Leitsatz (amtlich)

Für die Errichtung eines zum Anlagevermögen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gehörenden Gebäudes, das nur zum Teil eigengewerblichen Zwecken des Investors dient, im übrigen aber privat genutzt wird, kann hinsichtlich des eigengewerblich genutzten Gebäudeteils eine Investitionszulage gewährt werden.

 

Normenkette

InvZulG 1969 § 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Hotel. Im Jahre 1969 errichtete sie ein Appartementhaus mit Ferienwohnungen. Auf ihren Antrag hin erhielt sie mit Bescheid vom 3. Dezember 1970 eine Investitionszulage von 47 044,09 DM. Anläßlich einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (FA) fest, daß das errichtete Gebäude zu rd. 18 v. H. privat genutzt wurde. Er forderte daraufhin mit Bescheid vom 7. Juli 1971 die gewährte Investitionszulage in vollem Umfang zurück. Zur Begründung berief sich das FA auf einen Erlaß des niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 23. Oktober 1970 (S 1987 - 2 - 311). In dieser Verwaltungsanweisung wird die Auffassung vertreten, daß Investitionszulagen für Gebäude nur dann zu gewähren seien, wenn die anderen als eigenbetrieblichen Zwecken dienenden Nutzflächen 10 v. H. der gesamten Nutzfläche des Gebäudes nicht übersteigen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FG gab der Klage mit den in den EFG 1974, 383, abgedruckten Gründen statt. Seiner Ansicht nach ist die in den Verwaltungsanweisungen enthaltene Einschränkung weder durch den Wortlaut noch durch den Sinn und Zweck des Gesetzes gedeckl. Bei der Bemessungsgrundlage seien die gesamten Herstellungskosten des Gebäudes anzusetzen. Eine Kürzung um den auf die Privaträume entfallenden Anteil sei nicht zulässig.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 1 InvZulG 1969 gerügt wird. Das FA ist der Ansicht, daß der in § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 enthaltene Begriff des "Anlagevermögens" im Streitfall nicht nach einkommensteuerlichen Grundsätzen auszulegen sei. Das Investitionszulagengesetz 1969 begünstige nämlich von seiner Zielsetzung her gesehen nur Betriebsgebäude, die ausschließlich oder doch zu mindestens 90 v. H. eigenbetrieblichen Zwecken dienten. Wenn der Geseztgeber eine darüber hinausgehende Begünstigung nicht eigenbetrieblicher Zwecke billigend hätte in Kauf nehmen wollen, so hätte er dies, wie beispielsweise in § 2 Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 1969, zum Ausdruck bringen müssen. Die Neufassung in § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1973 (BGBl I 1973, 1494, BStBl I 1973, 645) stellt nach Ansicht des FA keine materielle Rechtsänderung dar. Es handele sich hierbei vielmehr um Verbesserungen und Klarstellungen technischer oder redaktioneller Art.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach dem im Streitfall maßgebenden § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) ist die Investitionszulage zurückzuzahlen, wenn nach ihrer Auszahlung festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht oder nur zum Teil vorgelegen haben, und zwar insoweit, als sie zu Unrecht gewährt worden ist. Im Streitfall haben die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage nur zum Teil vorgelegen.

Nach § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 wird eine Investitionszulage für die im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung einer in förderungsbedürftigen Gebieten belegenen Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gewährt. Was unter "Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" i. S. des Investitionszulagengesetzes 1969 zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Die Ausdrucksweise des § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 entspricht jedoch derjenigen des EStG. Dies gilt auch für den Begriff "Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Es liegt daher zwar nahe, bei der Umschreibung dieses Begriffs grundsätzlich an die Auslegung des Einkommensteuergesetzes anzuknüpfen (vgl. Urteile des BFH vom 21. Juli 1966 IV 231/65, BFHE 87, 178, BStBl III 1967, 58, Urteil vom 21. Juli 1966 IV 289/65, BFHE 87, 180, BStBl III 1967, 59). Es ist jedoch nicht zwingend geboten, diese Auslegung in allen Einzelheiten zu übernehmen. Insbesondere kann der Zweck des Investitionszulagengesetzes der uneingeschränkten Übernahme einkommensteuerrechtlicher Grundsätze in das Investitionszulagenrecht entgegenstehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1966 VI 55/65, BFHE 87, 313, BStBl III 1967, 125).

2. Wird ein Gebäude teils betrieblich, teils privat genutzt, dann kann der Kaufmann nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen das Grundstück in vollem Umfang als Betriebsvermögen und damit als Anlagevermögen behandeln, wenn die Benutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht überwiegt, d. h. nicht mehr als 50 v. H. beträgt (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1960 I 103/60 S, BFHE 72, 259, BStBl III 1961, 97, Urteil vom 12. November 1964 IV 99/63 S, BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46, Urteil vom 12. Februar 1976 IV R 188/74, BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663).

Es widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck des Investitionszulagengesetzes 1969, in einem solchen Fall für die Anschaffung und Herstellung von Wirtschaftsgütern auch insoweit eine Investitionszulage zu gewähren, als diese Wirtschaftsgüter der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen dienen.

Die Investitionszulage dient einer durchgreifenden Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Durch sie soll vor allem zur Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze im Zonenrandgebiet, in den Bundesausbaugebieten und in den Bundesausbauorten beigetragen werden, die als Ersatz für durch den Strukturwandel freigesetzte Arbeitskräfte und für eine krisenfeste Struktur dieser Räume unbedingt notwendig sind - vgl. Bundestags-Drucksache V/3890, S. 18 -. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern durch Investitionen, die den privaten Lebensbereich betreffen, der Zweck des Investitionszulagengesetzes erreicht werden könnte.

3. Wendet man diese Grundsätze auf die Gewährung von Investitionszulage bei Herstellung eines Gebäudes an, so kann die Investitionszulage nicht bereits deshalb in vollem Umfang versagt werden, weil der Investor das Gebäude zu mehr als 10 v. H. privat nutzt.

Der Senat setzt sich mit dieser Auffassung auch nicht in Widerspruch zur bilanzrechtlichen Behandlung von Gebäudeteilen. Denn für die Fälle, in denen ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils privat genutzt wird, hat der Große Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) ausgesprochen, daß die einzelnen Teile als selbständige Wirtschaftsgüter gesondert zu behandeln sind. Nach Ansicht des Senats sind diese Grundsätze auch im Investitionszulagengesetz 1969 zur Abgrenzung der begünstigten, weil betrieblich genutzten und der nicht begünstigten, weil privat genutzten Gebäudeteile anwendbar. Eine derartige Aufteilung steht in Einklang mit dem vom Gesetzgeber bezweckten Erfolg. Entscheidend ist, daß durch die Herstellung des betrieblich genutzten Teils des Gebäudes auf Dauer neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Insoweit ist der gesetzgeberische Zweck erfüllt.

Es kann im übrigen für die Gewährung der Investitionszulage keinen Unterschied machen, ob der Investor den privat genutzten Teil der Investition von vornherein steuerlich als Privatvermögen behandelt (vgl. Schreiben des BdF vom 4. November 1974 IV B 2 - S 1987 - 58/74, BStBl I 1974, 938) oder - soweit zulässig - zum gewillkürten Betriebsvermögen zieht.

Dementsprechend kann für die Errichtung eines zum Anlagevermögen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gehörenden Gebäudes, das nur teilweise eigengewerblichen Zwecken des Investors dient, im übrigen aber privat genutzt wird, - nur - hinsichtlich des eigengewerblich genutzten Gebäudeteils eine Investitionszulage gewährt werden. Das ist jedenfalls nach Auffassung des Senats die Rechtslage nach dem Investitionszulagengesetz 1969. Ob nach der Neufassung in § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1973 die Rechtslage anders zu beurteilen ist, kann hier dahingestellt bleiben.

4. Der Senat kann im übrigen unerörtert lassen, ob die vorstehend aufgezeigten Grundsätze für die Aufteilung eines Gebäudes in einen zulagebegünstigten und einen nicht zulagebegünstigten Teil auch auf bewegliche Wirtschaftsgüter anwendbar sind. Diese Frage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

5. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der Senat ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG betrugen die auf den privat genutzten Teil des von der Klägerin errichteten Gebäudes entfallenden Herstellungskosten 84 679,36 DM. Hieraus errechnet sich eine zu Unrecht gewährte Investitionszulage von 8 467,94 DM. In dieser Höhe setzt der Senat die von der Klägerin zurückzuzahlende Investitionszulage fest.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72435

BStBl II 1977, 734

BFHE 1978, 382

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