Entscheidungsstichwort (Thema)

Tabakwareneinzelhandel und Toto- und LottoAnnahmestelle als einheitlicher Gewerbebetrieb

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Toto und Lotto GmbH ist keine staatliche Lotterie i. S. des § 3 Nr. 1 GewStG, § 13 GewStDV.

2. Betreibt ein Steuerpflichtiger in einem gemeinsamen Ladenlokal einen Tabakwarenhandel und eine Toto- und Lotto-Annahmestelle, so liegen keine zwei selbständige Gewerbebetriebe i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG vor.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 1; GewStDV § 13

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt in einem Ladengeschäft den Tabakwareneinzelhandel nebst Zeitschriftenverkauf sowie eine Toto- und Lotto-Annahmestelle für die X-Toto und Lotto GmbH. In dem Ladenlokal befinden sich u. a. ein Annahmeschalter (Glaskasten), ein Schreibbord zum Ausfüllen der Lotto- und Totoscheine sowie mehrere Reklametafeln.

Der Kläger gab für das Streitjahr 1979 sowohl für den Tabakwareneinzelhandel als auch für die Toto- und Lotto-Annahmestelle jeweils eine Gewerbesteuererklärung ab. Die Betriebsergebnisse des Tabakwarenhandels und der Toto- und Lotto-Annahmestelle faßte der Kläger in einer Bilanz und in einer Gewinn- und Verlustrechnung zusammen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah den Handel mit Tabakwaren und Zeitschriften und die Toto- und Lotto-Annahmestelle als einheitlichen Gewerbebetrieb an und erließ am 30. April 1981 einen entsprechenden Gewerbesteuermeßbescheid und Gewerbesteuerbescheid.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage vertrat der Kläger weiterhin die Auffassung, es lägen zwei Gewerbebetriebe vor. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, ungleichartige Unternehmen seien grundsätzlich auch dann selbständige Gewerbebetriebe, wenn sie in einem gemeinsamen Geschäftslokal betrieben werden, es sei denn, daß das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse - trotz der Ungleichheit der Betätigung - zwingend auf einen einheitlichen Gewerbebetrieb schließen lasse. Derartige Umstände lägen im Streitfall nicht vor.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Es führt aus: Wenn auch der Kläger mit dem Tabakwarenhandel und der Toto- und Lotto-Annahmestelle zwei ungleiche unternehmerische Betätigungen ausübe, so sei dennoch die Annahmestelle als unselbständiger Bestandteil eines einheitlichen Gewerbebetriebs anzusehen. Die erforderliche enge finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Verflechtung zwischen beiden Bereichen beruhe darauf, daß der Kläger im Rahmen der Unternehmensstrategie seinem eigentlichen Geschäftszweig, dem Tabakwarenhandel, mit der Toto- und Lotto-Annahmestelle einen weiteren Geschäftszweig angegliedert habe, um hierdurch eine Erhöhung der Attraktivität des Angebotes, eine dauerhafte Erweiterung des Kundenkreises und damit eine Gewinnmaximierung und einen Risikoausgleich zu erhalten.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Klägers als Einnehmer der X-Toto und Lotto GmbH nicht nach § 13 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) von der Gewerbesteuer befreit ist. Die Vorschrift des § 13 GewStDV befreit lediglich die Einnehmer einer staatlichen Lotterie von der Gewerbesteuer, und zwar auch dann, wenn diese Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt wird. Die X-Toto und Lotto GmbH ist keine staatliche Lotterie i. S. des § 3 Nr. 1 GewStG, § 13 GewStDV. Als staatliche Lotterie können nur solche Unternehmen angesehen werden, die der Staat unmittelbar selbst betreibt (Regiebetriebe) oder die in der Form der rechtsfähigen, der Staatsaufsicht unterliegenden Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert sind (s. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 1961 I 240/60 S, BFHE 72, 581, BStBl III 1961, 212, und vom 24. Oktober 1984 I R 158/81, BFHE 142, 500, BStBl II 1985, 223). Wird eine Lotterie von einer Kapitalgesellschaft - oder in einer anderen bürgerlich-rechtlichen Form - betrieben, so sind die Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 1 GewStG und des § 13 GewStDV auch dann nicht anwendbar, wenn sich die Anteile in der Hand des Staates befinden (Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/62 S, BFHE 78, 496, BStBl III 1964, 190).

2. Zu Unrecht hat jedoch das FG den Tabakwareneinzelhandel und die Toto- und Lotto-Annahmestelle des Klägers als zwei selbständige Gewerbebetriebe i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG angesehen.

a) Nach § 2 Abs. 1 GewStG bildet jeder einzelne Gewerbebetrieb einen selbständigen Steuergegenstand. Die Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen bei einem Einzelunternehmer zu mehreren selbständigen Gewerbebetrieben führen, richtet sich nach der sachlichen Selbständigkeit der einzelnen Betätigungen. Liegen unterschiedliche gewerbliche Tätigkeiten des Einzelunternehmers vor, die, für sich gesehen, sachlich selbständig sind, dann sind auch mehrere Gewerbebetriebe i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG gegeben (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 21. Dezember 1938 VI 730/38, RStBl 1939, 372; BFH-Urteile vom 1. Dezember 1960 IV 353/60 U, BFHE 72, 173, BStBl III 1961, 65 und vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602).

Was unter sachlicher Selbständigkeit zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Die Rechtsprechung hat hierzu einige Merkmale hervorgehoben, von denen aber keines allein entscheidend ist, wenngleich ihnen unterschiedliches Gewicht zukommt (vgl. dazu RFH-Urteil vom 28. September 1938 VI 611/38, RStBl 1938, 1117; ferner BFHE 72, 173, BStBl III 1961, 65, und BFH-Urteil vom 17. März 1981 VIII R 149/76, BFHE 133, 557, BStBl II 1981, 746). So sind insbesondere die Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Betätigung von großer Bedeutung (BFHE 133, 557, BStBl II 1981, 746). Je gleichartiger die Tätigkeiten sind, um so eher ist ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen. Andererseits kann aber bei mehreren gewerblichen Betätigungen eines Einzelgewerbetreibenden - trotz wesentlicher Verschiedenheit der Unternehmensgegenstände - nur ein Gewerbebetrieb gegeben sein, wenn die Betätigungen finanziell, organisatorisch und vor allem wirtschaftlich zusammenhängen (BFHE 72, 173, BStBl III 1961, 65).

Sind nicht alle Merkmale der Selbständigkeit gegeben, dann ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse maßgebend (BFHE 83, 438, BStBl III 1965, 656).

b) Die Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß die vom Kläger entfalteten gewerblichen Tätigkeiten als einheitlicher Gewerbebetrieb zu werten sind.

Zwischen den gewerblichen Betätigungen des Klägers als Tabakwareneinzelhändler und als Agent der Toto und Lotto GmbH bestehen Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten, die für die Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs ausreichen. Dem FG ist zuzugeben, daß der Verkauf von Tabakerzeugnissen und Zeitschriften und das Betreiben einer Toto- und Lotto-Annahmestelle ihrem Wesen nach unterschiedliche Unternehmensgegenstände beinhalten. Gleichwohl kann ein einheitlicher Gewerbebetrieb auch bei völliger Verschiedenheit der Betätigungen angenommen werden, wenn sie organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich eng zusammenhängen.

Im Streitfall ergibt sich der finanzielle Zusammenhang daraus, daß der Gewinn für beide Betriebe einheitlich in einer Bilanz und in einer Gewinn- und Verlustrechnung zusammengefaßt wurde. Dem Umstand, daß der Kläger durch das Vertragsverhältnis mit der Toto und Lotto GmbH an Auflagen und Beschränkungen (besondere Lotto- und Toto-Kasse, Sonderbankkonten, gesonderte Aufzeichnungen der Erlöse aus dem Warenverkauf und der Einnahmen aus der Agententätigkeit sowie Trennung des Belegwesens und des Schriftverkehrs) gebunden ist, kann im Gegensatz zur Auffassung des FG keine (entscheidende) Bedeutung beigemessen werden. Denn die getrennte Kassenführung und die getrennten Aufzeichnungen resultieren nicht aus der sachlichen Selbständigkeit zweier voneinander getrennter gewerblicher Betätigungen; sie ergaben sich vielmehr aus den vorgegebenen Sicherheitsbestimmungen und aus den Besonderheiten bei der Abrechnung mit der X-Toto und Lotto GmbH. Der organisatorische Zusammenhang zeigt sich darin, daß beide Unternehmensbereiche in demselben - nur einen Raum umfassenden - Geschäftslokal unter Einsatz derselben Arbeitskräfte ausgeübt werden. Daß dabei der Lotteriebereich im Ladengeschäftsraum ,,räumlich und optisch" erkennbar ist, liegt in der Natur der Sache und spricht nicht für eine Trennung beider Bereiche. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, daß er selbst oder jemand von dem vorhandenen Ladenpersonal ausschließlich Arbeiten in dem einen oder dem anderen Geschäftsbereich verrichtet hat. Es bestehen auch wirtschaftliche Verflechtungen zwischen den beiden Geschäftsbereichen. Richtet ein Einzelunternehmer in seinem Ladengeschäft einen weiteren Geschäftszweig ein, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß sich die gewerblichen Tätigkeiten gegenseitig ergänzen und unterstützen. Da lediglich 4 v. H. des vom Kläger im Streitjahr getätigten Gesamtumsatzes auf den Bereich der Toto- und Lotto-Annahmestelle entfällt, muß die Toto- und Lotto-Annahmestelle als ,,Hilfs- oder Nebengeschäft" des Tabakwareneinzelhandels angesehen werden.

Die Annahme von zwei Gewerbebetrieben widerspräche auch der historischen Entwicklung, nach der erst die Angliederung der Lotterieeinnahme an einen Gewerbebetrieb zur Gewerblichkeit der sonst als Angestelltentätigkeit angesehenen Betätigung der Lotterieeinnehmer geführt hat (vgl. RFH-Urteil vom 17. Juni 1927 VI A 260/27, RFHE 21, 224, 228 f.).

Unter Abwägung aller erkennbaren Umstände spricht die Mehrheit der gegebenen Merkmale für einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Bei gewerblichen Tätigkeiten, die - wie im Streitfall - derart ineinander und miteinander verknüpft sind, bleibt für die Annahme einer sachlichen Unabhängigkeit - trotz gegebener Ungleichartigkeit der Tätigkeiten - kein Raum mehr. Es ist vielmehr von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen, bei dem neben dem Tabakwareneinzelhandel noch ein unselbständiger Geschäftszweig - Toto- und Lotto-Annahmestelle - betrieben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414263

BFH/NV 1986, 363

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