Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Vieh, das zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört und vom Inhaber dieses Betriebs nur den Sommer über in einen anderen Betrieb - Weidebetrieb - zur Gräsung gegeben wird (sogenanntes Pensionsvieh), kann nicht in den Weidebetrieb einbezogen werden.

 

Normenkette

BewG § 30 Abs. 2, § 34/4

 

Tatbestand

Dem inzwischen verstorbenen Landwirt A gehörte ein 52 ha großer landwirtschaftlicher Betrieb in M (Schleswig-Holstein), dessen Einheitswert zum 1. Januar 1935 auf 78.600 RM festgestellt war. Im Jahre 1948 hatte der Eigentümer den ganzen Betrieb ohne Inventar an einen anderen Landwirt verpachtet. Der Pächter bewirtschaftete den Betrieb in der Weise, daß der zu seinem eigenen Vieh noch fremdes Vieh (sogenanntes Pensionsvieh) den Sommer über zur Gräsung in den Betrieb aufnahm. Es handelte sich dabei um 30 Jungrinder des Beschwerdeführers (Bf.) und fünf Rinder von drei weiteren Landwirten.

Das Finanzamt hielt auch nach der Verpachtung des Betriebs an dem bisherigen Einheitswert von 78.600 RM (DM) fest und beschränkte sich darauf, diesen Wert zum 21. Juni 1948 auf die beteiligten Eigentümer wie folgt zu verteilen:

Anteil des Eigentümers des Grund und Bodens 62.900 DM Anteil des Pächters ----------------------- 11.900 DM Anteil des Bf. ----------------------------- 3.100 DM Anteile der übrigen Landwirte ---------------- 700 DM zusammen ----------------------------------- 78.600 DM.Demgegenüber vertrat der Bf. die Auffassung, daß sein auf den Pachtbetrieb in Pension gegebenes Vieh nicht in diesen Betrieb einbezogen werden dürfe und deshalb für ihn auch kein Anteil am Einheitswert des Betriebs festgestellt werden könne. Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird vom Bf. vor allem vorgetragen: Unter einem landwirtschaftlichen Betrieb sei die dauernd einem landwirtschaftlichen Hauptzweck dienende wirtschaftliche Einheit zu verstehen. Bei der Aufnahme der 30 Jungrinder auf die Weiden des Betriebs in M habe es sich um eine vorübergehende Maßnahme, wenn nicht gar um einen Zufall gehandelt. Dieses Vieh habe zu seinem (des Bf.) eigenen Betrieb in N gehört. Eine allgemeine Verkehrsauffassung, daß Pensionsvieh zu den Betriebsmitteln des Weidebetriebs zu rechnen sei, bestehe nicht. Bei den 30 Jungrindern habe es sich zudem nicht um Mastvieh, sondern um Jungvieh gehandelt, das zu den stehenden Betriebsmitteln gehöre. Das Finanzgericht stelle in seiner Entscheidung auf die Verhältnisse des Weidebetriebs ab; es komme aber auf die Verhältnisse des Betriebs an, zu dem das Pensionsvieh gehöre. Der Schluß, daß das Pensionsvieh am Stichtag zu den Betriebsmitteln des Weidebetriebs gehöre, sei falsch. Wenn der Pachtbetrieb selbst am Währungsstichtag zu wenig Vieh gehabt habe, hätte das durch Abschlag vom Einheitswert berücksichtigt werden können, und es wäre eine Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 angezeigt gewesen. Er, der Bf., sei dadurch doppelt belastet, daß das strittige Jungvieh zu seinem eigenen Betrieb gehört habe und wegen des vorübergehenden Weidens dieser Tiere in einem fremden Betrieb noch einmal mit 3.100 DM bewertet werde. Im übrigen hätten auch die Vorinstanzen die Bewertung selbst unrichtig vorgenommen. Auch der Wert des Streitgegenstandes sei unzutreffend auf 620 DM, statt richtig auf 700 DM festgestellt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Reichsfinanzhof hat in seinem Urteil III A 1286/30 vom 19. November 1931 (Reichssteuerblatt 1932 S. 755) ausgesprochen, daß Betriebsmittel mehreren landwirtschaftlichen Betrieben angehören können. Zur Frage der Zugehörigkeit von Vieh, das im Sommer etwa sechs Monate lang einem landwirtschaftlichen Betrieb als Weidevieh und im Winter einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb als Stallvieh einverleibt ist, ist in dem Urteil ausgeführt, daß diese Frage nicht notwendig dahin gestellt werden müsse, ob das Vieh dem einen oder dem anderen Betrieb gehöre, sondern auch dahin gestellt werden könne, ob das Vieh nicht dem einen und dem anderen Betrieb zugehöre. Vieh, das als lebendes Inventar einem landwirtschaftlichen Betrieb diene, sei nicht gesondert für sich als selbständige wirtschaftliche Einheit zu bewerten. Darum würde auch rechtlich und praktisch nichts im Wege stehen, es zu verschiedenen Zeiten, auch zu verschiedenen Jahreszeiten, verschiedenen Wirtschaftseinheiten zuzurechnen. Das Urteil des Reichsfinanzhofs bezieht sich auf mehrere Betriebe desselben Eigentümers. Es kann schon zweifelhaft sein, ob der Entscheidung für diesen Fall zuzustimmen ist, keinesfalls können die Grundsätze dieses Urteils entsprechend auf mehrere landwirtschaftliche Betriebe verschiedener Eigentümer angewendet werden. Richtig ist, daß nach § 30 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) Betriebsmittel, die der Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebs dienen, auch dann in den Betrieb einzubeziehen sind, wenn sie nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören. Diese Vorschrift kann aber nicht dazu führen, Vieh zu verschiedenen Jahreszeiten in verschiedene Betriebe einzubeziehen, wenn es unverändert dem Betrieb seines Eigentümers dient. Vieh, das zu einem landwirtschaftlichen Betrieb (Stammbetrieb) gehört und vom Inhaber des Betriebs nur den Sommer über in einen anderen Betrieb - Weidebetrieb - zur Gräsung gegeben wird (sogenanntes Pensionsvieh), kann nicht in den Weidebetrieb einbezogen werden. In einem solchen Fall wird der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem "Stammbetrieb" nicht gelöst.

Im Streitfall hat der Bf. behauptet, daß das streitige Vieh zu seinem eigenen Betrieb gehört habe und nur "saisonmäßig" in den Weidebetrieb aufgenommen worden sei. Ob dies zutrifft, muß noch geprüft werden. Die Sache geht daher an das Finanzamt zurück. Hinzuweisen ist auf § 215 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung, wonach im Fall des § 30 Abs. 2 BewG die gesonderte Feststellung auch einheitlich zu treffen ist. Einheitliche Feststellung bedeutet Feststellung gegenüber allen Personen, die an dem Gegenstand (land- und forstwirtschaftlicher Betrieb usw.) beteiligt sind. Zum Rechtsmittelverfahren sind (was die Vorinstanz übersehen hat) Mitberechtigte, die kein Rechtsmittel eingelegt haben, von Amts wegen zuzuziehen (vgl. § 239 Abs. 2 und 3 der Reichsabgabenordnung). Auch im Rechtsmittelverfahren können nur einheitliche Feststellungen getroffen werden. Der Einwand des Bf. wegen des Streitwerts erscheint begründet (Urteile des Bundesfinanzhofs III 136/50 U vom 20. September 1951, Slg. Bd. 55 S. 490, Bundessteuerblatt 1951 III S. 198, sowie III 17/53 S vom 14. Mai 1954, Slg. Bd. 59 S. 5, Bundessteuerblatt 1954 III S. 211).

 

Fundstellen

Haufe-Index 408396

BStBl III 1956, 202

BFHE 1957, 16

BFHE 63, 16

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