Leitsatz (amtlich)

Die Vergütungen für die Mitwirkung von Schauspielern bei Fernsehspielfilmen und Fernsehproduktionen sind in der Regel Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

 

Normenkette

EStG §§ 18-19

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtige) war Schauspieler. Im Streitjahr war er überwiegend als Rundfunkund Synchronsprecher, als Filmschauspieler und bei einer Rundfunk- und Fernsehanstalt als Darsteller in einer mehrteiligen Fernsehproduktion tätig. In der Einkommensteuererklärung für 1962 bezeichnete er die Bezüge aus der Film- und Fernsehtätigkeit als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für einen Teil der Bezüge aus selbständiger Arbeit beantragte er die Steuerermäßigung des § 34 Abs. 4 EStG.

Der Revisionsbeklagte (FA) rechnete die Bezüge des Steuerpflichtigen aus seiner Tätigkeit als Fernsehdarsteller den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu und lehnte wegen des Überwiegens der freiberuflichen Einkünfte die beantragte Steuerermäßigung ab.

Der Einspruch und die Klage blieben in bezug auf die Zurechnung der Einkünfte ohne Erfolg. Das FG führte in seiner in den EFG 1969, 79 veröffentlichten Entscheidung aus, es lägen sowohl Merkmale für die Selbständigkeit wie für die Unselbständigkeit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Fernsehdarsteller vor. Das maßgebende Gesamtbild spreche bei der Fernsehtätigkeit des Steuerpflichtigen für eine freiberufliche künstlerische Tätigkeit.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Dem FG ist darin zuzustimmen, daß die künstlerische Mitarbeit bei den Fernsehanstalten sowohl in selbständiger wie in unselbständiger Stellung geleistet werden kann. Bei der großen Zahl ihrer sog. freien Mitarbeiter kommt es für die steuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Mitarbeiter neben den bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen (Werk-, Dienst- oder Arbeitsvertrag), aufgrund deren die Leistungen erbracht werden, entscheidend auf die tatsächliche Gestaltung der Tätigkeit an. Der Charakterisierung der Beschäftigungsverhältnisse durch die Beteiligten kann nicht gefolgt werden, wenn durch sie ein der Sache nach bestehendes Arbeitsverhältnis zu einer selbständigen Tätigkeit gemacht werden soll (Urteil des BFH VI R 56/67 vom 2. Oktober 1968, BFH 94, 17, BStBl II 1969, 71).

Schauspieler, die bei der Herstellung von Spielfilmen mitwirken, beziehen nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der Regel Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (z. B. BFH-Urteil I R 19/69 vom 9. September 1970, BFH 100, 194, BStBl II 1970, 867). Für die Mitwirkung von Schauspielern bei der Herstellung von Fernsehfilmen oder Fernseh-(Ampex-)aufzeichnungen kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Hinsichtlich der vom Schauspieler zu erbringenden künstlerischen Leistung ist ein Unterschied zwischen der Film- und Fernsehtätigkeit nicht zu erkennen. Der BFH hat deshalb in dem Urteil I R 207/66 vom 6. Oktober 1971 (BStBl II 1972, 88) in Übereinstimmung mit dem Urteil des FG München III 216/62 vom 10. November 1964 (EFG 1965, 349) entschieden, daß ein Schauspieler bei der Mitwirkung an Fernsehfilmen in der Regel nichtselbständig tätig ist.

Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß der Steuerpflichtige persönlich in der Betriebstätte der Rundfunk- und Fernsehanstalt zu den von ihr festgesetzten Zeiten tätig sein mußte. Die mit dem Steuerpflichtigen vereinbarte Beschäftigungsdauer von insgesamt 56 Tagen innerhalb von 5 Monaten hat das FG als eine nur kurzfristige Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers angesehen. Ob diese Feststellung mit der allgemeinen Lebenserfahrung übereinstimmt, kann dahingestellt bleiben, da die Dauer der Filmtätigkeit eines Schauspielers für die Anerkennung seiner Arbeitnehmereigenschaft nicht entscheidend ist. Soweit das FG seine Rechtsauffassung auf den Vertragswillen der Beteiligten stützt, hat es nicht dargelegt, welche Abmachungen "eindeutig" für den Abschluß eines freien Mitarbeiterverhältnisses sprechen. Die vom FG festgestellte Vereinbarung, die das Vergütungsrisiko des Steuerpflichtigen betrifft, kann nicht als ein entscheidendes Merkmal für die Selbständigkeit der künstlerischen Tätigkeit angesehen werden (BFH-Urteil VI 385/65 vom 6. November 1970, BFH 100, 320, BStBl II 1971, 22).

Für die Frage der Selbständigkeit kommt es nicht auf das Vergütungsrisiko, sondern auf das Unternehmerrisiko an, das ausschließlich bei der Fernsehanstalt liegt, wenn sie Fernsehprogramme herstellt. Der Unterschied zwischen der Aufnahme einer Fernsehproduktion und eines abendfüllenden Fernsehfilms, auf den sich das FG zur Abgrenzung der Tätigkeit des Fernsehdarstellers von der Filmschauspielertätigkeit beruft, mag auf technischem Gebiet erheblich sein. Die künstlerische Leistung der Schauspieler wird bei beiden Tätigkeiten durch Hinweise des Regisseurs gelenkt. Die Hinweise werden in ihrer Intensität sicherlich je nach Begabung, Einfühlungsvermögen und Prominenz des Schauspielers abgestuft sein. Die Führung des Schauspielers durch den Regisseur ist jedoch bei Fernsehproduktionen ebensowenig zu entbehren wie bei Filmproduktionen. Gegen das weitere vom FG angeführte Abgrenzungsmerkmal, daß Filmschauspieler aufgrund von Arbeitsverträgen tätig würden, die auf tarifvertraglicher Vereinbarung beruhten, wendet der Revisionskläger mit Recht ein, es könne ihm nicht angelastet werden, daß sein Auftraggeber keinen Tarifvertrag für seine nichtständigen Mitarbeiter abgeschlossen habe. Selbst wenn für diesen Personenkreis ein Tarifvertrag bestünde, wäre es zulässig und geboten, die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus seiner Dienstleistung steuerrechtlich selbständig zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil VI R 273/67 vom 30. Oktober 1970, BFH 100, 504, BStBl II 1971, 138).

Die Feststellungen des FG rechtfertigen somit nicht das Ergebnis, zu dem die Vorentscheidung gekommen ist. Für die Annahme, daß der Steuerpflichtige als Fernsehschauspieler entgegen der ständigen Rechtsprechung des BFH selbständig tätig gewesen ist, reichen die Darlegungen des FG nicht aus. Die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus seiner Mitwirkung bei der Fernsehproduktion sind deshalb als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen.

Die Entscheidung des FG war daher aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da der Senat nicht selbst entscheiden kann. Das FG hatte keine Veranlassung, die Voraussetzungen der beantragten Steuerermäßigung des § 34 Abs. 4 EStG für die Bezüge aus unstreitig selbständiger Arbeit des Steuerpflichtigen zu untersuchen, insbesondere Feststellungen darüber zu treffen, ob diese Bezüge aus künstlerischer Tätigkeit herrührten. Das ist noch nachzuholen. Dabei wird das FG unter Beachtung des Urteils des Senats IV 280/65 vom 26. Mai 1971, BFH 102, 509, BStBl II 1971, 703 zu prüfen haben, ob der Steuerpflichtige als Sprecher und Synchronsprecher eine schöpferische Leistung vollbrachte, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kamen, und damit künstlerisch tätig wurde, oder ob es an Raum für eine eigenschöpferische Gestaltungsmöglichkeit fehlte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413111

BStBl II 1972, 214

BFHE 1972, 169

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