Leitsatz (amtlich)

1. Wird bei vergleichsweiser Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Mehrheit von Grundstücken zunächst nur in der Weise aufgeteilt, daß der eine Gesellschafter Grundstücke im Werte von 2/5, der andere Gesellschafter Grundstücke im Werte von 3/5 aller Grundstücke erhalten soll, wird aber die reale Aufteilung der einzelnen Grundstücke einem Dritten übertragen, so ist der Erwerbsvorgang erst mit Zuteilung der einzelnen Grundstücke durch den Dritten an den einzelnen Gesellschafter abschließend verwirklicht.

2. Zur Frage der Übertragung der Verwertungsbefugnis zwischen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihren Gesellschaftern.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 2; StAnpG § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Im Januar 1927 hatten der Kläger, ein Bauunternehmer, und der Architekt F. einen auf den An- und Verkauf, auf den Neu- und Umbau und auf die Verwaltung von Grundbesitz gerichteten Gesellschaftsvertrag - mit Gewinn- und Verlustbeteiligung zu gleichen Teilen - geschlossen. Im Rahmen eines Zivilprozesses zwischen den Gesellschaftern stellte das Landgericht (LG) 1948 durch rechtskräftiges Teilurteil fest, daß der privatschriftliche Vertrag vom Januar 1927 (mit Nachtragsvertrag vom Februar 1928) rechtswirksam war. Der seit dem Tode des Architekten F. (Juli 1952) mit dessen Erben fortgeführte Auseinandersetzungsrechtsstreit endete mit einem gerichtlichen Vergleich vom Dezember 1953 über die Verteilung der zum Vermögen der Grundstücksgesellschaft gehörigen Grundstücke. Danach wurden 17 Grundstücke, von denen 16 vom Kläger für die Grundstücksgesellschaft gekauft, aber auf seinen Namen im Grundbuch eingetragen worden waren, in der Weise aufgeteilt, daß die Erben F. Grundstücke im Werte von 2/5 und der Kläger solche im Werte von 3/5 des gesamten gegenwärtigen Wertes des Grundbesitzes erhalten sollten. Die Wertermittlung und die alsdann vorzunehmende reale Aufteilung der Grundstücke übertrugen die Parteien dem Architekten W., der hierbei den baulichen und wirtschaftlichen Zusammenhang der Grundstücke (Baublocks) und persönliche Wünsche der Parteien zu berücksichtigen und im übrigen die Grundstücke unparteiisch nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Billigkeit zu verteilen hatte.

Im Februar 1955 erkannten die Parteien - entsprechend ihrer Verpflichtung im Prozeßvergleich vom Dezember 1953 - den Verteilungsplan ("Wertschätzung") des Architekten W. vom April 1954/Januar 1955 schriftlich als verbindlich an und verpflichteten sich, anschließend die zur Grundbuchumschreibung erforderlichen Erklärungen abzugeben. Durch die Aufteilung waren dem Kläger 12, den Erben F. fünf Grundstücke zugefallen. Vier dieser fünf Grundstücke waren bisher auf den Namen des Klägers im Grundbuch eingetragen, so daß insoweit Auflassung (im Juli 1958) und Grundbuchumschreibung erforderlich wurden, nicht aber hinsichtlich der dem Kläger zugesprochenen, im Grundbuch bereits auf seinen Namen eingetragenen 12 Grundstücke.

Das FA - Beklagter - vertrat die Auffassung, daß an diesen 12 Grundstücken die Verwertungsbefugnis bisher der Grundstücksgesellschaft zugestanden habe, die nach Auflösung der Gesellschaft in Erfüllung des Prozeßvergleichs vom Dezember 1953 und im Anschluß an die Anerkennung des Verteilungsplanes im Februar 1955 durch die Auseinandersetzung im Juli 1958 auf den Kläger übergegangen sei.

Gegen den Steuerbescheid vom Februar 1962 legte der Kläger Sprungberufung ein. Er bestritt einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang. Jedenfalls sei ein etwaiger Grunderwerbsteueranspruch - allenfalls begründet bereits durch den Prozeßvergleich vom Dezember 1953 (spätestens durch die Anerkennung der Wertschätzung im Februar 1955) - verjährt.

Dementgegen verblieb der Beklagte dabei, daß der Steueranspruch erst mit der aufgrund des Verteilungsplans durchgeführten Grundstücksauseinandersetzung im Juli 1958 entstanden sei. Aber auch bei einem Entstehungszeitpunkt vom Februar 1955 (Anerkennung des Verteilungsplanes) sei der Steueranspruch nicht verjährt, da die Verjährung durch seine Ermittlungen beim Grundbuchamt hinsichtlich der Steuerpflicht unterbrochen worden sei.

Das FG wies die Berufung zurück.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß die Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) hinsichtlich der Grundstücke, die der Kläger aufgrund des Gesellschaftsvertrags von 1927 im Laufe der Jahre im eigenen Namen, aber für die Grundstücksgesellschaft gekauft hatte, auf diese selbst übergegangen war. Diesen Standpunkt hat der Kläger mit der Revision nicht angegriffen.

Nach dem vom FG teils wörtlich angeführten, insgesamt in Bezug genommenen, vom LG durch rechtskräftiges Urteil für wirksam erachteten Gesellschaftsvertrag durfte der Kläger "für sich allein kein Immobiliengeschäft abschließen, weder kaufen noch verkaufen". Vielmehr war der Zweck der Gesellschaft u. a. auf den Kauf von Grundstücken zu "gemeinsamem Besitz" gerichtet. Auch die anderen Grundstücksgeschäfte (Um- oder Neubau, Verwaltung, Verkauf) gingen unter gleicher Gewinn- und Verlustbeteiligung auf gemeinsame Rechnung, gleichgültig, auf wessen Namen die Grundstücke im Grundbuch eingetragen wurden. Die Grundstücke wurden im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander wie Eigentum der Gesellschaft behandelt. Dem entspricht, daß die Parteien sich in dem Vergleich von 1953 über die streitigen Grundstücke ausdrücklich als "des Vermögens der Grundstücksgesellschaft ... auseinandersetzten". Daß alle (auch der andere) Gesellschafter nur vermittels des Gesellschaftsverhältnisses gleichberechtigt nicht nur an den laufenden Nutzungen und Aufwendungen, sondern auch an den Wertänderungen (Steigerungen und Minderungen) während des Gesellschaftsverhältnisses, also an der ganzen Substanz des Grundstücks teilhaben sollten, ergibt sich daraus, daß für die im Vergleich vorgesehene anteilmäßige reale Aufteilung der gegenwärtige Grundstücks- und Gebäudewert aller Grundstücke maßgebend war. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, unter denen gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG das Grundstück der Grundstücksgesellschaft selbst wie ihr Eigentum zuzurechnen war (Urteil des BFH II R 135/68 vom 10. März 1970, BFH 99, 68, 73, BStBl II 1970, 522 mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung des Senats).

2. Daraus folgt, daß die nach Auflösung der Gesellschaft durch den Tod des anderen Gesellschafters (§ 727 BGB) im Zuge der Auseinandersetzung über das Vermögen der Gesellschaft (§§ 730 ff. BGB) vorgenommene Aufteilung der Grundstücke und die Zuweisung des streitigen Grundstücks an den Kläger (trotz seiner zivilrechtlichen Eigentümerstellung) notwendigerweise wiederum eine Übertragung der Verwertungsbefugnis auf den Kläger umschließen. Erwirbt ein Gesellschafter im Einverständnis mit seinem Mitgesellschafter Grundstücke im eigenen Namen für die Gesellschaft, so entsteht die Verpflichtung zur Übereignung der Grundstücke in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 BGB) - auch ohne eine Vereinbarung in der Form des § 313 BGB - kraft Gesetzes nach den Regeln über den Auftrag (§§ 713, 667 BGB; Kessler bei Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., § 713 Tz. 1 mit weiteren Nachweisen). Hatte die Gesellschaft bis zur Auflösung und Vollbeendigung (vgl. Thomas bei Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 30. Aufl., Vorbemerkung 2 vor § 723 BGB) zwar die Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG), nicht aber auch das zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück erworben und wird mit der Zuteilung des Grundstücks an einen Gesellschafter im Rahmen der Auseinandersetzung der Übereignungsanspruch der Gesellschaft gegenstandslos, so liegt hierin ein Rechtsvorgang, der es dem Gesellschafter - ohne (nicht mögliche und nicht erforderliche) Begründung eines Anspruchs auf Übereignung - (erst jetzt) rechtlich und wirtschaftlich ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG).

3. Der Grunderwerbsteueranspruch aus diesem Erwerbsvorgang ist nicht verjährt.

Die Verjährung begann, da die Sondervorschrift des § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO in der Fassung vor Inkrafttreten der FGO für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 GrEStG nicht in Betracht kam (BFH-Urteil II 95/60 U vom 13. Dezember 1961, BFH 74, 230, BStBl III 1962, 87), nach der Regelvorschrift des § 145 AO a. F. mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Grunderwerbsteueranspruch entstanden war. Der Grunderwerbsteueranspruch entsteht, soweit die Möglichkeiten des § 3 Abs. 5 Nr. 5 StAnpG ausscheiden, mit Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 GrEStG (§ 3 Abs. 1 StAnpG).

a) Der Kläger meint, der Steueranspruch sei bereits durch den Prozeßvergleich vom Dezember 1953 entstanden, da in diesem alle zu verteilenden Grundstücke und das Aufteilungsverhältnis (2/5 zu 3/5) enthalten gewesen seien. Die Grundstückswerte habe der Beklagte erforderlichenfalls selbst ermitteln müssen, so daß er rechnerisch habe feststellen können, wie viele Grundstücke auf jede der Vertragsparteien entfallen würden. Diese Auffassung trifft nicht zu. Die Finanzverwaltung hat zwar gegebenenfalls die Grundstückswerte als Bemessungsgrundlagen (§§ 10, 11 GrEStG) selbst zu ermitteln. Welche Grundstücke jeder der Beteiligten erhielt (§§ 1, 2 GrEStG), hing jedoch allein von der Zuteilung der Grundstücke durch den Schiedsgutachter ab.

Der Grunderwerbsteuer unterliegen Erwerbsvorgänge über einzelne Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 GrEStG) oder mehrere Grundstücke, die eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 2 Abs. 2 GrEStG). Das FG hat nicht verkannt, daß der Prozeßvergleich vom Dezember 1953 eine formbedürftige und den Formvorschriften des § 313 BGB genügende und deshalb bindende Vereinbarung enthält, die 17 Grundstücke auf die Prozeßparteien aufzuteilen. Die nachfolgende reale Aufteilung durch den Sachverständigen und deren vorgesehene Anerkennnung durch die Beteiligten im Januar/Februar 1955 waren formfrei möglich (RGZ 165, 161, 163; vgl. auch BGH in NJW 1969, 131; OGH Brit. Zone II ZS 6/48 vom 21. Oktober 1948, OGHZ 1, 206, 208, NJW 1949, 64). Der Umstand, daß ein Dritter als Sachverständiger den Wert der Grundstücke erst zu schätzen und danach die Grundstücke in einem bestimmten Wertverhältnis real aufzuteilen hatte (vgl. § 317 BGB), schließt, da die Leistungsverpflichtung bestimmbar war, nicht aus, daß der Vergleich bereits die wirksame Verpflichtung zur Aufteilung, gegebenenfalls förmlichen Übertragung der Grundstücke insgesamt enthielt (vgl. Wilde, Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 11. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 315-319 BGB). Diese Verpflichtung war auch nicht etwa durch die Bestimmung der Leistung seitens des Dritten aufschiebend bedingt (vgl. Oertmann, Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 317, Anm. 3; Kaduk bei Staudinger, Kommentar zum BGB 10./11. Aufl., § 317 Tz. 2). Es ist aber - als für die grunderwerbsteuerrechtliche Entscheidung erheblich - nicht zu verkennen, daß die nachfolgenden Bestimmungen des Sachverständigen eine notwendige Vereinbarungsergänzung enthalten, die den Vertragsinhalt erst verbindlich konkretisiert hat (vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 10. Aufl., I. Bd., § 6 II b S. 66; Heinrichs bei Palandt, Kommentar zum BGB, 30. Aufl., § 315 Anm. 1, 3 II, § 317 Anm. 2, § 318 Anm. 1). Es ist weiter bedeutsam, daß die Bestimmungserklärung ein einseitiges empfangsbedürftiges (§ 318 Abs. 1 BGB) Rechtsgeschäft mit rechtsgestaltender Wirkung ist (Heinrichs, a. a. O., § 317 Anm. 2 c, § 318 Anm. 1; Reimer Schmidt bei Soergel/Siebert, Kommentar zum BGB, 10. Aufl., § 317 Tz. 1), der als Gültigkeitsvoraussetzung einer Vereinbarung keine rückwirkende Kraft zukommt (Bötticher in der Festschrift für Dölle "Vom deutschen zum europäischen Recht" Bd. I S. 41, 51, 67; Kaduk, a. a. O., § 317 Tz. 1 mit § 315 Tz. 8).

Erst durch die abschließende Aufteilungs-Aufstellung mit Wertermittlung des Sachverständigen vom Januar 1955 mit - vereinbarungsgemäß - verbindlicher Anerkennung der Beteiligten im Februar 1955 war in der grunderwerbsteuerrechtlich erforderlichen Weise konkretisiert, welche bestimmten Grundstücke der Kläger und welche die anderen Beteiligten zu beanspruchen hatten. Erst zu diesem Zeitpunkt war der - bei der Grunderwerbsteuer als einer Steuer auf den einzelnen Verkehrsvorgang maßgebende - Erwerbsvorgang abgeschlossen und im Sinne des § 3 Abs. 1 StAnpG verwirklicht. Zum selben Ergebnis käme man, wenn man - was naheliegt - den Erwerbsvorgang wegen der Abhängigkeit der Grundstückszuteilung von der an sich gewissen, aber zeitlich ungewissen Bestimmung durch den Dritten in Anwendung des Rechtsgedankens der Befristung (§§ 162, 158 BGB) dahin würdigen würde, daß der Steueranspruch nach der (auch bei Befristung anwendbaren: vgl. Boruttau/Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 9. Aufl., § 19 Nr. 4 a) Vorschrift des § 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. a. StAnpG mit wirksamer Grundstücksaufteilung erst durch den Sachverständigen (hier mit verbindlicher Anerkennung der Beteiligten) im Januar/Februar 1955 entstanden war.

Die vorstehend allgemein zu § 1 GrEStG dargelegten Grundsätze gelten auch für den Rechtsvorgang des § 1 Abs. 2 GrEStG, da die alleinige Verwertungsbefugnis durch den Kläger ebenfalls erst erworben sein konnte, nachdem feststand, welche Grundstücke im einzelnen auf ihn entfielen (vgl. BFH-Urteil II 171/63 vom 11. Mai 1966, BFH 86, 252, 255, BStBl III 1966, 400).

b) Da der Steueranspruch demnach im Jahre 1955 entstanden ist, begann die Verjährungsfrist mit Ablauf dieses Jahres und hätte mit Ablauf des Jahres 1960 geendet (§§ 144 Satz 1, 145 Abs. 1 AO a. F.). Die Verjährungsfrist ist jedoch durch Maßnahmen des Beklagten zur Feststellung des Steueranspruchs unterbrochen worden (§ 147 AO a. F.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69572

BStBl II 1971, 751

BFHE 1972, 6

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