Leitsatz (amtlich)

1. Das Halten eines zur Beförderung von Schlempe verwendeten Kraftfahrzeugs mit aufgebautem, 3 000 I fassenden Tank ist nicht gemäß § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchstabe a, Satz 2 KraftStG von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.

2. Hat nur der Sachbearbeiter der Kraftfahrzeugsteuerstelle des FA bei fernmündlicher Anfrage des Steuerpflichtigen eine andere Rechtsansicht geäußert, so ist das FA nicht durch Treu und Glauben gehindert, den Steueranspruch geltend zu machen.

 

Normenkette

KraftStG 1961 i.d.F. des ÄndG vom 17. März 1964 (BGBl. I 1964, 145) § 2 Nr. 6 S. 1 Buchst. a; KraftStG 1961 i.d.F. des ÄndG vom 17. März 1964 (BGBl. I 1964, 145) § 2 Nr. 6 S. 2; FGO § 118 Abs. 1 S. 1; AO § 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit umfangreichem Rinderbestand. Sie füttert die Rinder mit Schlempe, die sie von einer Brennerei bezieht. Um täglich 3 000 I bis 6 000 I Schlempe von der etwa 15 km entfernten Brennerei zu ihrem landwirtschaftlichen Betrieb befördern zu können, kaufte sie am 30. Juli 1970 ein Kraftfahrzeug mit aufgebautem, 3 000 I fassenden Tank (höchstzulässiges Gesamtgewicht 7 400 kg). Das Fahrzeug war vom bisherigen Halter steuerfrei zum Befördern von Milch verwendet worden. Sie beantragte am 31. August 1970 beim Sachbearbeiter des FA auf amtlichem Vordruck "Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer" mit der Begründung, es handele sich um ein Sonderfahrzeug, das sie ausschließlich in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb verwende. Sie bat, ihr sofort eine Steuerbefreiungsbescheinigung auszuhändigen, damit das Fahrzeug umgehend mit grüner Nummer zugelassen werden könne. Der Sachbearbeiter entsprach der Bitte, noch bevor der Sachgebietsleiter mit der Sache befaßt worden war. Am 9. September 1970 meldete die Klägerin das Fahrzeug zum Verkehr auf öffentlichen Straßen an und legte der Zulassungsstelle die Steuerbefreiungsbescheinigung vor. Das Fahrzeug wurde am gleichen Tage zugelassen. Anschließend schloß sie einen Fünfjahresvertrag mit der Brennerei über die Abnahme von täglich 3 000 bis 6 000 I Schlempe. Mit Schreiben vom 16. September 1970 teilte der Sachgebietsleiter des FA der Klägerin mit, daß er dem Antrag auf Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer nicht entsprechen könne. Das Fahrzeug sei nicht als Sonderfahrzeug anzusehen, weil es auch zu anderen als land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden könne.

Der Beklagte, das FA, setzte durch Bescheid vom 20. Oktober 1970 die Kraftfahrzeugsteuer auf 944,50 DM (bei jährlicher Zahlung) fest. Der Finanzminister des Landes war ebenfalls der Ansicht, daß das Fahrzeug der Klägerin kein Sonderfahrzeug sei. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wiederholte die Klägerin ihre Ansicht, daß es sich bei ihrem Fahrzeug um ein Sonderfahrzeug handele. Als solches sei es im Kraftfahrzeugschein auch bezeichnet. Der Tank sei fest mit dem Fahrzeug verbunden. Sie verwende das Fahrzeug ausschließlich zum Befördern und Lagern von Schlempe in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb. Es dürfe steuerrechtlich keinen Unterschied machen, ob man hinter einer Zugmaschine (deren Halten steuerfrei sei) ein Schlempefaß herziehe oder - wie sie - die Schlempe aus Gründen der Zeitersparnis, der Verkehrssicherheit und der Gesundheit in einem Tankfahrzeug befördere. Außerdem verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn das FA von ihr Kraftfahrzeugsteuer fordere, obwohl ein Bearbeiter der Kraftfahrzeugsteuerstelle ihrem Sohn auf dessen Anfrage am 29. Juli 1970 fernmündlich die Auskunft erteilt habe, "daß ein Tankwagen, der ausschließlich zum Schlempe-Transport für den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb verwendet werde, steuerfrei sei". Diese Auskunft schriftlich zu erbitten und zu bestätigen, sei ihr nicht möglich gewesen, weil sich die Möglichkeit, das Fahrzeug zu kaufen, "kurzfristig ... ergeben" habe. Eine schriftliche Bestätigung habe sich auch deshalb erübrigt, weil alle im Antragsformular genannten Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von ihr (der Klägerin) erfüllt worden seien. Im Vertrauen auf die fernmündlich erteilte Auskunft habe sie das Fahrzeug am nächsten Tag gekauft. Die Auskunft sei ihr dann "am 31. August 1970 durch das Ausstellen der Befreiungsbescheinigung bestätigt" worden. Sie habe den Antrag auf Steuerbefreiung "ordnungsgemäß ohne Täuschung oder Erschleichung gestellt und daraufhin die Befreiung erhalten". Als Bäuerin habe sie nicht beurteilen können, "ob nun ein sogenannter Sachbearbeiter oder Sachgebietsleiter die Bescheinigung ausstellen durfte". Sie habe sich auf das Handeln der Behörde und ihrer Beamten verlassen.

Das FG wies die Klage ab. Das Fahrzeug sei kein Sonderfahrzeug, weil es auch "für gewerbliche Transportzwecke" eingesetzt werden könne. Die Steuerforderung verstoße nicht gegen Treu und Glauben, denn die von einem Sachbearbeiter fernmündlich erteilte Auskunft über eine Steuerbefreiung sei für das FA ebensowenig bindend wie die von dem Sachbearbeiter erteilte Befreiungsbescheinigung, zumal der Sachgebietsleiter umgehend die Steuerbefreiung abgelehnt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision ist unbegründet.

1. Das angefochtene Urteil beruht - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht auf einer Verletzung des § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchstabe a KraftStG. Nach dieser Vorschrift ist von der Steuer unter anderem befreit das Halten von Sonderfahrzeugen, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden. Als Sonderfahrzeuge gelten Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen festverbundenen Einrichtungen nur für die bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind (§ 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG). Das von der Klägerin gehaltene Fahrzeug ist kein Sonderfahrzeug in diesem Sinne, weil es nach Bauart und Einrichtung nicht "nur" für die Verwendung in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb "geeignet und bestimmt" ist, sondern auch zur Verwendung außerhalb eines solchen Betriebs, z. B. zur Beförderung von Schlempe für gewerblich betriebene Viehmästereien geeignet ist. Auf diese Beurteilung ist es ohne Einfluß, daß mit dem Fahrzeug früher Milch befördert worden ist und aus diesem Grunde das Halten des Fahrzeugs gemäß § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchstabe d KraftStG steuerfrei war, denn diese Befreiung war lediglich an die Art des beförderten Gutes geknüpft (Urteil des BFH vom 17. Januar 1973 II R 53/68, BFHE 109, 78, 80, BStBl II 1973, 461). Die Auslegung der Vorschrift nach ihrem Wortlaut führt dazu, daß ihr Wirkungsbereich eng begrenzt ist. Das entspricht ihrem Sinn und Zweck. Die Vorschrift soll "so weit wie nur möglich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschränkt bleiben" (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses vom 3. Dezember 1963, Bundestagsdrucksache IV 1690 S. 2, linke Spalte; BFH-Urteil vom 24. Januar 1973 II R 2/72, BFHE 109, 282, 283, BStBl II 1973, 599). Eine Erweiterung der Befreiungsvorschrift in dem von der Klägerin erstrebten Umfang wäre nicht mehr Gesetzesauslegung, sondern Gesetzesänderung. Hierfür sind die Finanzverwaltungsbehörden und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit nicht zuständig (Art. 20 Abs. 3 GG).

2. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf unrichtiger Anwendung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben. Ob dieser Grundsatz richtig angewendet worden ist, darf der BFH prüfen, denn es handelt sich insoweit um Bundesrecht im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist ungesetztes Recht, das zur Ergänzung gesetzten Rechts - hier Bundesrecht (Kraftfahrzeugsteuergesetz, Reichsabgabenordnung) - herangezogen werden kann. Treu und Glauben hinderten das FA nicht, den Kraftfahrzeugsteueranspruch gegen die Klägerin geltend zu machen.

a) Die Auskunft, die nach Darstellung der Klägerin der Sachbearbeiter ihrem anfragenden Sohn bei der fernmündlichen Unterredung am 29. Juli 1970 erteilte, war als unverbindliche Äußerung einer Rechtsansicht zu beurteilen und nicht als Zusage, durch welche das FA sich gegenüber der Klägerin verpflichten wollte, künftig das von ihr bezeichnete Fahrzeug steuerfrei zu lassen.

b) Die Aushändigung der Steuerbefreiungsbescheinigung durch den Sachbearbeiter, noch bevor - wie das FG festgestellt hat - "der für die Entscheidung über die Befreiung zuständige Sachgebietsleiter mit der Sache befaßt war", konnte das FA nicht binden, das Fahrzeug der Klägerin als steuerfrei zu behandeln, weil der Sachbearbeiter für eine derartige Entscheidung nicht zuständig war und weil außerdem die am 31. August 1970 ausgehändigte Bescheinigung nicht ursächlich sein konnte für den einen Monat früher (30. Juli 1970) vorgenommenen Kauf des Fahrzeugs.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70757

BStBl II 1974, 182

BFHE 1974, 188

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