Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt einer Grundstückslieferung

 

Leitsatz (NV)

1. Der Eigentümer eines bebauten Grundstücks, der es aus eigenem Recht durch Vermietung nutzt, hat die Verfügungsmacht an dem Grundstück (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634); er behält sie auch dann, wenn er das Grundstück verkauft hat, es aber bis zur Übereignung noch als Vermieter nutzt.

2. Zum Vorsteuerabzug in einem solchen Fall.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1980 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Erwerb, Umbau sowie zur Verwaltung und Nutzung des Hauses X-Straße in A.

Nach dem Erwerb des Gebäudes im Jahre 1980 vermietete sie es zunächst weiter an die bisherige Mieterin zu Ausstellungszwecken bis zum Jahre 1983.

Danach wollte die Klägerin das Gebäude umbauen und an die Firma B vermieten. Dieses Projekt scheiterte jedoch, nachdem die Erbengemeinschaft C (die Beigeladene) als Nachbarin Einwendungen gegen die Baugenehmigung erhoben hatte.

Am 12. September 1984 verkaufte die Klägerin das Grundstück an die Beigeladene zum Preis von ... DM. Auflassung und Übergabe sollten Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises am 1. April 1995 erfolgen. Die Beigeladene sollte berechtigt sein, auf die von der Klägerin begonnenen Bauarbeiten sofort Einfluß zu nehmen. Für den Fall, daß der Nettowert des Grundstücks zum 1. Januar 1995 ... DM übersteige, sollte über den Kaufpreis neu verhandelt werden.

Gleichfalls am 12. September 1984 schloß die Klägerin mit der D-KG, deren Gesellschafter die Beigeladene bzw. deren Mitglieder sind, einen Mietvertrag für die Zeit vom 1. April 1985 bis 31. März 1995. Als monatlicher Mietzins war ein Betrag von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Für den Fall, daß die tatsächlichen die veranschlagten Umbaukosten überschreiten würden, sollten Mehrkosten bis zu ... DM mit 10 v. H. jährlich auf den Mietzins umgelegt und darüber hinausgehende Kosten der Klägerin sofort erstattet werden.

Tatsächlich zahlte die Mieterin ab 1. Juli 1985 Miete -- und zwar laut Steuererklärung für 1985 insgesamt ... DM. Bezogen wurde das Gebäude nach Fertigstellung im Jahre 1986.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin folgende Vorsteuerbeträge aus Baukosten geltend:

1984: ... DM

1985: ... DM

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ging im Anschluß an eine Außenprüfung davon aus, daß die Klägerin das Gebäude der Beigeladenen bereits mit Abschluß des Kaufvertrags vom 12. September 1984 gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) steuerfrei geliefert habe und der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG 1980 ausgeschlossen sei.

Einspruch und Klage hatten im wesentlichen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte unter anderem unter Berufung auf § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aus, daß die Verfügungsmacht an dem Grundstück mit dem Abschluß der Verträge vom 12. September 1984 auf die Beigeladene übergegangen sei. Es verneinte im Anschluß an das FA die Ausführung von Mietumsätzen durch die Klägerin. Es meinte statt dessen, die Umsätze seien als Kreditleistungen umzuqualifizieren. Für diese Kreditumsätze seien die streitbefangenen Vorleistungen aber nicht bezogen worden; sie seien vielmehr für die steuerfreie Grundstückslieferung in Anspruch genommen worden. Auch nach einer Grundstückslieferung bezogene Bauleistungen würden noch zur Ausführung des Grundstücksumsatzes verwendet, wenn entsprechende Baumaßnahmen Gegenstand der Kaufvertragsverpflichtung seien.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie bleibt auf ihrem Standpunkt, daß die Grundstückslieferung erst im Jahre 1995 erfolgt sei und die Bauleistungen zur Ausführung der Mietumsätze verwandt worden seien, auf deren Steuerbefreiung sie verzichtet habe.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Umsatzsteuer für 1984 auf ./. ... DM und für 1985 auf ./. ... DM herabzusetzen.

Die Beigeladene kommt zum selben Ergebnis. Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe das Grundstück ihr (der Beigeladenen) im September 1984 geliefert, daneben aber für sie steuerpflichtige Umbauarbeiten durchgeführt.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die ihm von einem anderen Unternehmer in Rechnung gestellte Steuer als Vorsteuer abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980).

a) Aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht beurteilen, ob die Klägerin während des gesamten Zeitraums, für den sie den Vorsteuerabzug begehrt, Unternehmerin war.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980). Der Unternehmer muß nachhaltig Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbringen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Dezember 1993 V R 103/88, BFHE 173, 262, BStBl II 1994, 278). Die Unternehmereigenschaft endet regelmäßig nicht, bevor der Unternehmer seine Leistungstätigkeit eingestellt, insbesondere die seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstände veräußert oder entnommen hat.

Die Klägerin war demzufolge jedenfalls bis zum 12. September 1984 aufgrund ihrer bis dahin ausgeführten Vermietungsumsätze Unternehmerin.

Auch danach blieb sie Unternehmerin, wenn sie ihr Grundstück an die D-KG vermietet hat.

Das FG hat dies mit der Erwägung verneint, daß die Klägerin am 12. September 1984 das "wirtschaftliche Eigentum" an dem Grundstück gemäß § 39 Abs. 2 AO 1977 auf die Beigeladene übertragen habe. Diese Überlegung ist bereits deshalb fehlerhaft, weil der Vermieter nicht notwendig Eigentümer des vermieteten Gegenstands sein muß, so daß ein wirksames Mietverhältnis nicht allein mit dem Hinweis auf fehlendes rechtliches oder "wirtschaftliches" Eigentum verneint werden kann. Die nicht weiter begründete Ansicht des FG, daß eine Vermietung an die D-KG nicht ernsthaft vereinbart war oder nicht durchgeführt wurde und die Mietzahlungen in Wahrheit Zinszahlungen für eine gestundete Kaufpreisforderung darstellten, findet keine hinreichende Stütze in dem vom FG festgestellten Sachverhalt. Ein ernsthaft vereinbartes und durchgeführtes Mietverhältnis kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, daß die "Mietzahlungen" Kaufpreiszahlungen gewesen seien. Eine derartige Annahme käme allenfalls in Betracht, wenn bei der (endgültigen) Kaufpreisfestsetzung die "Mietzahlungen" kaufpreismindernd berücksichtigt wurden oder berücksichtigt werden sollten. Hierzu fehlen bislang Feststellungen; das FG hat Gelegenheit, sie im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Auf die Frage, ob das Mietverhältnis ertragsteuerlich anzuerkennen ist, kommt es hier nicht entscheidend an (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913).

b) Selbst wenn die Klägerin bis Ende 1985 Unternehmerin gewesen wäre, kann der Senat aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht beurteilen, ob die Klägerin die bezogenen Bauleistungen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 für eine steuerfreie Grundstückslieferung verwendet hat.

Die Lieferung eines Gegenstandes i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 UStG 1980 liegt u. a. dann vor, wenn ein Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1994 V R 114/91, BFHE 175, 164, BStBl II 1994, 878).

Das FG hat zwar zutreffend ausgeführt, daß ein Grundstücksveräußerer dem Käufer eines bebauten Grundstücks bereits vor Eigentumsübergang die Verfügungsmacht verschaffen kann (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 279). Dies setzt aber voraus, daß bereits vor der Übereignung des Grundstücks Substanz, Wert und Ertrag auf den Käufer übergegangen sind.

Dagegen, daß dies im Streitfall so war, spricht bereits der Umstand, daß die Klägerin als Bauherrin noch einen tatsächlichen Einfluß auf das Grundstück nehmen konnte und gemäß § 4 Nr. 3 des Kaufvertrags bis zum 31. März 1995 die Steuern und Abgaben für das Grundstück zu tragen hatte. Auch die vertragliche Regelung, daß bei größeren Wertsteigerungen des Grundstücks über den endgültigen Kaufpreis neu verhandelt werden sollte, ist kaum damit vereinbar, daß der Wert des Grundstücks bereits am 12. September 1984 auf die Beigeladene übergegangen sein könnte. Entsprechendes gilt für die Übertragung des Grundstücksertrags. Der Eigentümer eines bebauten Grundstücks, der dieses aus eigenem Recht durch Vermietung nutzt, hat weiterhin die Verfügungsmacht an dem Grundstück (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634); er behält sie auch dann, wenn er das Grundstück verkauft hat, dieses aber bis zur Übereignung noch als Vermieter nutzt. Hieran kann auch der Umstand nichts ändern, daß im Streitfall Mieter und Käufer (die Beigeladene) miteinander personell verflochten waren und daß der Mietvertrag und der Kaufvertrag aufeinander abgestimmt sind. Selbst bei einem Kaufanwärter, der ein Grundstück nach § 4 Nr. 12 Buchst. b UStG 1980 nutzt, ist zwischen der Überlassung des Grundstücks zur Nutzung und der Grundstückslieferung zu unterscheiden (vgl. Rüttinger in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 4 Nr. 12 Rz. 448).

Wenn das Grundstück in den Streitjahren der Klägerin verblieb und ein ernsthaft vereinbartes -- und als solches durchgeführtes -- Mietverhältnis mit der D-KG vorlag, wurden die Bauleistungen, für die die Klägerin den Vorsteuerabzug begehrt, nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 zur Ausführung einer steuerfreien Grundstückslieferung verwandt, sondern für die Mietumsätze an die D-KG. Eine Verwendung für eine steuerpflichtige Leistung an die Beigeladene ("Weiterlieferung" an die Beigeladene) käme allenfalls in Betracht, wenn die Beigeladene der Klägerin die Baukosten, um die es hier geht, ganz oder teilweise ersetzt hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420859

BFH/NV 1996, 270

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