Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Honorare für kassenärztliche Tätigkeit fließen den ärzten erst mit dem Eingang des durch die kassenärztliche Vereinigung überwiesenen Betrages zu.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Zahnarzt. Er ermittelt als Gewinn aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 3 EStG den überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Die Kassenärztliche Vereinigung X. teilte ihm für das 3. Kalendervierteljahr 1958 aus dem Gesamtbetrag der pauschalen Kassenzuweisung, die sie für dieses Kalendervierteljahr erhalten hatte, einen Betrag von 12.050,88 DM zu. Auf diesen Betrag rechnete sie Abschlagszahlungen, Beiträge, Verwaltungskosten usw. an. Unter Berücksichtigung der letzten Buchungen vom 29. Dezember 1958 ergab sich auf dem bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung X. geführten Abrechnungskonto des Stpfl. folgende Restgutschrift:

Gutschrift ---------- 12.050,88 DM Lastschrift ---------- 9.978,56 DM Restgutschrift ------- 2.072,32 DMDiesen Betrag überwies die Kassenzahnärztliche Vereinigung X., indem sie gleichzeitig das Konto ausglich, am 31. Dezember 1958 auf das Postscheckkonto des Stpfl., wo der Betrag am 2. Januar 1959 einging.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß es sich bei dem überwiesenen Betrag nicht um eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG handelt, daß also ein Zufluß im Jahre 1958 nicht unter Hinweis auf diese Bestimmung begründet werden kann. Davon ist - zutreffend - auch die Vorinstanz unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats IV 98/56 U vom 10. Oktober 1957 (BStBl 1958 III S. 23, Slg. Bd. 66 S. 52) ausgegangen.

Streitig ist vielmehr, wann der Betrag im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen ist. Der Stpfl. ist im Gegensatz zum Finanzamt der Meinung, daß ihm der Betrag nicht bereits mit seiner Gutschrift im Jahre 1958, sondern erst im Jahre 1959 mit dem Eingang auf seinem Postscheckkonto zugeflossen ist.

 

Entscheidungsgründe

Das Finanzgericht gab seiner Berufung statt. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Im Sinne des § 11 EStG sind Einnahmen zunächst immer dann zugeflossen, wenn sie in den unmittelbaren Verfügungsbereich des Steuerpflichtigen gelangt sind, sei es durch Zahlung an ihn oder durch Zahlung an einen Dritten, der für den Steuerpflichtigen zur Entgegennahme der Zahlung berechtigt ist (Bevollmächtigter, Bank, Postscheckamt usw.). Die Kassenzahnärztliche Vereinigung X. ist - entgegen der Auffassung des Vorstehers des Finanzamts - nicht ein für den anspruchsberechtigten Zahnarzt handelnder Dritter in dem Sinne, daß sie von der Krankenkasse einen für den einzelnen Zahnarzt bestimmten Honorarbetrag erhält und an den Zahnarzt weiterleitet. Sie vereinnahmt vielmehr von der Krankenkasse auf Grund eigenen Rechts einen für die Leistung aller Kassenärzte bestimmten Pauschbetrag, den sie dann ihrerseits nach einem bestimmten Schlüssel auf die ärzte verteilt. Erst nach dieser Verteilung kann der einzelne Zahnarzt den ihm zukommenden Honorarbetrag von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung X. verlangen (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 41/48 S vom 21. September 1948, Steuer und Wirtschaft 1948 Nr. 52; Urteil des Bundesfinanzhofs VI 130/55 U vom 6. März 1959, BStBl 1959 III S. 231, Slg. Bd. 68 S. 604).

Der dem Steuerpflichtigen von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung S. geschuldete Betrag ist von ihr am 29. Dezember 1958 seiner Höhe nach abschließend festgestellt und gutgeschrieben worden. Es ist zu entscheiden, ob damit der verbleibende Restbetrag von 2.072,32 DM dem Stpfl. bereits zugeflossen ist. Das Finanzgericht hat das verneint. Es hat ausgeführt: Die Gutschrift sei ein interner Vorgang innerhalb des Rechnungswerks der Kassenzahnärztlichen Vereinigung X., durch den lediglich ihre Verpflichtung gegenüber dem Stpfl. buchmäßig festgehalten werde. Darin allein könne auch bei wirtschaftlicher Auslegung des Begriffs "Zufließen" noch kein Zufluß im Sinn des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG gesehen werden, da ein derartiger Buchungsvorgang allein dem Berechtigten noch keine Verfügungsmacht verschaffe. Die Gutschrift bilde nur eine buchmäßige Unterlage für den Abrechnungsverkehr mit dem Arzt, ersetze aber nicht den tatsächlichen Zufluß. Die gegenteilige Auffassung des Finanzamts verkenne den Unterschied zwischen der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG und der Gewinnermittlung durch überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Sie führe zu einer systemwidrigen Vermischung der beiden Gewinnermittlungsarten.

Diese Ausführungen sind rechtlich zutreffend. Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung eine Gutschrift bereits als "Zufließen" und damit als Zahlung an den Berechtigten ansieht - wie z. B. bei Verzicht auf Auszahlung zur Schaffung einer Kapitalanlage oder zur Darlehnsgewährung des Berechtigten an den Verpflichteten (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 86/52 U vom 19. Juni 1952, BStBl 1953 III S. 170, Slg. Bd. 57 S. 434) -, sind hier nicht gegeben.

An der gegenteiligen Auffassung, die der Senat in seinem unveröffentlichten Urteil IV 225/57 vom 27. März 1958 vertreten hat und auf die sich das Finanzamt beruft, hält der Senat nicht fest. Dem Urteil lag im übrigen ein anderer Sachverhalt als der hier zu entscheidende insofern zugrunde, als die Abrechnungsbeträge des 3. Kalendervierteljahres auf Wunsch der ärzte zurückgehalten und erst im nächsten Jahr überwiesen wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411150

BStBl III 1964, 329

BFHE 1964, 267

BFHE 79, 267

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