Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Mieter eines Ladens ist mit dem Wert der von ihm durchgeführten Um- und Ausbauten nur umsatzsteuerpflichtig, wenn diesen Leistungen eine Gegenleistung des Vermieters gegenübersteht. Hat der Mieter die Baukosten allein zu tragen, so kann in dem Verzicht auf eine Mietpreiserhöhung eine Gegenleistung des Vermieters in der Regel nicht gesehen werden.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1; UStDB § 2 Abs. 1; UStG § 3/1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige ließ im Jahre 1958 in zwei von ihr gemieteten Verkaufsläden Um- und Ausbauten vornehmen, wobei Zwischenwände herausgenommen, ein Fußboden gesenkt und neue Fußböden gelegt wurden. Die Umbaukosten betrugen bei dem einen Laden 26.884,20 DM und bei dem anderen 9.585,82 DM. Die baulichen Veränderungen waren bereits in den Mietverträgen vorgesehen. Sie sollten zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen. Der im Mietvertrag festgelegte Mietzins war für den einen Laden auf 11 1/2 Jahre, für den anderen auf 15 Jahre vereinbart. Die Vermieter waren auch nach Beendigung des Mietverhältnisses zu Zahlungen für eine durch die Umbauten erfolgte Wertsteigerung ihrer Grundstücke nicht verpflichtet.

Das Finanzamt zog die Steuerpflichtige für 1958 mit den gesamten Umbaukosten zur Umsatzsteuer heran. Es ging unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 41/57 U vom 10. September 1959 (BStBl 1959 III S. 458, Slg. Bd. 69 S. 533) davon aus, daß die Steuerpflichtige durch die Umbauten Lieferungen an die Vermieter erbracht habe. Die Gegenleistung sah es in dem Verzicht auf eine angemessene Mietsteigerung. Die sofortige Heranziehung mit dem gesamten Betrag hielt das Finanzamt deshalb für berechtigt, weil die Steuerpflichtige nach vereinbarten Entgelten versteuert.

Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts bei. Es sieht einen Gegenwert für den Umbau darin, daß die Vermieter der Steuerpflichtigen die Räume trotz ihres höheren Mietwerts zum bisherigen, ohne Rücksicht auf den Umbau vereinbarten Mietzins überlassen haben. Das Entgelt liege in dem Unterschied zwischen dem Mietwert der Räume im jetzigen, ausgebauten Zustand und dem früheren Zustand. Dieser Wert sei der Steuerpflichtigen für den Ausbau zugeflossen. Es könne keinen Unterschied machen, ob mit Rücksicht auf die Bauarbeiten von vornherein eine niedrigere Miete vereinbart oder die Miete zwar wertentsprechend festgesetzt, jedoch wegen der Baukosten ein Nachlaß gewährt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen das Urteil des Finanzgerichts eingelegte Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen.

Die Vorinstanzen sind bei der Entscheidung der Frage, ob die Steuerpflichtige durch die Umbauten Lieferungen an die Vermieter bewirkt habe, zu Recht von dem Urteil des erkennenden Senats V 41/57 U vom 10. September 1959 (a. a. O.) ausgegangen. Nach diesem Urteil sind auch in dem Eigentumsübergang, wie er kraft Gesetzes nach § 946 in Verbindung mit § 94 Abs. 2 BGB eingetreten ist, Lieferungen zu erblicken. Die Umbauten wurden durch den Einbau Bestandteile der Grundstücke, über die allein der Eigentümer verfügen kann. Das Mietverhältnis steht der Verschaffung der Verfügungsmacht deshalb nicht entgegen.

Eine Umsatzsteuerpflicht dieser Lieferungen kommt auch bei einer Besteuerung nach vereinbarten Entgelten nur in Betracht, wenn ihre Entgeltlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem sie bewirkt wurden, feststand. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall. Entgeltlichkeit würde vorliegen, wenn den Umbauleistungen durch die Steuerpflichtige Gegenleistungen der Vermieter gegenüberstehen würden.

Das Finanzgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, daß der Verzicht der Vermieter auf Erhöhung der Mieten keinen Verzicht auf Rechts darstellt, weil diese Rechte auf höhere Mieten erst durch eine entsprechende änderung der Mietverträge hätten entstehen können. Nach den vorliegenden Verträgen stand den Vermietern ein solches Recht nicht zu.

Das Finanzgericht vertrat jedoch die Auffassung, daß auch der Verzicht auf die Möglichkeit, einen wirtschaftlichen Vorteil wahrzunehmen, Gegenleistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein könne. Diese Auffassung ist insofern richtig, als ein Unternehmer, der gegen Entgelt darauf verzichtet, etwas zu tun, eine steuerbare Leistung erbringt. Es ist in der Umsatzsteuerlehre unbestritten, daß ein solches entgeltliches Unterlassen unter das Umsatzsteuergesetz fällt. Hiernach würde in dem Verzicht auf Mieterhöhung eine Gegenleistung für die Umbauten erblickt werden können, wenn beide im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zueinander stehen würden, also ein Leistungsaustausch vorhanden wäre.

Das Finanzgericht hält diese Voraussetzung für gegeben, weil die Vermieter der Steuerpflichtigen die Räume trotz ihres höheren Mietwerts zum bisherigen Mietpreis überlassen haben. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen waren die Umbaukosten wie verlorene Baukostenzuschüsse zu behandeln und deshalb von der Steuerpflichtigen in vollem Umfang und auch endgültig zu tragen. Für die Vermieter trat durch die Umbauten eine Wertsteigerung ihrer Grundstücke ein, ohne daß sie dafür etwas aufzuwenden brauchten. Bei dieser Sachlage bestand für sie aber keinerlei wirtschaftlich begründetes Interesse, wegen der Erhöhung des Mietwerts der Räume den Mietzins zu erhöhen. Eine Erhöhung der Mieten hätte zu dem Ergebnis geführt, daß die Steuerpflichtige als Mieterin dafür, daß sie auf ihre Kosten eine Verbesserung der Räume herbeigeführt hat, eine höhere Miete hätte bezahlen müssen. Es kann nicht angenommen werden, daß das der Sinn des Verzichts auf Mieterhöhung gewesen ist. Dieser Verzicht kann daher im Zusammenhang mit den Umbauten nur als eine Sicherung für die Steuerpflichtige, nicht aber als Gegenleistung für die Umbauten angesehen werden.

Der vertraglich vereinbarte Verzicht auf Mieterhöhung bezieht sich aber außerdem auf die Miete für die von den Vermietern überlassenen Räume in ihrem damaligen Zustand. Die Vermieter waren nach den Mietverträgen auch nicht berechtigt, die vereinbarte Miete einer etwaigen allgemeinen Mieterhöhung anzupassen. Insoweit bestehen keine Bedenken, einen echten Verzicht anzunehmen. Dieser Verzicht könnte jedoch ebenfalls nur dann als Gegenleistung für die Umbauten angesehen werden, wenn er zu den Umbauleistungen im Verhältnis eines Leistungsaustausches stünde. Dies ist aber nicht der Fall. Für die Beurteilung dieser Frage fällt entscheidend ins Gewicht, daß die Vermieter auch nicht einen Teil der Umbaukosten übernehmen wollten. Insofern weicht der Sachverhalt von dem Tatbestand des Urteils V 41/57 U vom 10. September 1959 (a. a. O.) ab. Dem Verzicht der Vermieter auf Mieterhöhung steht überdies der Verzicht der Steuerpflichtigen auf Mietermäßigung gegenüber. Im übrigen sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die in diesem Zusammenhang auf einen Leistungsaustausch schließen lassen würden. Eine Steuerpflicht scheidet deshalb auch insoweit aus.

Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung waren hiernach aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, war die Umsatzsteuer für 1958 unter Abänderung des Steuerbescheids der Steuererklärung entsprechend nach Kürzung des Berlinhilfebetrags auf ... DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411205

BStBl III 1964, 292

BFHE 1964, 169

BFHE 79, 169

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