen, wenn diese Wohnung den örtlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen darstelle. Dieser Mittelpunkt befinde sich bei verheirateten Arbeitnehmern im allgemeinen, so auch im Streitfall, am Familienwohnsitz. Nach Auffassung des BFH müßten allerdings die Hin- und Rückfahrt vom Zeitaufwand her mit dem vom Arbeitnehmer benutzten Beförderungsmittel an einem Arbeitstag möglich sein.

Auch diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Entfernung O nach M betrage rd. 300 km. Unter Berücksichtigung der Bahnverbindung und eines Zeitaufwandes von täglich ca. 7 Stunden sei bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes die Annahme täglicher Fahrten noch vertretbar.

Die vom FA anerkannten Aufwendungen für Fahrten in M zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 248,40 DM (230 Tage x 3 km x 0,36 DM) seien allerdings auf einen Betrag von 173 DM zu mindern, da solche Fahrten nicht an 230 Tagen, sondern nur an 160 Arbeitstagen im Streitjahr angefallen seien.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 und 5 sowie des § 12 Nr. 1 EStG und beruft sich auf Verfahrensmängel. Es bringt im einzelnen vor:

Eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung sei im Streitfall nicht deshalb zu bejahen, weil der Kläger in O Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Bewohnen seines ihm gehörenden Einfamilienhauses erzielt habe. Denn es könne steuerrechtlich nicht darauf abgestellt werden, ob einer der Ehegatten Mieter oder Eigentümer eines selbstbewohnten Einfamilienhauses sei.

Die geltend gemachten Fahrtkosten könnten auch nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt werden. Dieser rechtliche Gesichtspunkt sei von den Beteiligten vor dem FG nicht erörtert worden. Ohne den Sachverhalt aufgeklärt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben, habe das FG unterstellt, daß es der Klägerin möglich gewesen sei, täglich Fahrten von O nach M und zurück durchzuführen. Diese Annahme treffe nicht zu. Hätte das FG den Sachverhalt näher erforscht, so hätte es festgestellt, daß die Klägerin bei täglichen Fahrten von O nach M nicht vor 11 Uhr vormittags in M ihren Dienst hätte antreten können und spätestens um 18 Uhr ihre Arbeit hätte beenden müssen, um am selben Tag noch nach O zurückkehren zu können. Sie wäre außerdem mindestens von 5.45 Uhr morgens bis 22.45 Uhr abends unterwegs gewesen. Ein geregeltes Beschäftigungsverhältnis hätte sie unter diesen Umständen nicht ausüben können. Die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer hätte solche Fahrten zwischen O und M bei einer Entfernung von 328 km und einer Fahrtzeit von ca. 9 Stunden nicht täglich auf sich genommen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage, weil die Aufwendungen für Fahrten zwischen M und O entgegen der Ansicht des FG weder nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Familienheimfahrten noch nach Nr. 4 dieser Vorschrift als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abziehbar sind.

1. Das FG hat diese Fahrten zu Unrecht als Familienheimfahrten im Rahmen einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung angesehen.

Zu den Werbungskosten gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG auch notwendige Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Satz 2 dieser Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort wohnt. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG können in einem solchen Fall auch Ausgaben für eine Fahrt wöchentlich vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstandes als sogenannte Familienheimfahrt steuerrechtlich berücksichtigt werden.

Ein Abzug derartiger Ausgaben setzt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79, BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297, und die dort genannten Entscheidungen) voraus, daß die Begründung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt war. Ist nur ein Ehegatte berufstätig und ist dessen doppelte Haushaltsführung dadurch entstanden, daß die Eheleute vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten gewohnt, ihre Wohnungen nach der Eheschließung beibehalten und die außerhalb des Arbeitsorts liegende Wohnung des nicht-berufstätigen Ehegatten zur gemeinsamen Familienwohnung bestimmt haben, so ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 26. November 1976 VI R 153/74, BFHE 120, 520, BStBl II 1977, 158; vom 6. September 1977 VI R 165/76, BFHE 123, 454, BStBl II 1978, 32, und vom 9. März 1979 VI R 11/78, BFHE 128, 189, BStBl II 1979, 648) eine doppelte Haushaltsführung nicht beruflich, sondern privat veranlaßt. Denn sie beruht letztlich auf der Eheschließung und damit auf einem Vorgang, der dem privaten Bereich der Steuerpflichtigen zuzurechnen ist. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.

Dementsprechend ist die doppelte Haushaltsführung im Streitfall als privat veranlaßt anzusehen. Im Zeitpunkt der Eheschließung im November 1975 war nur die Klägerin, nicht aber der Kläger beruflich tätig. Die Eheleute wohnten vorher an verschiedenen Orten. Sie behielten ihre Wohnungen nach der Eheschließung bei und bestimmten nach den Feststellungen des FG die vom Arbeitsort der Klägerin weiter entfernt liegende Wohnung in O zur gemeinsamen Familienwohnung. Da berufliche Gründe in der Person der Klägerin für die Bestimmung der Familienwohnung nicht ersichtlich sind, können die Aufwendungen für Fahrten von M nach O und zurück nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG als Werbungskosten anerkannt werden.

Das FG beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 13. Juli 1976 VI R 172/74 (BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654). Dort hatte der Senat zwar die Entstehung einer doppelten Haushaltsführung anläßlich der Eheschließung als beruflich veranlaßt angesehen. Der Fall unterschied sich aber insoweit wesentlich von dem hier vorliegenden Sachverhalt, als dort beide Eheleute vor der Eheschließung an verschiedenen Orten beruflich tätig waren und hieran auch nach der Heirat unverändert festhielten. Bestimmen die Eheleute in einem solchen Fall eine der beiden Wohnungen zur gemeinsamen Familienwohnung, so ist die Entstehung der doppelten Haushaltsführung bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als beruflich veranlaßt zu würdigen. Wie der Senat in der vorgenannten Entscheidung betonte, würde sonst den Arbeitnehmern, die mit der Begründung der Ehe den doppelten Haushalt einrichten müssen, die Möglichkeit des Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG versagt bleiben und sie würden im Verhältnis zu den bei Einrichtung des doppelten Haushalts bereits Verheirateten ungerechtfertigt benachteiligt. An dieser Auffassung hat der BFH in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. Urteile in BFHE 123, 454, BStBl II 1978, 32; BFHE 128, 189, BStBl II 1979, 648, und vom 20. März 1980 IV R 11/76, BFHE 130, 307, BStBl II 1980, 455).

Diese Grundsätze lassen sich entgegen der Ansicht des FG nicht auf einen Sachverhalt wie den des Streitfalls übertragen, in dem nur ein Ehegatte (wie hier die Klägerin) berufstätig ist und der andere Ehgatte (hier der Kläger) als Rentner ein eigenes Einfamilienhaus an einem anderen Ort bewohnt, das die Eheleute zur gemeinsamen Familienwohnung bestimmen, während der berufstätige Ehegatte seine Wohnung am Arbeitsort beibehält. Durch das Bewohnen des eigenen Einfamilienhauses entstehen zwar beim Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 2, § 21 a EStG. Dieser Umstand muß jedoch außer Betracht bleiben, da im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG das Bewohnen eines eigenen Einfamilienhauses nicht einer Berufstätigkeit im Rahmen der Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG gleichzuerachten ist. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Begel nicht so ortsgebunden sind wie die einer Berufstätigkeit. Sie wären dem Kläger auch verblieben, wenn die Eheleute die Wohnung der Klägerin zur Familienwohnung gemacht (oder in M eine neue größere Wohnung gesucht) und das Haus in O an den Wochenenden und im Urlaub selbst genutzt hätten. Hätten sie das Haus dort vermietet, so hätten sie ebenfalls Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen. Aus diesen Gründen hat der Senat schon bisher das Nutzen einer eigenen Wohnung oder eines eigenen Einfamilienhauses durch eine nichtberufstätige Person nicht als ausreichenden Grund für das Entstehen einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung gewertet, wenn diese Person einen an einem anderen Ort tätigen Arbeitnehmer heiratet und dieser seine Wohnung am Arbeitsort beibehält (vgl. insbesondere Urteil in BFHE 120, 520, BStBl II 1977, 158; vgl. auch zu dem ähnlichen Fall der Wegverlegung einer Familienwohnung aus privaten Gründen Urteil vom 10. November 1978 VI R 21/76, BFHE 126, 511, BStBl II 1979, 219).

2. Das FG hat ferner zu Unrecht die Aufwendungen für Fahrten der Klägerin von M nach O und zurück als nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abziehbare Werbungskosten angesehen.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dabei werden bei Fahrten mit dem eigenen Kfz die Aufwendungen "für jeden Arbeitstag", an dem das Kfz benutzt wird, nur in Höhe eines Pauschbetrages je Entfernungskilometer zum Abzug zugelassen.

a) Hat ein Arbeitnehmer -- wie im Streitfall die Klägerin -- mehrere Wohnungen, von denen aus er sich jeweils zur Arbeitsstätte begibt, so ist nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Nach der Entscheidung des Senats in BFHE 126, 511, BStBl II 1979, 219 sind in einem solchen Fall Aufwendungen für Fahrten von jeder Wohnung aus, unabhängig davon, wie häufig sie wöchentlich durchgeführt werden, als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG anzuerkennen. Das gilt für Fahrtaufwendungen von der weiter vom Beschäftigungsort entfernt liegenden Wohnung allerdings nur dann, wenn sie den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers darstellt. Einen solchen Mittelpunkt hat der Senat bei einem verheirateten Arbeitnehmer im allgemeinen dort angenommen, wo seine Familie wohnt. Fährt er teilweise nicht von der weiter entfernten, den Lebensmittelpunkt bildenden Wohnung, sondern von der nähergelegenen Wohnung aus zur Arbeitsstätte, so hat der BFH die Kosten für solche Fahrten ebenfalls zum Abzug zugelassen. An diesen Grundsätzen hat der Senat in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. z. B. Urteil vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338).

Bei sehr weiten Entfernungen hat der BFH die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG allerdings eingeschränkt. So führte er im Urteil vom 10. November 1978 VI R 112/75 (BFHE 126, 518, BStBl II 1979, 222) aus, solche Fahrtkosten seien dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen seien. Das sei insbesondere der Fall, wenn die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer unter sonst vergleichbaren Umständen die gleichen Aufwendungen voraussichtlich nicht auf sich nehmen würde. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Insbesondere sei zu untersuchen, ob der Kostenaufwand für die Fahrten unangemessen sei. In diesem Zusammenhang sei auch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu beachten, nach der bei Fahrten mit dem eigenen Kfz Aufwendungen "für jeden Arbeitstag" zu berücksichtigen seien, an dem das Kfz benutzt werde. Aus dieser Vorschrift sei zu folgern, daß steuerlich angemessen im allgemeinen nur Kosten für solche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzuerkennen seien, die der Arbeitnehmer von der Entfernung und vom Fahrtaufwand her mit dem von ihm benutzten Beförderungsmittel für eine Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstätte an einem Arbeitstag zurücklegen könne. Darüber hinaus dürfe bei der Prüfung der Angemessenheit nicht unbeachtet bleiben, unter welchen Umständen es zu den hohen Aufwendungen gekommen sei, ob sie nämlich durch eine auf privaten Gründen beruhende Wegverlegung der Wohnung vom Arbeitsort veranlaßt und ob dies durch wirtschaftlich vernünftige Gründe zu rechtfertigen sei.

An dieser Ansicht hat der BFH im Urteil in BFHE 128, 189, BStBl II 1979, 648 im Ergebnis festgehalten. Er hat seine Entscheidung dort allerdings nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Unangemessenheit gestützt, sondern hat nunmehr unter erneutem Hinweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG allein auf die Erwägung abgestellt, ob der Arbeitnehmer die Hin- und Rückfahrt von der Entfernung und vom Zeitaufwand her mit dem von ihm benutzten Beförderungsmittel üblicherweise an einem Tag zurücklegen kann. Er hat in dieser Entscheidung außerdem betont, dem Arbeitnehmer müsse bei einer täglichen Hin- und Rückfahrt noch so viel Zeit verbleiben, daß er in der Lage sei, am selben Tag am Arbeitsort seiner Beschäftigung nachzugehen.

b) Im Hinblick darauf, daß die beiden vorgenannten Entscheidungen in BFHE 126, 518, BStBl II 1979, 222, und in BFHE 128, 189, BStBl II 1979, 648 in der Literatur (Rößler, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A -- DStZ/A -- 1979, 276, 278; Giloy, Betriebs-Berater -- BB -- 1980, 1206; Altehoefer in Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1979, 245; Junker, DStZ/A 1982, 402; Dammeyer in Steuer-Lexikon -- StLex -- 3, 9, 53 ff., 70; Popp, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Einkommensteuergesetz, § 9 Abs. 1 Nr. 4 Anmerkung zum Rechtsspruch 79) und in der Rechtsprechung (Urteile des Hessischen FG vom 22. Januar 1981 IX 465/80, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1981, 287; vom 19. Februar 1981 I 160/76, EFG 1981, 501; vom 27. Juli 1981 I 105/81, EFG 1982, 77) auf Kritik gestoßen sind, hat der Senat seine Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von Aufwendungen für Fahrten von zwei verschiedenen Wohnungen aus zur Arbeitsstätte erneut überdacht. Er ist dabei zu der Auffassung gelangt, daß an ihr im Ergebnis, wenn auch mit zum Teil anderer Begründung, festzuhalten ist. Dabei läßt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:

aa) Ausgangspunkt für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist der dort verwandte Begriff der "Wohnung". Dieses gesetzliche Tatbestandselement ist weit auszulegen, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift alle Sachverhalte erfassen wollte, in denen einem Arbeitnehmer durch die Fahrt von einer irgendwie gearteten Unterkunft zum Arbeitsplatz und zurück Aufwendungen entstehen. "Wohnungen" in diesem Sinne sind daher auch ein möbliertes Zimmer, die Unterkunft auf einem Schiff (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1971 VI R 315/70, BFHE 104, 212, BStBl II 1972, 245) oder in Holzbaracken (BFH-Urteil vom 15. November 1974 VI R 195/72, BFHE 114, 340, BStBl II 1975, 278), ein Holzhaus in einem Schrebergarten oder auf einem Wochenendgrundstück, ein für eine gewisse Dauer auf einem Grundstück abgestellter Wohnwagen sowie ein Schlafplatz in einer Massenunterkunft, soweit solche Unterkünfte von einem Arbeitnehmer zur Übernachtung genutzt werden und er von dort aus seinen Arbeitsplatz aufsucht.

bb) Maßgebend für die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist für den Senat ferner die Erkenntnis, daß Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ihrer Natur nach an sich sogenannte gemischte Aufwendungen i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sind, da sie teils beruflich und teils privat veranlaßt sind. So fällt das Wohnen und die Wahl der Wohnung grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung (Entscheidung in BFHE 126, 511, BStBl II 1979,. 219). Andererseits haben die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück eine innere Beziehung zum Dienstverhältnis, sind also insoweit beruflich veranlaßt; denn der Arbeitnehmer kann seine Arbeit an dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz nur verrichten, wenn er zuvor von seiner Wohnung aus dorthin gelangt ist. Geht man von der Zielsetzung solcher Fahrten aus, so ist die Rückfahrt zur Wohnung dementsprechend vorwiegend privat veranlaßt, weil das Wohnen und das Schlafen im allgemeinen der Lebensführung zuzurechnen sind.

Wie sich aus der Entwicklungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergibt, will der Gesetzgeber aber grundsätzlich nicht mehr wie früher danach differenzieren, ob und inwieweit Ausgaben für solche Fahrten zur Arbeitsstätte hin und zurück beruflich oder privat veranlaßt sind. Er sieht vielmehr seit dem Jahr 1967 solche Aufwendungen im allgemeinen typisierend als Werbungskosten an mit der Folge, daß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG insoweit als lex specialis zum Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu werten ist.

So waren nämlich ursprünglich nach § 9 Nr. 4 EStG II/48-1953 nur die notwendigen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten zu berücksichtigen, wobei die Notwendigkeit in zweifacher Weise zu prüfen war, nämlich einmal dahin, ob die Trennung von Wohnung und Arbeitsstätte nur auf persönlichen Gründen beruhte, und zum anderen dahin, ob das gewählte Verkehrsmittel notwendig war, was bei Benutzung eines Kfz nur ausnahmsweise bejaht wurde (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 9 Anm. 11 b). Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (StNOG) 1954 kam es ab 1. Januar 1955 nicht mehr darauf an, welches Verkehrsmittel und gegebenenfalls welche Wagenklasse der Steuerpflichtige für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzte. Die Aufwendungen wurden nach § 26 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 (EStDV) aber nur insoweit als Werbungskosten anerkannt, als sie durch Fahrten bis zu einer Entfernung von 40 km erwuchsen, sofern der Arbeitnehmer aus nicht zwingenden persönlichen Gründen mehr als 40 km von der Arbeitsstätte entfernt seinen Wohnsitz genommen hatte. Zur Abgeltung der Aufwendungen für die Benutzung eines PKW war in § 26 Abs. 2 EStDV ein Pauschbetrag von 0,50 DM je Entfernungskilometer vorgesehen. Durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1971 hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1. Januar 1971 auch diese 40-km-Grenze ersatzlos fallengelassen. Schon in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1967 wurden die Aufwendungen für die Benutzung eines Kraftwagens auf den Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer begrenzt. Hierfür war nach der Regierungsbegründung zu diesem Änderungsgesetz außer verkehrspolitischen Gründen auch die Erwägung maßgebend, daß es sich hierbei ihrem Wesen nach um Aufwendungen handelt, die auch die private Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren.

cc) Die steuerliche Behandlung von Aufwendungen für Fahrten von zwei verschiedenen Wohnungen aus zur Arbeitsstätte ist in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht ausdrücklich geregelt worden. Sie ist daher durch Auslegung des Gesetzes zu ermitteln.

Der Senat hat aufgrund des weiten Begriffs der Wohnung und der gesetzlichen Typisierung der Fahrtaufwendungen als Werbungskosten erwogen, ob § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht in dem Sinne auszulegen ist, daß Aufwendungen für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung aus zur Arbeitsstätte ohne jede Einschränkung, also ohne Rücksicht darauf als beruflich veranlaßt anzusehen sind, ob die Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist, wie weit sie vom Arbeitsplatz entfernt liegt und wie oft der Arbeitnehmer sie aufsucht. Er hat von einer solchen Auslegung jedoch deshalb Abstand genommen, weil unter die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG sonst auch in größeren Zeitabständen und über weite Entfernungen durchgeführte Familienheimfahrten (so etwa Fahrten nur monatlich oder ein- bis zweimal jährlich) fallen würden. Das würde nach Ansicht des Senats aber dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG widersprechen, da diese Norm gerade die arbeitstäglichen Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte erfassen will, wie dies etwa auch im Satz 2 dieser Vorschrift -- wenn auch in einem anderen Zusammenhang -- zum Ausdruck kommt, wo der Gesetzgeber von "Aufwendungen für jeden Arbeitstag" spricht.

Der Senat hat darüber hinaus die Möglichkeit ins Auge gefaßt, § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG in dem Sinne auszulegen, daß nur Fahrten von der nächstgelegenen Wohnung als beruflich veranlaßt anzusehen seien. Hierfür könnte sprechen, daß der Gesetzgeber bei einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG nur eine Familienheimfahrt wöchentlich als beruflich und jede zusätzliche Familienheimfahrt als privat veranlaßt ansieht (vgl. Regierungsbegründung zum StÄndG 1966 in BT-Drucks. V/1068, S. 24: "Die Beschränkung der anzuerkennenden Familienheimfahrten auf eine Fahrt wöchentlich dient der Abgrenzung der beruflich veranlaßten Fahrten gegenüber den aus persönlichen Gründen unternommenen Fahrten"). Daraus ließe sich folgern, daß bei einer privat veranlaßten doppelten Haushaltsführung, wie sie im Streitfall gegeben ist, nicht nur eine wöchentliche, sondern gar keine Familienheimfahrt beruflich veranlaßt ist. Der Senat hat jedoch davon abgesehen, diese Überlegung bei Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Er ist der Ansicht, daß der Gesetzgeber eine solche, die Arbeitnehmer in starkem Maße benachteiligende Regelung ausdrücklich in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG hätte treffen müssen. Die Nichtberücksichtigung von Kosten für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung würde zudem insbesondere bei den Arbeitnehmern zu ungerechtfertigten Nachteilen führen, die gelegentlich, etwa nur einmal die Woche, ihre am Arbeitsplatz gelegene Wohnung zu Übernachtungen benutzen. Auch wäre es schwer einsehbar, daß ein Arbeitnehmer, der bisher zwischen seinem vom Beschäftigungsort entfernt liegenden Wohnort und der Arbeitsstätte täglich pendelte und die Aufwendungen hierfür nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abziehen konnte, Aufwendungen für dieselbe Strecke sollte nicht mehr absetzen können, wenn er nunmehr am Beschäftigungsort eine zweite Wohnung nimmt und sich zum Teil von dieser und zum Teil von der anderen Wohnung aus zur Arbeitsstätte begibt.

dd) Die vorstehenden Erwägungen haben den Senat letztlich in seiner Auffassung bestärkt, im Ergebnis an seiner bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, nach der in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer zwei Wohnungen hat, von denen aus er sich abwechselnd zu seiner Arbeitsstätte begibt, die Aufwendungen für Fahrten von jeder dieser Wohnungen aus Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG sein können, wobei dies für Kosten für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung aber nur gilt, wenn sie der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers ist.

Der Senat geht anhand der vorstehend zu 2.b) bb) Abs. 3 geschilderten rechtshistorischen Entwicklung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG davon aus, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift in erster Linie die Aufwendungen für arbeitstägliche Fahrten von der näher am Arbeitsort gelegenen Wohnung aus zur Arbeitsstätte als Werbungskosten hat behandeln wollen. Sie sind gemäß der Typisierung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG stets beruflich veranlaßt. Kosten für Fahrten zu einer weiter entfernt liegenden zweiten Wohnung sind regelmäßig nur bei einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG zu berücksichtigen. Ist die doppelte Haushaltsführung hingegen -- wie hier -- privat veranlaßt, so können solche Aufwendungen nach dieser Vorschrift nicht als Ausgaben für Familienheimfahrten steuerlich berücksichtigt werden. Kosten dieser Art fallen auch nicht ohne weiteres unter die Typisierung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, da die privat veranlaßte Begründung eines zweiten Haushalts den ohnehin gemischten Charakter der Fahrtaufwendungen in einem so starken Maß in den Bereich der allgemeinen Lebensführung verlagert, daß nicht allgemein davon ausgegangen werden kann, der Gesetzgeber habe solche Sachverhalte in vollem Umfang in die Typisierung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG miteingeschlossen. Kosten für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung zur Arbeitsstätte sind allerdings dann noch Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, wenn der Arbeitnehmer dort den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, was bei verheirateten Arbeitnehmern in der Regel auf die Wohnung zutrifft, wo seine Familie wohnt. Der Gesichtspunkt des Mittelpunkts der Lebensinteressen verstärkt hier entscheidend die berufliche Veranlassung solcher Fahrtkosten, weil der Lebensmittelpunkt aus der Sicht des Arbeitnehmers der zentrale Ausgangspunkt für alle beruflichen Aktivitäten, und so auch für Fahrten zur näher oder weiter entfernt liegenden Arbeitsstätte darstellt. Von solchen Erwägungen ist der Senat auch bei ledigen Arbeitnehmern ausgegangen, die keinen doppelten Haushalt führen, die aber an einem anderen Ort vorübergehend für eine verhältnismäßig kurze Zeit tätig sind. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG hat der Senat auch bei ihnen die Kosten für eine Fahrt wöchentlich zu der weiter entfernt liegenden Wohnung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten zum Abzug zugelassen, wenn diese Arbeitnehmer am bisherigen Wohnort ihren Lebensmittelpunkt haben, zu dem sie nach Beendigung ihrer auswärtigen Beschäftigung voraussichtlich zurückkehren werden, und wenn ihnen deshalb ein Umzug an den neuen Beschäftigungsort nicht zumutbar ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356, und das Urteil des Senats vom 20. Dezember 1982 VI R 123/81, BStBl II 1983, 269).

Fährt ein Arbeitnehmer hingegen innerhalb der Woche oder am Wochenende zu der weiter entfernt liegenden Wohnung, die nicht Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ist, etwa weil es sich um ein Wochenendhaus oder eine Jagdhütte handelt, so überwiegen die privaten, der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden Umstände bei dem ohnehin gemischten Charakter solcher Fahrtkosten in einem so starken Maße, daß diese nach Ansicht des Senats nicht mehr zu den Fahrtaufwendungen gehören, die der Gesetzgeber in typisierender Weise im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten erfassen wollte. Sie fallen daher unter das allgemeine Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG.

Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für verheiratete wie für ledige Arbeitnehmer. Haben letztere zwei Wohnungen, von denen aus sie jeweils zur Arbeitsstätte fahren, nämlich eine Wohnung am Beschäftigungsort und eine zweite an einem davon weiter entfernt liegenden Ort, so insbesondere am bisherigen Wohnort, so kann die letztgenannte Wohnung Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen sein, wenn die Arbeitnehmer dort besonders verwurzelt sind.

ee) Der Senat hält im Ergebnis auch an seiner Auffassung fest, daß unter § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur solche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte fallen, die ein Arbeitnehmer bei dem von ihm gewählten Beförderungsmittel arbeitstäglich dauernd auf sich nehmen würde, um bei Hin- und Rückfahrt am selben Tag seiner Arbeit am Beschäftigungsort nachgehen zu können.

Der Senat nimmt hierbei nicht etwa den -- im Urteil in BFHE 128, 189, BStBl II 1979, 648 bereits aufgegebenen -- Gesichtspunkt der Unangemessenheit wieder auf. Er stützt seine Erwägung auch nicht wie in dieser Entscheidung insbesondere auf den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, nach dem bei Fahrten mit dem eigenen Kfz Aufwendungen "für jeden Arbeitstag", an dem das Kfz benutzt wird, nur mit bestimmten Pauschbeträgen berücksichtigt werden können. Er geht vielmehr in Anlehnung an den Grundgedanken des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG -- der auch in den vorgenannten Worten "für jeden Arbeitstag" zum Ausdruck kommt -- davon aus, daß diese Vorschrift im Gegensatz zu den Familienheimfahrten in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG in erster Linie Aufwendungen für die arbeitstäglichen Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück hat regeln wollen. Es macht bezüglich des Anwendungsbereichs der Vorschrift keinen Unterschied aus, ob die Arbeitnehmer solche Fahrten arbeitstäglich tatsächlich auf sich nehmen oder ob sie dies arbeitstäglich zwar könnten, aber zeitweilig davon absehen, weil sie sich am Arbeitsort eine zweite Wohnung genommen haben, in der sie mehr oder minder häufig zu übernachten pflegen. Denn die Benutzung einer Solchen am Arbeitsort gelegenen zusätzlichen Wohnung kann für die Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung aus insoweit nicht steuerschädlich sein (vgl. schon 2. b) cc) am Ende). Fahren verheiratete Arbeitnehmer in solchen Fällen zur weiter entfernt liegenden Wohnung, in der die Familie lebt und die deshalb den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen darstellt, so decken sich die Begriffe Familienheimfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit der Folge, daß solche Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten absetzbar sind.

Liegt die den Lebensmittelpunkt bildende Wohnung hingegen soweit vom Arbeitsplatz entfernt, daß ein Arbeitnehmer eine solche Fahrt mit dem von ihm benutzten Beförderungsmittel wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes und der hierdurch entstehenden Strapazen arbeitstäglich in der Regel nicht dauernd auf sich nehmen würde, so ist eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht mehr gegeben. Es liegt dann nur eine Familienheimfahrt vor. Deren Kosten sind bei einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung für eine Fahrt wöchentlich im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG als Werbungskosten absetzbar. Ist die doppelte Haushaltsführung hingegen privat veranlaßt, so kann eine solche Fahrt weder nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 noch nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt werden.

Das gilt entsprechend auch für ledige Arbeitnehmer, die keinen doppelten Haushalt führen. Ist bei ihnen die Wohnung, die den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bildet, so weit vom Arbeitsplatz entfernt, daß sie eine solche Fahrt mit dem von ihnen benutzten Beförderungsmittel wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes und der Strapazen arbeitstäglich in der Regel nicht auf sich nehmen würden, so können solche Aufwendungen nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG Werbungskosten sein. Sie können aber bezüglich einer Fahrt wöchentlich ohne Rücksicht auf die Entfernung entsprechend der zu 2. b) dd) Abs. 2 genannten Rechtsprechung des BFH nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abgezogen werden, wenn es sich um eine vorübergehende Beschäftigung für eine verhältnismäßig kurze Zeit handelt, die ledigen Arbeitnehmer voraussichtlich wieder an ihren Lebensmittelpunkt zurückkehren und wenn ihnen deshalb ein Umzug an den neuen Beschäftigungsort nicht zuzumuten ist. Dasselbe gilt nach dem BFH-Urteil vom 23. Juli 1976 VI R 228/74 (BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795) auch für unverheiratete Arbeitnehmer, die keinen doppelten Haushalt führen und längerfristig oder wegen einer auf Dauer abgestellten Beschäftigung auswärts tätig sind, solange sie eine nach objektiven Maßstäben angemessene Wohnung am neuen Arbeitsort nicht haben erlangen können.

c) Entsprechend den dargelegten Grundsätzen sind im Streitfall die Aufwendungen für Fahrten der Klägerin mit der Bundesbahn von M nach O und zurück nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum Abzug zuzulassen. Die Klägerin hatte zwar nach den Feststellungen des FG in O den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. Dieser Ort ist jedoch von M so weit entfernt, daß andere Arbeitnehmer es in der Regel auf die Dauer nicht auf sich nehmen würden, arbeitstäglich mit der Bundesbahn hin und her zu fahren und am selben Tag noch ihren Dienst in M zu versehen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob, was nicht zweifelsfrei geklärt ist, die Entfernung zwischen beiden Orten 300 oder 328 km und die Fahrtzeit mit der Bundesbahn hin und zurück 7 oder 9 Stunden beträgt.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen, da das FA im Ergebnis zu Recht die geltend gemachten Fahrtkosten nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74573

BStBl II 1983, 306

BFHE 1982, 463

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