Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung eines Pensionsanspruchs anlässlich einer Betriebsaufgabe berührt den Aufgabegewinn

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der gegenüber einer Personengesellschaft bestehende Pensionsanspruch eines Gesellschafters anlässlich der Aufgabe des Betriebs der Gesellschaft abgefunden, so mindert sich hierdurch der Aufgabegewinn der Gesellschaft; beim Gesellschafter stellt die Abfindung eine Sondervergütung dar, die seinen Anteil am Aufgabegewinn erhöht.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 2, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.03.2003; Aktenzeichen 15 K 1835/00 F; EFG 2003, 1086)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger zu 1.) war Kommanditist der inzwischen vollbeendeten X GmbH & Co. KG (KG). Diese betrieb einen Papeterie-Einzelhandel sowie eine Druckerei an zwei Standorten in der Innenstadt von Y und in Z. Persönlich haftende Gesellschafterin war die X Verwaltungsgesellschaft mbH ohne vermögensmäßige Beteiligung. Kommanditisten waren neben dem Kläger zu 1., der eine Beteiligung von 47,1 v.H. hielt, der Beigeladene zu 1. mit 15,5 v.H., der Beigeladene zu 2. mit 23,2 v.H. sowie Herr E mit 14,2 v.H. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war der Beigeladene zu 1. An dem Gesellschaftsanteil des Beigeladenen zu 2. stand der im Verlauf des Revisionsverfahrens verstorbenen, jedoch durch Prozessbevollmächtigte vertretenen Beigeladenen zu 3. ein Nießbrauch an den laufenden Einkünften zu. Die Beigeladene zu 4. war nießbrauchsberechtigt an den laufenden Einkünften aus dem Gesellschaftsanteil von Herrn E. Letzterer ist bereits vor Klageerhebung verstorben und wurde von seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.), beerbt.

Der Kläger zu 1. hatte am 22. Dezember 1972 mit der KG einen Vertrag geschlossen, der diese unter anderem dazu verpflichtete, ihm nach Erreichen des Pensionsalters (65. Lebensjahr) eine Invaliden- und Altersversorgung von 65 v.H. seiner monatlichen Bezüge zu gewähren und an seine Ehefrau eine Witwenpension von 45 v.H. der zuletzt gezahlten Bezüge zu zahlen. Der Kläger zu 1. ging 1991 in Pension. Zuletzt leistete die KG Pensionszahlungen in Höhe von monatlich 10 070 DM. Der versicherungsmathematische Barwert der Pensionsansprüche betrug unter Berücksichtigung der Dynamisierung im Streitzeitraum 2 400 000 DM. Ein weiterer Pensionsanspruch bestand seitens der Beigeladenen zu 3.

Für die zu erwartenden Pensionsansprüche hatte die KG in ihren Bilanzen keine Rückstellungen gebildet, da es sich um Altzusagen i.S. von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) handelte. Auch nach Eintritt des Versorgungsfalles im Jahr 1991 unterblieb die Passivierung einer Pensionsverbindlichkeit.

In den Jahren 1994 und 1995 erwirtschaftete die KG in allen Geschäftsbereichen Verluste. Um die Auftragssituation zu verbessern und die Gewinnzone zu erreichen, wären Investitionen im Druckereibereich erforderlich gewesen, die die Gesellschafter aufgrund des damit verbundenen wirtschaftlichen Risikos und der bereits bestehenden Schuldenlast der Gesellschaft nicht aufbringen wollten. Am 9. Dezember 1995 beschlossen die Gesellschafter, aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und zur Vermeidung zukünftiger Verluste die KG zu liquidieren. Ziel der Liquidation war es, die im Grundbesitz der Gesellschaft ruhenden stillen Reserven zu realisieren und an die Gesellschafter auszukehren. Anderenfalls hätte die Gefahr bestanden, dass diese stillen Reserven bei andauernden Verlusten im Laufe der folgenden Wirtschaftsjahre aufgezehrt worden wären.

Im Rahmen der Liquidation veräußerte die KG daher die im Betriebsvermögen befindlichen Grundstücke und den Maschinenpark. Zuerst wurde in Erwägung gezogen, die aus der Veräußerung erzielten Erlöse zwecks Sicherung der Pensionsansprüche in Wertpapieren anzulegen. Der zu diesem Zeitpunkt 70 Jahre alte Kläger zu 1. hatte aber Zweifel, ob die Liquidatoren die Erlöse sicher und ertragbringend anlegen würden, und fürchtete eine Gefährdung seiner Pensionsansprüche durch eine ungünstige Kapitalmarktentwicklung. Daher trafen die KG und ihre Gesellschafter am 21. Januar 1997 folgende Vereinbarung:

"1. ….

2. Von dem Liquidationsüberschuss der KG erhält Herr … (Kläger zu 1.) vorab einen Pauschalbetrag in Höhe von DM 1 800 000, auszahlbar am 31.01.1997. Damit sind sämtliche Rentenansprüche von Herrn … gemäß Anstellungsvertrag vom 22.12.1972 abgegolten. (Anspruch auf eigene Rente einschließlich Anwartschaft auf Witwenrente)

3. Frau … (Beigeladene zu 3.) erhält aus dem Liquidationsüberschuss 1996 vorab einen Pauschalbetrag in Höhe von DM 365 000, fällig am 31.01.1997. Damit sind sämtliche Rentenansprüche von Frau … abgegolten."

In den Steuererklärungen der KG für das Streitjahr (1996) wurden die Abfindungsbeträge als Teil des auf den Kläger zu 1. und die Beigeladene zu 3. entfallenden begünstigten Aufgabegewinns angesetzt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) veranlagte erklärungsgemäß.

Von August 1998 bis Juni 1999 fand bei der KG eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, die Abfindungen berührten nicht den Aufgabegewinn. Daher passivierte er bei der KG in der Bilanz auf den 31. Dezember 1996 nachträglich die Abfindungsverbindlichkeiten und minderte den laufenden Gewinn der KG entsprechend um 2 165 000 DM. Der laufende Gewinn des Klägers zu 1. minderte sich aufgrund seiner Beteiligung an der KG um 1 019 715 DM (von 564 273 DM auf ./. 455 442 DM). Gleichzeitig aktivierte der Prüfer in einer Sonderbilanz des Klägers zu 1. einen Abfindungsanspruch in Höhe von 1 800 000 DM, so dass sich im Ergebnis der dem Kläger zu 1. zuzurechnende laufende Gewinn auf 1 344 558 DM erhöhte. Demgegenüber verringerte der Prüfer den begünstigten Aufgabegewinn von 4 412 099 DM um einen als "Abfindungsverbindlichkeit" bezeichneten Posten in Höhe von 1 800 000 DM auf 2 612 099 DM und addierte den der Beteiligung des Klägers zu 1. entsprechenden Betrag von 1 019 715 DM hinzu, so dass sich unter Berücksichtigung von 14 918 DM Veräußerungskosten ein (geminderter) Veräußerungsgewinn von 3 616 896 DM ergab. Entsprechend verfuhr der Prüfer mit dem Abfindungsanspruch der Beigeladenen zu 3. Im Übrigen kürzte er bei denjenigen Feststellungsbeteiligten, die am laufenden Gewinn beteiligt waren (dem Beigeladenen zu 1. als Kommanditist und den Beigeladenen zu 3. und 4. als Nießbrauchsberechtigten) den laufenden Gewinn in Höhe der anteiligen Abfindungsverbindlichkeit. Spiegelbildlich erhöhte er den Anteil der Beigeladenen zu 1. und 2. und des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zu 2. am Veräußerungsgewinn. Die Erhöhung des Veräußerungsgewinns betraf demnach u.a. die Anteile der nießbrauchsbelasteten Gesellschafter, die von der Minderung des laufenden Gewinns nicht berührt waren. So erhöhte sich bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zu 2. der Anteil am Veräußerungsgewinn um 307 430 DM, mithin um den Betrag, der den laufenden Gewinn der an seinem Anteil nießbrauchsberechtigten Beigeladenen zu 4. gemindert hatte.

Das FA folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid. Die hiergegen gerichteten Einsprüche des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. wies es als unbegründet zurück. Die Kläger verfolgten ihr Begehren mit der Klage weiter.

Die Kläger trugen vor, das FA passiviere zu Unrecht eine Abfindungsverbindlichkeit. Die KG habe nämlich in Ausübung des ihr in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB eingeräumten Wahlrechts die Pensionsansprüche nicht passiviert. Daher habe der Prüfer weder in der Bilanz der KG eine Pensionsverpflichtung passivieren noch in der Sonderbilanz der Kommanditisten einen Pensionsanspruch aktivieren dürfen. Der aufgrund der Abfindung entstandene Gewinn gehöre zum begünstigten Veräußerungsgewinn und nicht zum laufenden Gewinn. Denn er sei aus der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erwirtschaftet worden. Außerdem hat der Kläger zu 1. vorgetragen, sollte es sich nicht um einen Teil des begünstigten Veräußerungsgewinns handeln, so liege eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor, die i.V.m. § 34 EStG ebenfalls zu einer Tarifermäßigung führe. Die Klägerin zu 2. hat zusätzlich geltend gemacht, die durch den Prüfer erzielten Ergebnisse führten in der Konsequenz zu Umverteilungen des Gewinns der Gesellschafter und zur Zuordnung von Teilen des Veräußerungsgewinns an die nießbrauchsverpflichteten Gesellschafter, die diesen Gewinn nie erhalten hätten.

Das FG hat die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Nach Beiladung aller am Gesellschaftsvermögen beteiligten Gesellschafter und Nießbrauchsberechtigten hat es die Klagen abgewiesen. Das Urteil vom 20. März 2003 15 K 1835/00 F ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1086 veröffentlicht.

Gegen das Urteil des FG wenden sich die Kläger zu 1. und 2. mit ihren jeweiligen Revisionen.

Der Kläger zu 1. beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung, den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1996 dahingehend zu ändern, dass sich sein laufender Gewinn um 952 200 DM ermäßigt und dass sich der mit dem halben Steuersatz zu belegende Veräußerungsgewinn um denselben Betrag erhöht; hilfsweise, die Abfindung von 1,8 Mio. DM als tarifbegünstigte Entschädigung i.S. der §§ 34, 24 Nr. 1 EStG zu behandeln; höchst hilfsweise festzustellen, dass die Abfindung als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nach § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung zu besteuern ist.

Die Klägerin zu 2. beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung, den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1996 dahingehend zu ändern, dass sich der mit dem halben Steuersatz zu belegende Veräußerungsgewinn um 307 430 DM verringert.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Einspruchsentscheidungen sowie zur Änderung des angefochtenen Bescheides (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Zwar ist dem angefochtenen Urteil darin zuzustimmen, dass die durch die Vereinbarung vom 21. Januar 1997 begründeten Abfindungsansprüche bei der KG zu passivieren und in Sonderbilanzen der Abfindungsempfänger zu aktivieren sind. Anders als vom FG angenommen minderten die Passivierungen jedoch nicht den laufenden Gewinn der KG, sondern den Aufgabegewinn. Gleichermaßen erhöht die Aktivierung der Abfindungsansprüche nicht die Anteile des Klägers zu 1. und der Beigeladenen zu 3. am laufenden Gewinn, sondern deren Anteile am Aufgabegewinn.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die durch die Vereinbarung vom 21. Januar 1997 begründeten Abfindungsansprüche bei der KG zu passivieren sind. Es bestand kein Passivierungsverbot im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur sog. betrieblichen Versorgungsrente. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die Pensionszahlungen von der Erzielung späterer Gewinne abhängen sollten (Senatsurteil vom 7. April 1994 IV R 56/92, BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740, unter I.2.). Für eine solche Einschränkung ergeben die Feststellungen des FG keinen Anhaltspunkt. Der Passivierung steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den Pensionszusagen gegenüber dem Kläger zu 1. und der Beigeladenen zu 3. um sog. Altzusagen handelte, für die nach Art. 28 Abs. 1 EGHGB eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) nicht gebildet werden musste. Das Passivierungswahlrecht hatte nicht zur Folge, dass die nicht bilanzierte Pensionszusage keine ungewisse Verbindlichkeit dargestellt hätte. Das ergibt sich bereits aus Art. 28 Abs. 2 EGHGB, wonach Kapitalgesellschaften die nicht in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungen im Anhang angeben müssen. Diese ungewisse Verbindlichkeit erlosch auch nicht mit der Betriebsaufgabe, sondern bestand weiter fort und wurde erst durch die Abfindungsvereinbarung abgelöst (Senatsurteil in BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740, unter I.4.). Wäre die Pensionszusage fremden Arbeitnehmern erteilt worden, hätte die Vereinbarung von Abfindungszahlungen dazu geführt, dass eine ―nunmehr gewisse― Verbindlichkeit zu passivieren gewesen wäre.

Gleiches gilt, wenn die Abfindung an einen Gesellschafter einer Personengesellschaft gezahlt wird. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bestimmt, dass die Vergütungen, die ein Gesellschafter von der Personengesellschaft bezieht, den Gewinnanteilen als Sonderbetriebseinnahmen hinzuzurechnen sind; der Besteuerung der Gesellschafter ist ein aus beiden Bestandteilen zusammengesetzter Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft zugrunde zu legen. Der Gesamtgewinn wird in einer "Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft" ermittelt. Das geschieht für den Bereich der Sondervergütungen in der Weise, dass die gegenüber dem Gesellschafter bestehende Verpflichtung zunächst in der Steuerbilanz der Gesellschaft passiviert wird. Die dadurch entstehende Gewinnminderung auf der Ebene der Gesellschaft wird durch einen gleich hohen Aktivposten in der Sonderbilanz der begünstigten oder aller Gesellschafter ausgeglichen (vgl. dazu allgemein BFH-Urteile vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219, unter C.II.1.; vom 2. Dezember 1997 VIII R 15/96, BFHE 184, 571, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1998, 482, unter II.3.b). Zu den Sondervergütungen, die nach diesem Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung zu behandeln sind, gehören laufende Pensionszahlungen (BFH-Urteil vom 9. April 1997 I R 124/95, BFHE 183, 119, BStBl II 1997, 799), Pensionsanwartschaften (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1992 I R 105/91, BFHE 170, 169, BStBl II 1993, 792), bereits entstandene Pensionsansprüche (BFH-Beschluss vom 25. Januar 1994 VIII B 111/93, BFHE 173, 170, BStBl II 1994, 455; zusammenfassend BFH-Urteil in BFHE 184, 571, DStR 1998, 482, unter II.3.b) und auch die hier in Rede stehenden Abfindungen für eine Pensionszusage (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1997 VIII R 62/95, BFHE 184, 566, DStR 1998, 520).

2. Durch die Passivierung minderte sich jedoch nicht der laufende Gewinn der Gesellschaft. Sie führte vielmehr zu Veräußerungs- oder Aufgabekosten. Seit dem BFH-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97 (BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458) werden die Veräußerungskosten von den laufenden Aufwendungen nicht mehr danach abgegrenzt, ob sie "in unmittelbarer sachlicher Beziehung" zu dem Veräußerungsgeschäft stehen, sondern danach, ob ein Veranlassungszusammenhang zur Veräußerung besteht. Der BFH leitet nunmehr daraus, dass nach § 16 Abs. 2 EStG die Buchwerte, also die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, den Veräußerungsgewinn mindern, den allgemeinen Grundsatz her, dass der mit der Anschaffung der einzelnen Wirtschaftsgüter ursprünglich verfolgte Zweck der Erzielung laufender Gewinne durch die Veräußerung überlagert oder verdrängt wird. Das kann auch für negative Wirtschaftsgüter zutreffen. Hieraus folgt, dass nunmehr auch Aufwendungen, die zur Beendigung von Schuldverhältnissen, die bisher durch den laufenden Betrieb veranlasst waren, getätigt werden, zu den Veräußerungs- oder Aufgabekosten gehören können (z.B. Vorfälligkeitsentschädigung in BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458). Das vom FG unter II.1.c seiner Entscheidungsgründe zitierte Senatsurteil vom 6. Mai 1982 IV R 56/79 (BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691), demzufolge Abfindungen an einen Pächter, die geleistet wurden, um ihn zur vorzeitigen Aufgabe seines Pachtrechts zu bewegen, den laufenden Gewinn minderten, ist somit überholt. Ebenfalls überholt ist das Urteil des VIII. Senats vom 18. Dezember 1984 VIII R 95/84 (BFHE 143, 127, BStBl II 1985, 327), demzufolge eine Abfindungszahlung, die einem Arbeitnehmer im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der geplanten Betriebsaufgabe gewährt wird, den laufenden Gewinn mindert (vgl. Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 16 Rz. 301; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz, § 16 EStG Anm. 320).

Allerdings sind von den Aufwendungen, die das Unternehmen leistet, um eine nicht mehr benötigte Leistung wie Darlehen, Grundstücksnutzung oder Arbeit nicht mehr in Anspruch nehmen und vergüten zu müssen, solche Leistungen zu unterscheiden, die lediglich eine modifizierte Zahlung der zu Zeiten des laufenden Betriebs begründeten Schuld selbst darstellen. Ein solcher Fall kann beispielsweise dann vorliegen, wenn rückständige Mieten oder Arbeitslöhne anlässlich der Betriebsaufgabe gezahlt werden und zwar auch dann, wenn der gezahlte Betrag infolge der durch die Betriebsaufgabe eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten hinter der ursprünglichen Verpflichtung zurückbleibt.

Bei den hier streitigen Abfindungen für Pensionszusagen handelt es sich jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zum Vorliegen einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG nicht um die modifizierte Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung. Vielmehr wird der Anspruch aus dem Versorgungsvertrag auf monatliche Zahlungen in einen Anspruch auf Kapitalabfindung umgewandelt und damit eine neue Rechtsgrundlage geschaffen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 1992 XI R 5/91, BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27; Senatsbeschluss vom 11. März 1996 IV B 55/95, BFH/NV 1996, 737). So verhielt es sich auch im Streitfall.

Soweit sich aus dem Senatsurteil in BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740 etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht mehr fest.

3. So wie die Passivierung in der Bilanz der KG den Aufgabegewinn gemindert hat, so hat die Aktivierung in den Sonderbilanzen des Klägers zu 1. und der Beigeladenen zu 3. deren Anteil am Aufgabegewinn erhöht. Das ergibt sich zum einen daraus, dass es sich bei den Aktivierungen gleichsam um einen Korrekturposten zur Passivierung in der Gesellschaftsbilanz handelt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 11. Dezember 2003 IV R 42/02, BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353, unter 3.b), was eine spiegelbildliche Behandlung nahe legt. Vor allem aber spricht für eine Erhöhung des Aufgabegewinns der Sinn des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der darin besteht, den Mitunternehmer mit dem Einzelunternehmer, der keine Geschäfte mit sich selbst abschließen kann, gleich zu stellen. Gibt ein Einzelunternehmer seinen Betrieb auf, so ist es regelmäßig der ―nicht durch eine Pensionsrückstellung geminderte― Aufgabegewinn, aus dem er seinen künftigen Lebensunterhalt zu bestreiten hat. Diese Überlegungen gelten auch für die Beigeladene zu 3., obwohl sie als Nießbrauchsberechtigte am Liquidationserlös nicht beteiligt ist; denn die Abfindung hat sie nicht aufgrund des Nießbrauchsrechts erhalten.

4. Der Minderung bzw. Erhöhung des Aufgabegewinns im Streitjahr steht nicht entgegen, dass der Beschluss über die Abfindung erst im Januar 1997 - also nach Ablauf des Streitjahres gefasst wurde. Es gilt der Grundsatz der "Attraktivkraft des Veräußerungsvorgangs", der dazu führt, dass in früheren oder späteren Jahren angefallene Veräußerungs- oder Aufgabekosten im Jahr der Veräußerung oder Aufgabe zu erfassen sind (BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 97/92, BFHE 173, 47, BStBl II 1994, 287).

5. Der angefochtene Bescheid ist in der Weise zu ändern, dass der laufende Gewinn und der Aufgabegewinn ―unter Berücksichtigung der unstreitigen Korrekturen durch die Betriebsprüfung― in der Weise zu ändern sind, wie sie ursprünglich erklärt und festgestellt wurden. Damit ist dem Antrag der Klägerin zu 2. in vollem Umfang entsprochen. Dem Antrag des Klägers zu 1. ist insoweit nicht entsprochen, als er davon ausgeht, dass die Abfindung der Beigeladenen zu 3. weiterhin den laufenden Gewinn der KG mindert und sich mithin sein erklärter Anteil am Aufgabegewinn um den auf ihn entfallenden Teil dieser Abfindung (47,1 v.H. von 365 000 DM = 171 915 DM) erhöht. Das ist indessen ―wie vorstehend unter 2. dargestellt― nicht zutreffend. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beigeladene zu 3. keinen Klageantrag gestellt hat. Denn der Klageantrag der Klägerin zu 2. setzt notwendigerweise voraus, dass sich infolge der Passivierung der Abfindungsansprüche zu Lasten des Aufgabegewinns der KG deren ursprünglich erklärter Aufgabegewinn nicht erhöht und zwar auch nicht um den Abfindungsanspruch der Beigeladenen zu 3. Damit ist keine im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässige Verböserung verbunden. Hat bei einer Klage gegen eine gesonderte und einheitliche Feststellung die dem Klagebegehren eines Beteiligten entsprechende Beurteilung eines Geschäftsvorfalls zwangsläufige Auswirkungen auf eine andere, rechtlich verselbständigte Besteuerungsgrundlage, so ist diese im Urteil zu ändern, ohne dass damit über das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) hinausgegangen oder ―wenn auch diese Besteuerungsgrundlage Gegenstand des Klagebegehrens ist, die Feststellung insoweit aber zum Nachteil des Klägers geändert wird― gegen das Verböserungsverbot verstoßen würde (vgl. Senatsurteil vom 19. August 1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179, unter 3. der Gründe). Schließlich hindert das Fehlen eines Antrags der Beigeladenen zu 3. auch nicht, dass deren Abfindungsanspruch ihren Aufgabegewinn erhöht. Sie hat sich zwar, indem sie keinen Antrag gestellt hat, mit der Behandlung ihres Abfindungsanspruchs als Bestandteil des laufenden Gewinnes zufrieden gegeben. Das ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie durch den Änderungsbescheid im Ergebnis nicht beschwert war, weil sich ihr Anteil am Gesamtgewinn von 648 855 DM (283 855 DM laufender Gewinn und 365 000 DM Aufgabegewinn) auf 146 575 DM minderte. Würde man nunmehr ihren Abfindungsanspruch ―unzutreffend― ihren laufenden Sonderbetriebseinnahmen zurechnen, stünde sie sich nicht nur schlechter als im von ihr nicht angefochtenen Änderungsbescheid, sondern auch noch schlechter als im Ursprungsbescheid, weil sie hinsichtlich des Betrages von 365 000 DM nicht in den Genuss der Steuervergünstigung nach § 16 i.V.m. § 34 EStG gelangte.

Bei den Beträgen, um die die ursprünglich erklärten und festgestellten Gewinne unstreitig zu korrigieren sind, handelt es sich um folgende Posten:

- beim laufenden Gewinn des Klägers zu 1.: 109 936 DM

Sonderbetriebsausgaben

- beim Aufgabegewinn des Klägers zu 1.: 14 918 DM

Veräußerungskosten etc.

- beim Aufgabegewinn des Ehemanns der Klägerin zu 2.:

Veräußerungskosten in Höhe von 9 654 DM.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 und § 139 Abs. 4 FGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspräche nicht der Billigkeit, weil sie mangels eigener Anträge kein Kostenrisiko getragen und das Verfahren nicht wesentlich gefördert haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1343319

BFH/NV 2005, 954

BStBl II 2005, 559

BFHE 2005, 108

BFHE 209, 108

BB 2005, 1217

DB 2005, 1031

DB 2007, 5

DStR 2005, 822

DStRE 2005, 679

DStZ 2005, 358

DStZ 2005, 417

HFR 2005, 647

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