Leitsatz (amtlich)

Werden für ein im Jahre 1962 fertiggestelltes Gebäude nach dem 31. Dezember 1964 weitere Herstellungskosten zur Aufstockung aufgewendet, so richtet sich die AfA für das gesamte Gebäude einheitlich nach § 7 Abs. 4 EStG 1965; eine gesonderte AfA nach § 7 Abs. 5 EStG 1965 für die neu hergestellten Gebäudeteile ist nicht zulässig.

 

Normenkette

EStG 1965 § 7 Abs. 4-5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei abschnittsweiser Errichtung eines Gaststätten- und Hotelgebäudes für die einzelnen Bauteile unterschiedliche Absetzungen für Abnutzung (AfA) vorgenommen werden können.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete ein Gaststätten- und Hotelgebäude in mehreren Bauabschnitten. Im Rahmen des ersten, im Jahre 1962 abgeschlossenen Bauabschnitts wurde ein Gebäude mit Räumen für eine Gaststätte erbaut. Im zweiten, im wesentlichen im Jahre 1965 beendeten Bauabschnitt wurde das Gaststättengebäude durch den Zubau eines weiteren Stockwerks - mit Fremdenzimmern - aufgestockt. Im dritten Bauabschnitt, der in den Jahren 1967/1968 vollendet wurde, wurden Gesellschaftsräume und das Treppenhaus fertiggestellt.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1965 begehrte der Kläger, auf die bis zum Jahre 1965 entstandenen Kosten des ersten und zweiten Bauabschnitts die AfA nach der (durch Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 16. Juni 1964, BGBl I, 353, BStBl I 1964, 384, eingefügten) Regelung des § 7 Abs. 5 EStG in Höhe von 3,5 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte das ab und gewährte dem Kläger lediglich eine AfA in Höhe von 2 v. H. der bis zum Jahre 1965 entstandenen Herstellungskosten.

Der Einspruch wurde zurückgewiesen.

Die Klage führte dagegen teilweise zum Erfolg. Zur Begründung seines in den EFG 1970, 63, abgedruckten Urteils vom 10. Oktober 1969 VII 403/67 E führte das FG Düsseldorf, VII. Senat in Köln, aus, die Höhe der zulässigen AfA müsse sich im Falle der abschnittsweisen Herstellung eines Gebäudes nach den jeweiligen Verhältnissen der Teilabschnitte richten. Aus diesem Grunde sei für die Herstellungskosten des ersten Bauabschnitts die nach damals geltendem Recht zulässige AfA zu gewähren, während für die Herstellungskosten des zweiten Bauabschnitts die erhöhte AfA aufgrund des ab 1965 geltenden § 7 Abs. 5 EStG zu gewähren sei.

Mit der - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung des § 7 EStG. Das vom Kläger errichtete Gebäude sei im Jahre 1962 als fertiggestellt anzusehen. Nach § 7 Abs. 1 EStG 1961 seien deshalb die Herstellungskosten bisher linear abzuschreiben gewesen. Durch die Aufstockung des Gebäudes im Jahre 1965 seien weder selbständige Gebäude oder Gebäudeteile entstanden, noch sei ein so grundlegender Umbau vollzogen worden, daß er wirtschaftlich einem Neubau gleichkomme. Deshalb sei auch hinsichtlich der Kosten der zweiten Baumaßnahme nur eine lineare Abschreibung in Höhe von 2 v. H. wie für die Kosten des ersten Bauabschnitts zulässig. Eine getrennte AfA für die neu errichteten Gebäudeteile sei nicht möglich. Eine solche Handhabung gehe von der Zerlegung eines einheitlichen Gebäudes aus; das aber widerspreche der ständigen Rechtsprechung des BFH.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der BdF, der dem Verfahren gem. § 122 Abs. 2 FGO beigetreten ist, vertritt die Auffassung, daß das Gaststättengebäude bereits 1962 fertiggestellt worden sei und die im Jahre 1965 aufgewendeten Kosten nachträgliche Herstellungskosten seien. Die für das Jahr 1965 zu ermittelnde AfA sei unter Berücksichtigung der in diesem Jahre aufgewendeten nachträglichen Herstellungskosten nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG 1965 zu berechnen. Danach seien die nachträglichen Herstellungskosten den ursprünglichen Herstellungskosten des Gebäudes hinzuzurechnen; auf den sich hiernach ergebenden Betrag sei der AfA-Satz von 2 v. H. anzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß auf die nach den einzelnen Bauabschnitten jeweils entstandenen Gebäudeteile eine gesonderte AfA vorgenommen werden kann.

a) Nach § 7 Abs. 1 EStG 1965 ist "bei Wirtschaftsgütern" (nach der für die Jahre 1962 bis 1964 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 EStG: "bei Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern") "...jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt". Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß jeweils das abnutzbare Wirtschaftsgut im ganzen Gegenstand der AfA ist. Das gilt insbesondere auch für Gebäude. Wer ein Gebäude errichtet, hat dieses als einheitliches Wirtschaftsgut mit dem Gesamtbetrag der Herstellungskosten zu bewerten und einheitlich der Nutzungsdauer entsprechend abzuschreiben (vgl. BFH-Beschluß vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672). Wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) hierzu weiter ausgeführt hat, gehören zur Bewertungseinheit eines Gebäudes alle Gebäudebestandteile, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang des Gebäudes als solchem stehen. Demgemäß sind AfA von unselbständigen Teilen des Gebäudes unzulässig, sofern es sich nicht um gesetzlich ausdrücklich zugelassene Sonderabschreibungen (wie z. B. nach § 7 b EStG) handelt (BFH-Beschluß GrS 5/71).

Auch ein in mehreren Bauabschnitten errichtetes Gebäude ist in der Regel eine Bewertungseinheit in dem oben erörterten Sinn. Das gilt insbesondere für den Fall, daß ein nach dem ersten Bauabschnitt bereits in sich geschlossenes und nutzbares Gebäude in späteren Bauabschnitten durch Zubauten ergänzt wird. Solche Ergänzungen verändern ein Gebäude - jedenfalls in der Regel - nicht in seinem Wesen. Der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang, der für das Vorliegen der Bewertungseinheit "Gebäude" entscheidend ist, wird auch im Verhältnis zwischen den bisher schon vorhandenen und den neu hinzugekommenen Bauteilen fortgesetzt. Für ein solches Gebäude kann deshalb nur eine einheitliche AfA vorgenommen werden. - Anders liegt es lediglich dann, wenn im Rahmen der späteren Bauabschnitte neue, jeweils für sich zu bewertende Wirtschaftsgüter entstehen, was z. B. nach Maßgabe eines besonderen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs bei Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und dergleichen der Fall sein kann. Ob durch Baumaßnahmen dieser Art ein neues Wirtschaftsgut entstanden ist, ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 StAnpG) unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen (BFH-Beschluß GrS 5/71).

Der vom FG (sowie von Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., Anm. 28 f. zu § 7 EStG, und Henninger, Rechts- und Wirtschaftspraxis - RWP -, 14 Steuer-R D ESt II B 25 p Abschn. II 6) vertretenen Auffassung, im Falle einer abschnittsweisen Gebäudeerrichtung seien für die einzelnen Gebäudeteile verschiedene AfA-Sätze zulässig, vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Die Auffassung mag zwar in vielen Fällen zu befriedigenden Ergebnissen führen; sie läßt sich indessen mit dem vom Großen Senat des BFH in seinem Beschluß GrS 5/71 ausgesprochenen Grundsatz nicht vereinbaren, daß von einem als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehenden Gebäude nur eine einheitliche AfA zulässig ist.

b) Im Streitfall ist das FG davon ausgegangen, daß die vom Kläger im Rahmen des zweiten Bauabschnitts vorgenommenen Baumaßnahmen keine neuen Wirtschaftsgüter hervorgebracht haben, daß vielmehr die Gesamtheit der zusammengefügten Gebäudeteile auch nach Abschluß dieser Baumaßnahme eine einzige Bewertungseinheit bildet. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden. Nach den obigen Ausführungen kann deshalb für das gesamte Gebäude nur ein einheitlicher Abschreibungssatz gelten.

2. Für die Frage, wie hoch der AfA-Satz für das Geschäftsgebäude des Klägers angesetzt werden muß, ist zunächst bedeutsam, daß die für die rechtliche Beurteilung in Betracht kommende gesetzliche Regelung in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Bauabschnitt geändert wurde. Während die bei Vollendung des ersten Bauabschnitts geltende Regelung (§ 7 Abs. 1 EStG 1961) eine AfA in gleichen Jahresbeträgen - und zwar je nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des betreffenden Gebäudes - vorsah, wurde durch Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 16. Juni 1964 (a. a. O.) vorgeschrieben, daß nunmehr grundsätzlich einheitliche AfA-Sätze (2 bzw. 2,5 v. H.) für alle Gebäude gelten sollten (§ 7 Abs. 4 EStG 1965). Darüber hinaus wurde die Regelung eingeführt, daß der Bauherr bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellt worden sind, als AfA folgende Beträge absetzen kann: im Jahre der Fertigstellung und in den folgenden 11 Jahren jeweils 3,5 v. H., in den darauf folgenden 20 Jahren jeweils 2 v. H. und in den darauf folgenden 18 Jahren jeweils 1 v. H. der Herstellungskosten (§ 7 Abs. 5 EStG 1965).

a) Da die durch die Neuregelung des § 7 Abs. 5 EStG 1965 eingeführte degressive AfA-Methode nur für Gebäude gilt, die nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellt worden sind, kommt es im Falle abschnittsweiser Bebauung für die Anwendung dieser AfA-Methode darauf an, nach welchem Bauabschnitt das betreffende Gebäude als fertiggestellt anzusehen war. Hier sind zwei Möglichkeiten denkbar: "Fertiggestellt" sein kann ein Gebäude schon nach Abschluß des ersten Bauabschnitts, falls nämlich die Baumaßnahmen der weiteren Bauabschnitte lediglich als Ergänzung des Gebäudes erscheinen; die zusätzlichen Baumaßnahmen gehen in diesem Fall in der wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgebäudes auf. Anders liegt es dann, wenn die Baumaßnahmen des zweiten (oder eines weiteren) Bauabschnitts das bisherige Gebäude so grundlegend umgestalten, daß ein neues Wirtschaftsgut entsteht. In einem solchen Fall ist das seinem Wesen nach neue Gebäude erst mit Abschluß des weiteren Bauabschnitts "fertiggestellt".

Die von Kayser/Seithel (RWP, 14 Steuer-R D ESt II B 25 c) vertretene Auffassung, es könne in jedem Falle von der zunächst für den ersten Bauabschnitt zugelassenen AfA nach § 7 Abs. 1 EStG 1961 auf die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG n. F. übergegangen werden, findet im Gesetz keine Stütze. Der Umstand, daß ein Gebäude (durch Zubauten) erst nach dem 31. Dezember 1964 seine letzte Form gefunden hat, ändert nichts daran, daß es als fertiges Gebäude bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hat und dementsprechend auch bei der AfA-Gewährung früherer Jahre als "fertiggestelltes" Gebäude behandelt worden ist.

Im Streitfall ist das im Jahre 1962 errichtete Gebäude bereits nach Abschluß der Bauarbeiten seiner Bestimmung gemäß als Gaststätte nutzbar gewesen und auch entsprechend genutzt worden. Die im Jahre 1965 vorgenommenen Baumaßnahmen zum Ausbau von Fremdenzimmern können nicht als so grundlegender Umbau angesehen werden, daß das nunmehr aufgestockte Gebäude wirtschaftlich als Neubau angesehen werden kann. Die wesentliche Zweckbestimmung des Gebäudes, dem Betrieb einer Gaststätte als Betriebsgebäude zu dienen, hat sich durch die Aufstockungsmaßnahmen im Jahre 1965 nicht grundlegend geändert. Bei dieser Sachlage stellt sich die Aufstockung des Gebäudes lediglich als eine Ergänzung des vorhandenen Gebäudebestandes dar. Die Regelung des § 7 Abs. 5 EStG 1965, die nur für die nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellten Gebäude gilt, kann sonach der Bemessung der AfA nicht zugrunde gelegt werden.

b) Die Höhe der AfA richtet sich vielmehr nach der Vorschrift des § 7 Abs. 4 EStG 1965.

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG 1965 sind bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, als jährliche AfA 2 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzuziehen. In Fällen, in denen die tatsächliche Nutzungsdauer eines solchen Gebäudes weniger als 50 Jahre beträgt, kann die AfA der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechend - also mit einem höheren Hundertsatz - vorgenommen werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Das Gaststättengebäude des Klägers ist nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden und hatte im Zeitpunkt seiner Fertigstellung keine kürzere Nutzungsdauer als 50 Jahre, Für die Bemessung der AfA im Streitjahr 1965 ist mithin die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG 1965 maßgebend. Das bedeutet, daß von den für das Gebäude bis zum Jahre 1965 insgesamt entstandenen Herstellungskosten von (73 182 DM + 58 740 DM =) 131 922 DM als AfA ein Betrag von 2 v. H. (= 2 638 DM) anzusetzen ist. Das BFH-Urteil vom 25. November 1970 I R 165/67 (BFHE 100, 524, BStBl II 1971, 142) steht dieser Berechnung nicht entgegen; dieses Urteil ist zu § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG 1965 ergangen und hat deshalb für die Auslegung des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG 1965 keine Bedeutung.

Da das FA die AfA zutreffend berechnet hat, war die Klage abzuweisen; das der Klage teilweise stattgebende Urteil ist aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71338

BStBl II 1975, 412

BFHE 1975, 133

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