Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

übernimmt eine Bank für die Schuld eines Bankkunden eine Bürgschaft (z. B. Zoll- oder Fracht-Bürgschaft), damit der Gläubiger dem Bankkunden einen Zahlungsaufschub (Kredit) gewährt, so liegt darin nicht eine Kreditgewährung oder - bereitschaft der Bank an den Kunden. Die Provision, die die Bank von dem Kunden erhebt, ist weder nach § 4 Ziff. 8 UStG 1951 noch nach § 32 UStDB 1938 = § 33 UStDB 1951 umsatzsteuerfrei.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 8; UStDB § 33

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt ein Bankgeschäft. Er hat im Jahre 1950 als "Provisionen für Zollbürgschaften, Frachtbürgschaften und sonstige Garantien" 17.481 DM vereinnahmt. Es ist streitig, ob diese Entgelte nach § 4 Ziff. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), § 32 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1938 (= § 33 UStDB 1951) umsatzsteuerfrei sind.

Der Bf. hält die Provisionen nach § 4 Ziff. 8 UStG für steuerfrei, weil die Bank im Falle der genannten Bürgschaften und Garantien sich ihrem Bankkunden gegenüber (Innenverhältnis) bereit erkläre, ihm den zur Abdeckung der Schuld (Zoll, Fracht usw.) erforderlichen Kredit zur Verfügung zu stellen. Der Bf. erhalte die Provision nicht von der Zollverwaltung oder von der Bundesbahn, sondern von dem Bankkunden. Daher sei nur das Innenverhältnis zwischen Bank und Kunde für die Beurteilung der Provision maßgeblich. Der Bf. erhalte von dem Bankkunden die Provision nicht dafür, daß er die Haftung für einen evtl. Verlust übernehme, sondern dafür daß er seinem Kunden einen Kredit bereitstelle, aus dem der Kunde im Zeitpunkte der Fälligkeit die Zoll- oder Frachtschuld zahlen könne. Kreditbereitschaft (Bereitstellung) sei nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs einer Kreditgewährung nach § 4 Ziff. 8 UStG gleichzustellen. Anders wäre der Fall nach Auffassung des Bf. zu beurteilen, wenn die Zollverwaltung oder die Bundesbahn dem Bf. Beträge dafür zahlen würde, daß der Bf. eine Bürgschaft für deren Außenstände übernähme. - Daraus, daß nach § 32 UStDB 1938 (= § 33 UStDB 1951) zu den steuerfreien Bankumsätzen im Sinne des § 4 Ziff. 8 UStG auch die Avale gehörten, ergäbe sich, daß der Gesetzgeber Bürgschaften von Kreditinstituten als Kreditbereitschaftserklärung im Innenverhältnis zu ihren Kunden ansähe.

Das Finanzamt bestreitet, daß die entgeltliche übernahme einer Bürgschaft einem Dritten (Zollverwaltung, Bahn) gegenüber der Einräumung eines Kredits der Bank im Innenverhältnis zum Bankkunden gleichzusetzen wäre.

Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Bürgschaften seien im § 32 UStDB 1938 (ß 33 UStDB 1951) nicht aufgeführt. Bürgschaften seien auch keine Kapital- oder Geldumsätze. Auch liege bei Bürgschaften zwischen der Bank und dem Kunden kein Vertragsverhältnis über eine Kreditbereitschaft im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs V 88/42 vom 22. Oktober 1943 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1944 S. 133) vor. Die Bank übernehme für die Schuld des Kunden nur die Bürgschaft, verpflichte sich aber daneben nicht, dem Kunden in Höhe der Bürgschaft zur Zahlung fälliger Zoll- und Frachtschulden einen Kredit einzuräumen. Die Bürgschaft selbst sei keine Kreditgewährung. Kreditgewährung im Sinne des § 4 Ziff. 8 UStG bedeute überlassung der Nutzung eines Kapitals; sie setze die Begründung einer Kapitalforderung durch Hingabe von Geld gegen Begründung einer Kapitalforderung voraus. Die Bürgschaften des Bf. könnten möglicherweise, nämlich wenn die Bank auf Grund ihrer Bürgschaft Zahlung leiste, zu einem Kreditverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden führen. Wenn es bei den Banken auch üblich sei, die Bürgschaften ebenso zu sichern wie Kredite, so ergebe sich daraus nicht, daß sie Kredite seien. Aus diesem Grunde sei auch § 12 Abs. 3 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 25. September 1939 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - 1939 S. 1955), wonach als Kredite auch Bürgschaften "anzusehen" seien, für die vorliegende Umsatzsteuerstreitfrage ohne Bedeutung, weil Zielsetzung dieses Gesetzes die überwachung der Sicherheit der Kreditinstitute sei. Die Bürgschaften seien keine typischen Bankgeschäfte, sie kämen auch sonst im Wirtschaftsleben vor. Auch die Bezeichnung der Provision als "Kreditprovision" sei bedeutungslos. In Wirklichkeit sei die Provision ein Entgelt für den Dienst, den die Bank ihrem Kunden durch die Bürgschaftsübernahme leiste, nicht ein Entgelt für die Bereitstellung von Kredit. Auch wirtschaftlich seien diese Bürgschaften nicht einer Kreditgewährung oder Kreditbereitschaft gleichzustellen. Der Bankkunde wolle keinen Bankkredit in Anspruch nehmen, sondern seine Zoll- oder Frachtschuld usw. selbst bezahlen. Er brauche die Bürgschaft der Bank nur zur Sicherstellung des Gläubigers. Die Bank würde nur in seltenen Fällen aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, sie schütze sich durch den Vorbehalt der Kündigung gegenüber ihren Bankkunden möglichst davor, daß sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Bankbürgschaften könnten auch nicht darum nach § 4 Ziff. 8 UStG steuerfrei sein, weil im § 32 UStDB 1938 (ß 33 UStDB 1951) die Avale unter den steuerfreien Bankumsätzen genannt seien. Avale seien nur steuerfrei unter dem Gesichtspunkte des Umsatzes von Geldforderungen. Steuerfrei sei also nicht die Bürgschaftserklärung auf einem Wechsel als solche, sondern die zum Wirksamwerden der Wechselbürgschaft erforderliche Begebung des Wechsels, also der Umsatz (die Lieferung) des Wechsels (Avals) als einer Geldforderung. Der Auffassung von Knof in der Abhandlung "Die Umsatzsteuer im Bankgeschäft" (Bankarchiv 1936/37, S. 268 ff.), der jede Bankbürgschaft als unter den Begriff Avale im Sinne des § 32 UStDB 1938 fallend für steuerfrei hält, könne nicht beigetreten werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.

Wesentlich für die Beurteilung des Streitfalles ist die Tatsache, daß die beschwerdeführende Bank ihre Provisionen für die Zollbürgschaften, Frachtbürgschaften usw., von ihr auch als Avalprovision bezeichnet, nicht von dem durch die Bürgschaftserklärung der Bank gesicherten Gläubiger (Bahn, Zollverwaltung usw.), sondern von dem Bankkunden erhält. Entscheidend ist also, welcher Art der Leistungsaustausch zwischen der Bank und dem Bankkunden ist. Der Leistungsaustausch zwischen ihnen stellt keine Bürgschaft dar; das Bürgschaftsverhältnis besteht vielmehr zwischen der Bank und dem Gläubiger des Bankkunden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob unter "Avale" im Sinne des § 32 UStDB 1938 (ß 33 UStDB 1951) nur Wechselbürgschaften oder jegliche Bankbürgschaften zu verstehen sind. Die Entscheidung des Falles hängt vielmehr davon ab, für welche Art von Leistung an die Bankkunden die beschwerdeführende Bank die streitigen Entgelte von den Bankkunden erhält. Da § 32 UStDB 1938 (Avale) für den Streitfall entfällt, hängt die Entscheidung also davon ab, ob der Bf. im Zusammenhange mit der Bürgschaftserklärung, die er gegenüber dem Gläubiger seines Kunden abgibt, zugleich seinem Bankkunden einen Kredit gewährt. Diese Frage ist zu verneinen. Es ist nicht streitig, daß der Bf. zugleich mit der Abgabe der Bürgschaftserklärung seinem Kunden noch keinen Kapitalkredit einräumt in dem Sinne, daß der Kunde über das Kapital verfügen könnte. Die Bürgschaftserklärung der Bank hat den Zweck, daß der (Zoll-, Fracht-) Gläubiger dem Schuldner mit Rücksicht auf die erhaltene Sicherheit einen Zahlungsaufschub gewährt. Der Bankkunde erhält also in der Gestalt des Zahlungsaufschubs einen Kredit durch den (Zoll-, Fracht-) Gläubiger, nicht durch den Bf. Diese Kreditierung der (Zoll-, Fracht-) Schuld ist kein Leistungsaustausch zwischen der Bank und dem Bankkunden. Die Leistung der Bank an ihren Kunden besteht vielmehr darin, daß sie durch ihre Bürgschaftserklärung bei einem Dritten, dem Gläubiger ihres Kunden, die Bereitschaft zur Kreditierung (Zahlungsaufschub) hervorruft, wobei die Bank ein gewisses Risiko, zur Zahlung herangezogen zu werden, übernimmt. Für diese Leistung erhält die Bank die Provision von ihrem Kunden. Wenn sonach eine Kreditgewährung der Bank an ihre Kunden nicht vorliegt, so blieb doch zu prüfen, ob der Bf. seinen Kunden bei der Bürgschaft nicht eine Kreditbereitschaft erklärt hat, die nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (V 88/42 vom 22. Oktober 1943, RStBl. 1944 S. 133) wirtschaftlich wie eine Kreditgewährung zu behandeln wäre. Die Frage ist zu verneinen. Der Fall der Entscheidung vom 22. Oktober 1943 unterscheidet sich wesentlich von dem vorliegenden dadurch, daß in jenem Falle der Rückverband in allen überschadensfällen zinslose Vorschüsse für die von überschäden betroffenen Versicherungsunternehmer zu leisten hatte. Mit Recht hat der Reichsfinanzhof das Entgelt, das der Rückverband für die Unkosten und die entgangenen Zinsen der Vorschußbereitschaft erhalten hat, als Entgelt für eine Kreditgewährung behandelt. So liegt aber der Streitfall nicht. Hier ist vielmehr der Bankkunde verpflichtet, nach Ablauf des erwirkten Zahlungsaufschubs von sich aus seine Schuld zu bezahlen, und die Beschwerdeführerin hat sich durch Kündigungsmöglichkeiten gegenüber ihrem Bankkunden sogar eine gewisse Sicherung geschaffen, um das Risiko, aus den Bürgschaften herangezogen zu werden, auf ein Mindestmaß zu beschränken. Bei dieser Sachlage kann von einer Kreditbereitschaft in dem Sinne wie im Urteil vom 22. Oktober 1943 nicht gesprochen werden. Wird die Beschwerdeführerin, was selten vorkommt, einmal aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen, so gehen die Forderungen des Gläubigers (Zollverwaltung, Bahn) auf sie über (ß 774 BGB). Von einem Kredit der Bank kann erst von diesem Zeitpunkt ab gesprochen werden, vorausgesetzt, daß die Bank nicht sofort die Abdeckung der Schuld fordert. Läßt die Bank die Forderung als Kredit bestehen, so erhebt sie dafür nicht die (niedrige) sogenannte Avalprovision, sondern den viel höheren Kreditzins.

Nach alledem ist der Senat der Auffassung, daß die streitigen "Provisionen für Zollbürgschaften, Frachtbürgschaften, u. a." nicht als Entgelt für eine Kreditgewährung oder Kreditbereitschaft, sondern als Entgelt für eine andersartige Leistung der Bank gegenüber dem Bankkunden aufzufassen ist, die darin besteht, daß sie durch ihre Bürgschaftserklärung unter übernahme eines gewissen Risikos den Gläubiger des Kunden veranlaßt, dessen Schuld zu stunden. Diese Leistung der Bank ist weder nach § 4 Ziff. 8 UStG noch nach § 32 UStDB 1938 steuerfrei.

Die Rechtsbeschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408102

BStBl III 1955, 82

BFHE 1955, 216

BFHE 60, 216

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