Leitsatz (amtlich)

Bezieht eine in Großbritannien ansässige gemeinnützige Organisation Einkünfte aus einem im Inland gelegenen Grundstück, stehen der Besteuerung dieser Einkünfte die Diskriminierungsverbote des DBA-Großbritannien und des EWG-Vertrags nicht entgegen.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3; DBA-Großbritannien Art. XII; DBA-Großbritannien Art. XX Abs. 1; EWGVtr Art. 7

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Wohltätigkeitsorganisation zur wissenschaftlichen Erforschung bestimmter Krankheiten. Sie hat ihren Sitz in Großbritannien und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Die Klägerin war 1968 aufgrund einer Erbeinsetzung Miteigentümerin eines im Inland gelegenen Hausgrundstücks geworden, das im Jahr 1972 verkauft worden ist. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog die Klägerin mit ihren Einkünften aus diesem Grundstück für die Jahre 1968 bis 1972 zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe heran. In der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage, in welcher sie die ersatzlose Aufhebung der Steuerbescheide beantragte, machte die Klägerin geltend, nur weil sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung nicht im Inland habe, entfalle gemäß § 4 Abs. 3 KStG die Steuerfreiheit der Einkünfte nach Abs. 1 Nr. 6 dieser Vorschrift. Eine Unterscheidung, die die Steuerpflicht vom dem Sitz einer gemeinnützigen Organisation abhängig mache, sei diskriminierend.

Das FG, dessen Urteil in EFG 1975, 33, veröffentlicht ist, wies die Klage ab.

In ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des Art. XX des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 - DBA-Großbritannien - (BGBl II, 359, BStBl I 1966, 730) und des in einer Reihe von Vorschriften des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) zum Ausdruck kommenden Diskriminierungsverbots. Art. XX DBA-Großbritannien verbiete eine unterschiedliche Besteuerung, die darauf abstelle, wo eine Personenvereinigung eines der Vertragstaaten ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung habe. Gegen den EWG-Vertrag werde insofern verstoßen, als die Steuerfreiheit gemeinnütziger Vereinigungen an der Sitzfrage scheitern solle. Die gemeinnützige Tätigkeit der Klägerin wirke sich auch in der Bundesrepublik aus.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung gemäß ihrem Klageantrag zu entscheiden.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die in § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG ausgesprochene Steuerbefreiung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, greift gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift nicht Platz, wenn die genannten Körperschaften usw. beschränkt steuerpflichtig sind. Beschränkt steuerpflichtig sind die Körperschaften, die im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz haben, aber inländische Einkünfte beziehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Danach ist die Klägerin mit ihren Einkünften aus dem Grundstück beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Bestimmungen des DBA-Großbritannien stehen der Besteuerung nicht entgegen. Art. XII DBA-Großbritannien hat dem Belegenheitsstaat die Besteuerung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen freigestellt. Die Körperschaftsteuer beträgt 49 v. H. des Einkommens (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 KStG). Das FA hat die Körperschaftsteuer diesen Vorschriften entsprechend festgesetzt. Diese Festsetzung ist nicht rechtswidrig.

2. Art. XX Abs. 1 DBA-Großbritannien, der wörtlich dem Art. 24 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens entspricht und der den Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung (Nichtdiskriminierung) der Staatsangehörigen eines Vertragsstaats durch den anderen Vertragsstaat beinhaltet, steht der Besteuerung der Klägerin nicht entgegen. Nach der genannten Vorschrift des DBA-Großbritannien darf die Besteuerung nicht anders oder belastender sein als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen die Staatsangehörigen des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können. Wesentlich sind die Worte "unter gleichen Verhältnissen". Sie beziehen sich auf Steuerpflichtige (natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften und Personenvereinigungen), die sich hinsichtlich der Anwendung der allgemeingültigen Steuergesetze in ähnlichen rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen befinden. Nach der amtlichen Kommentierung zum OECD-Musterabkommen (vgl. Korn-Dietz-Debatin, Doppelbesteuerung, Bd. I Vorbemerkungen, Anhang A; Bericht des Steuerausschusses der OECD 1963, herausgegeben vom Bundesminister der Finanzen 1965) darf ein Vertragsstaat, der für die Gewährung von Steuervergünstigungen bei seinen Staatsangehörigen danach unterscheidet, ob sie in seinem Gebiet ansässig sind oder nicht, nicht verpflichtet werden, den Staatsangehörigen des anderen Staates, die nicht in seinem Gebiet ansässig sind, die gleiche Behandlung zu gewähren wie seinen eigenen in seinem Gebiet ansässigen Staatsangehörigen; er ist aber verpflichtet, ihnen die gleiche Behandlung wie seinen nicht in seinem Gebiet ansässigen Staatsangehörigen zukommen zu lassen. Wie der erkennende Senat mehrfach zu dem gleichlautenden Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 - DBA Frankreich - (BGBl II, 398, BStBl I 1961, 343) ausgesprochen hat, besagt das, daß deutsche und Staatsangehörige des anderen Vertragsstaates, die beide beschränkt steuerpflichtig sind, im Rahmen dieser beschränkten Steuerpflicht gleich behandelt werden müssen, ebenso wie Staatsangehörige, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind, im Rahmen dieser unbeschränkten Steuerpflicht gleichzubehandeln sind (Urteile des BFH vom 13. Januar 1970 I 32/65, BFHE 98, 334, und vom 30. Oktober 1973 I R 38/70, BFHE 111, 235, BStBl II 1974, 255).

3. Die Steuerbescheide verstoßen ferner nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWG-Vertrag und die speziellen Ausformungen, die dieses Verbot in den einzelnen Sachbereichen des EWG-Vertrags gefunden hat. Großbritannien war in der Zeit, für die die hier streitigen Körperschaftsteuern festgesetzt worden sind, noch nicht Mitglied der EWG. Der Beitritt erfolgte erst zum 1. Januar 1973 (Art. 2 Abs. 2 des Beitrittsvertrags vom 22. Januar 1972, Gesetz zu dem Beitrittsvertrag vom 2. Oktober 1972, BGBl II 1972, 1125, und Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Vertragswerks vom 8. März 1973, BGBl II 1973, 175). Die Körperschaftsteuer für die einzelnen Streitjahre ist jeweils mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, z. B. die Körperschaftsteuer 1972 mit Ablauf dieses Jahres, entstanden (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c StAnpG). Der Beitrittsvertrag mit Großbritannien war zu dieser Zeit noch nicht in Kraft. Ausdrückliche Vorschriften des EWG-Vertrags oder des Beitrittsvertrags in der Hinsicht, daß die Geltendmachung vorher entstandener Abgabenansprüche beschränkt sein soll, existieren nicht.

Aber auch wenn man der Meinung sein sollte, daß das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch die Geltendmachung hoheitlicher Ansprüche erfaßt, die schon vor dem Beitritt eines Staates zur Gemeinschaft entstanden sind, ist zu beachten, daß Art. 7 EWG-Vertrag und die speziellen Diskriminierungsverbote nur einschlägig sind, soweit die Integration der Mitgliedstaaten aufgrund des Vertrags reicht (Groeben-Boeckh-Thiesing, Kommentar zum EWG-Vertrag, 2. Aufl., Art. 7 Anm. I 2). Die Steuervorschriften des EWG-Vertrags - Art. 95 bis 99 - befassen sich nur mit den indirekten Abgaben (Umsatzsteuern, Verbrauchsteuern), nicht dagegen mit den direkten Steuern wie Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Vermögensteuer. Hinsichtlich dieser Steuern hat eine Integration oder Harmonisierung noch nicht stattgefunden. Art. 220 EWG-Vertrag schreibt nur vor, daß die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, untereinander Verhandlungen einzuleiten haben, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft zu beseitigen. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien ist ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen schon vor dem Beitritt Großbritanniens zur Gemeinschaft geschlossen worden. Es stellt in seiner Anwendung ab auf die Ansässigkeit der natürlichen und nichtnatürlichen Personen. Die Staatsangehörigkeit ist in dem schon erwähnten Art. XX DBA-Großbritannien insofern angesprochen, als ausdrücklich die Gleichbehandlung der Angehörigen beider Staaten "unter den gleichen Verhältnissen" angeordnet ist. Werden Steuern vom Einkommen gemäß einem Doppelbesteuerungsabkommen, wie es zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik besteht, von den Steuerbehörden der Bundesrepublik geltend gemacht, läuft dies dem Geist und den Absichten des EWG-Vertrags, so wie sie in der Präambel dieses Vertrags zum Ausdruck kommen, nicht zuwider. Ein Verstoß gegen das allgemeine oder ein spezielles Diskriminierungsverbot des EWG-Vertrags kann auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gesehen werden.

4. Das FG hat ferner im Ergebnis zu Recht eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 des Grundgesetzes verneint. Dieser Grundsatz findet auf ausländische juristische Personen keine Anwendung (vgl. Beschluß des BVerfG vom 1. März 1967, 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207, [209]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72181

BStBl II 1977, 175

BFHE 1977, 366

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