Leitsatz (amtlich)

Die Verwaltungsanweisung in Abschn. 15 LStR 1972, die Gewährung der steuerfreien Annehmlichkeit von 1,50 DM je arbeitstäglicher Mahlzeit eines Arbeitnehmers davon abhängig zu machen, daß für die Bemessung des geldwerten Vorteils der Mahlzeit ihr ortsüblicher Mittelpreis, nicht aber ihr Wert nach der wesentlich günstigeren Sachbezugsverordnung angesetzt wurde, widersprach nicht der seinerzeit geltenden Rechtslage.

 

Normenkette

LStR 1978 Abschn. 19; LStR 1972 Abschn. 15; LStDV 1971 § 3 Abs. 2; EStG 1977 § 8 Abs. 2; EStG 1971 § 8 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) von dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) rd. 1 800 DM Lohnsteuern für die Jahre 1971 bis zum 30. Juni 1974 im Haftungswege nachfordern durfte.

Der Kläger betreibt ein Hotel und Wohnheim. Einige seiner Arbeitnehmer wohnen in seinem Betrieb und werden dort auch voll verpflegt. Neben dem Barlohn wurde diesen Arbeitnehmern ein nach § 3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1971 (LStDV) festgesetzter Durchschnittswert als Sachbezug für die freie Station zugerechnet. Der Kläger hat unter Berufung auf Abschn. 15 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1972 (LStR) von diesem Durchschnittswert arbeitstäglich 1,50 DM (Essensgeldzuschuß) abgezogen. Das FA hat diesen Abzug unter Hinweis auf Abschn. 15 Abs. 2 LStR und das dort genannte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. März 1968 VI R 328/66 (BFHE 92, 96, BStBl II 1968, 459) - auch im Einspruchsverfahren - abgelehnt.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 138 (EFG 1979, 138) veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Die Regelung in Abschn. 15 Abs. 2 LStR, wonach ein steuerfreier Essenszuschuß nicht berücksichtigt werden darf, wenn der Wert der gewährten Mahlzeit mit dem Sachbezugswert nach § 3 Abs. 2 LStDV angesetzt wird, sei mit Gesetz und Recht unvereinbar. Die Festsetzung und öffentliche Bekanntgabe der amtlichen Sachbezugswerte dienten sowohl der Vereinfachung des Verfahrens im Interesse der Beteiligten als auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dabei werde wie bei jeder Pauschalregelung in Kauf genommen, daß - bezogen auf den Einzelfall - der Besteuerung ein zu hoher oder ein zu niedriger Wert zugrunde gelegt werde. Es könne nicht angenommen werden, daß die Sachbezugswerte in den meisten Fällen zu einer Steuerbegünstigung führten. Den Bekanntmachungen über die Bewertung der Sachbezüge lasse sich nicht entnehmen, daß bei der Festsetzung der Sachbezugswerte für Verpflegung der nach Abschn. 15 Abs. 1 LStR steuerfreie Essenszuschuß bereits berücksichtigt worden sei. Im Gegensatz zu der Anweisung in Abschn. 19 Abs. 2 LStR 1978 gehe die Regelung in Abschn. 15 Abs. 2 LStR noch von der Unterstellung aus, daß es sich bei der steuerlichen Behandlung des Essensgeldzuschusses von 1,50 DM pro Arbeitstag nicht um die Gewährung eines Freibetrags, sondern um eine Vereinfachungsmaßnahme handele. Der BFH habe aber inzwischen anerkannt, daß insoweit ein Freibetrag vorliege. Dieser müsse auch bei Ansatz des Sachbezugs nach § 3 Abs. 2 LStDV abgesetzt werden können.

Mit der Revision macht das FA geltend: Die von der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) veröffentlichten Sachbezugswerte seien Durchschnittswerte, in die auch die extrem niedrigen Werte aus rein landwirtschaftlichen Gebieten einbezogen seien; sie lagen deshalb an der unteren überhaupt möglichen Schätzungsgrenze. Für die Bewertung der Sachbezüge, also auch der Mahlzeiten, seien nach § 3 Abs. 2 LStDV jedoch grundsätzlich die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts maßgebend. Das seien die Preise, die auch ein Fremder für Güter gleicher Art dort aufwenden müsse. Der übliche Mittelpreis für Mahlzeiten am Ort des Betriebssitzes des Klägers liege aber wesentlich über dem von ihm - zu Recht - angesetzten Sachbezugswert. Deshalb könne der Kläger nicht noch den Betrag von 1,50 DM von diesem Durchschnittswert abziehen. Es sei gerechtfertigt, bei der Gewährung des nicht als Arbeitslohn anzusetzenden Betrages von bis zu 1,50 DM pro Tag und Arbeitnehmer unterschiedlich zu verfahren, je nachdem, ob als Wert der gewährten Mahlzeiten der Mittelpreis des Verbrauchsorts oder der Sachbezug It. OFD-Mitteilung angesetzt werde. Diese Auffassung habe auch das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 18. Dezember 1975 VII 116/75 (EFG 1976, 206) vertreten. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision habe der BFH mit Beschluß vom 2. Juni 1978 VI R 34/76 (nicht veröffentlicht) als unbegründet zurückgewiesen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 des Einkommensteuergesetzes 1971 (EStG) sowie §§ 2, 3 LStDV gehört zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit auch der Wert von Mahlzeiten, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Mahlzeit verbilligt abgibt. Der hierin liegende geldwerte Vorteil ist durch Vergleich des vom Arbeitnehmer geleisteten Entgelts mit dem für die gewährte Mahlzeit üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts festzustellen (§ 8 Abs. 2 EStG, § 3 Abs. 1 Satz 2 LStDV). Dabei ist der geldwerte Vorteil der Mahlzeit in voller Höhe nach objektiven Maßstäben zugrunde zu legen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 64/68, BFHE 94, 23, BStBl II 1969, 73).

Soweit der hiernach zu erfassende geldwerte Vorteil je Arbeitnehmer arbeitstäglich 1,50 DM nicht übersteigt, bleibt der Sachbezug lohnsteuerfrei; insoweit ist nach der Rechtsprechung des Senats der Essensgeldzuschuß des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer als Annehmlichkeit zu behandeln (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 7. November 1975 VI R 174/73, BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50). Die gegen diese Freibetragsregelung im Schrifttum zum Teil erhobenen Bedenken (vgl. insbesondere Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 19 EStG Anm. 168) werden vom Senat nicht geteilt. Entgegen der Auffassung des FG kann für die Streitjahre 1971 bis 1974 der somit lohnsteuerfreie Essensgeldzuschuß von 1,50 DM aber nicht auch dann berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber den Sachbezug nach Durchschnittswerten gemäß § 3 Abs. 2 LStDV bemißt.

1. Für die Zeit vom 1. Januar 1978 an ist in § 8 Abs. 2 EStG aufgenommen, daß bei Arbeitnehmern, für deren Sachbezüge durch Rechtsverordnung nach § 17 Nr. 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch Werte bestimmt worden sind, diese Werte maßgebend sind. Für die Jahre 1978 und später ergibt die sog. Sachbezugsverordnung - bisher nach Ländergruppen abgestuft - bestimmte Sachbezugswerte für die Gewährung von "freier Station", aus denen nach im einzelnen bestimmten Vomhundertsätzen der Wert einer einzelnen Mahlzeit berechnet wird. Die Finanzverwaltung läßt es zu, daß von dem so ermittelten Wert einer Mahlzeit der steuerfreie Betrag von 1,50 DM abgesetzt wird (Abschn. 19 Abs. 2 LStR 1978).

2. Die Auffassung des FG geht dahin, daß für die Zeit vor 1978 der Abzug des Betrags von 1,50 DM von den seinerzeit nach § 3 Abs. 2 LStDV im Einzelfall zulässigen Sachbezugswerten ebenso wie für die Zeit danach möglich sein müsse, da sich der Charakter beider Ausgangsgrößen - Sachbezugswert aufgrund von Durchschnittssätzen einerseits und Annehmlichkeit bezüglich des Essensgeldzuschusses von 1,50 DM - nicht geändert habe. Dem kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.

a) Der Senat hat im Urteil VI R 328/66 entschieden, daß die Freigrenze des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960, wonach es beim Überlassen von Werkswohnungen lohnsteuerrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn die vom Arbeitnehmer gezahlte Monatsmiete 20 DM unter dem ortsüblichen Mittelpreis liegt (nunmehr 40 DM, vgl. Abschn. 50 Abs. 2 Nr. 3 LStR 1978), der Vereinfachung diene; diese Freigrenze solle bewirken, daß kleinliche Streitigkeiten vermieden werden. Der Senat hat sodann weiter ausgeführt, daß bei Anwendung der amtlichen Durchschnittssätze des § 3 Abs. 2 LStDV, die ebenfalls aus Gründen der Vereinfachung in das Lohnsteuerrecht eingeführt worden seien, kein Bedürfnis mehr für eine weitere Vereinfachung bestehe. Das Urteil VI R 328/66 bringt zum Ausdruck, daß die Vereinfachung des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 nur in den Fällen ihre Berechtigung habe, in denen der Mietwert nicht eindeutig feststellbar sei; bei Bemessung des Mietwerts nach amtlichen Durchschnittssätzen gebe es aber über die Höhe dieses Wertes keinen Streit.

b) Die Finanzverwaltung hat aus dem BFH-Urteil VI R 328/66 gefolgert, auch der 1,50-DM-Essensfreibetrag dürfe, wenn der Wert der Mahlzeit nach der Sachbezugsverordnung bemessen werde, nicht mehr abgezogen werden (vgl. Abschn. 15 Abs. 2 LStR). Der Freibetrag von arbeitstäglich 1,50 DM bei Gewährung einer Mahlzeit ist aber nach den Urteilen des Senats VI R 174/73 und vom 21. März 1975 VI R 94/72 (BFHE 115, 268, BStBl II 1975, 486) schon für Lohnzahlungszeiträume, die vor den Streitjahren des vorliegenden Falles liegen - anders als die o.g. Freigrenze von 20 DM -, nicht unter dem Gesichtspunkt einer "Vereinfachungsmaßnahme", sondern unter dem einer Annehmlichkeit lohnsteuerfrei. Dabei verkennt der Senat nicht, daß bei Einführung des 1,50-DM-Freibetrags der Gedanke der Vereinfachung eine Rolle gespielt haben mag, weil seinerzeit der geldwerte Vorteil bei Gewährung einer unentgeltlichen Mahlzeit regelmäßig 1,50 DM nicht überschritten haben dürfte und durch die Gewährung des Freibetrags zunächst jede steuerliche Erfassung des Sachbezugs "Mahlzeit im Betrieb" entfallen konnte. In der Zwischenzeit liegt der geldwerte Vorteil einer unentgeltlich abgegebenen Mahlzeit aber regelmäßig weit über 1,50 DM, so daß die Beibehaltung des Freibetrags in gleicher Höhe nicht mehr die Ermittlung des geldwerten Vorteils einer Mahlzeit erübrigt. Gleichwohl hat sich der Senat für die Beibehaltung des Freibetrags - nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Annehmlichkeit - ausgesprochen, insbesondere weil diese Freibetragsregelung als übliche Sozialleistung im Bewußtsein der Sozialpartner verankert ist (vgl. Urteile VI R 94/72, VI R 174/73). Dies aber bedeutet, wie das FG insoweit zu Recht ausgeführt hat, daß - anders als in dem Urteilsfall VI R 328/66 - im Streitfall nicht zwei Vereinfachungsmaßnahmen, nämlich der Durchschnittswert für den Sachbezug (Mahlzeit) und der Essensfreibetrag von 1,50 DM, sondern - wie von 1978 an ebenfalls - nur eine Vereinfachungsregelung und eine Annehmlichkeit, die unabhängig davon gewährt werden könnte, zusammentreffen. Gleichwohl folgt der Senat im Ergebnis der Auffassung der Finanzverwaltung.

c) Es ist gerichtsbekannt, daß der Ansatz nach der Sachbezugsverordnung 1978 von 2,40 DM für ein Mittagessen in Niedersachsen (Betriebssitz des Klägers) kaum dem objektiven ortsüblichen Mittelpreis für eine volle Mahlzeit, die ein Fremder dort zu sich nehmen will, entspricht. Auch die Sachbezugswerte, die für die Streitjahre gemäß § 3 Abs. 2 LStDV angewendet wurden, lagen offensichtlich, wenn überhaupt innerhalb, so jedenfalls an der unteren Schätzungsgrenze für den ortsüblichen Mittelpreis einer Mahlzeit. Bei einer solchen Gestaltung konnte die Finanzverwaltung ohne Rechtsverstoß die Gewährung der steuerfreien Annehmlichkeit von 1,50 DM je arbeitstäglicher Mahlzeit davon abhängig machen, daß für eine Mahlzeit der ortsübliche Mittelpreis, nicht aber ihr Wert nach der - günstigeren - Sachbezugsverordnung angesetzt wird. Andernfalls hätten die Arbeitnehmer, die schon in den Genuß des im Verhältnis zu dem ortsüblichen Mittelpreis regelmäßig viel niedrigeren Ansatzes der Durchschnittswerte nach der Sachbezugsverordnung kommen, einen weiteren Vorteil, der mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, bei denen der Wert der Mahlzeit nach im Einzelfall festgestellten ortsüblichen Mittelpreisen angesetzt wird, nicht zu vereinbaren wäre.

Der Senat verkennt nicht, daß für die Zeit von 1978 an sowohl der - niedrige - Ansatz für eine Mahlzeit nach der Sachbezugsverordnung als auch die steuerfreie Annehmlichkeit von 1,50 DM je Mahlzeit berücksichtigt werden können. Er sieht jedoch darin keinen Widerspruch zu seiner vorher vertretenen Auffassung. Denn nunmehr kommen, weil die Werte der Sachbezugsverordnung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG 1977 grundsätzlich bei allen Arbeitnehmern maßgeblich sind, diese Vorteile allen Arbeitnehmern gleichmäßig zugute, so daß - anders als bei Befolgung der Auffassung des FG - ein Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr möglich erscheint.

Im übrigen hat der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, daß Verwaltungsanweisungen, die auf Erfahrungen beruhende Schätzungen zum Inhalt haben, aus Gründen der Gleichbehandlung auch von den Steuergerichten zu beachten sind, solange sie im Einzelfall nicht offensichtlich zu falschen Ergebnissen führen (vgl. zuletzt Urteile vom 27. Oktober 1978 VI R 8/76, BFHE 126, 217, BStBl II 1979, 54; vom 23. Februar 1979 VI R 74/76, BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die Schätzung des Werts einer Mahlzeit aufgrund des Abschn. 15 LStR, wonach entweder vom ortsüblichen Mittelpreis einer Mahlzeit der Freibetrag von 1,50 DM abgesetzt werden kann oder bei Bemessung des Werts der Mahlzeit mit dem entsprechenden Sachbezugswert der gleiche Freibetrag nicht berücksichtigt werden darf, aus Gründen der Gleichbehandlung zu beachten ist. Dies um so mehr, als diese alternativen Schätzungsmethoden, wie dargelegt, im Ergebnis mehr dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung entsprechen als die Anwendung des Freibetrags von 1,50 DM bei jeder der beiden Ermittlungen des geldwerten Vorteils einer Mahlzeit.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73388

BStBl II 1980, 122

BFHE 1980, 158

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