Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Niedrigerer Teilwert von Betriebsgebäuden bei nachträglicher Versagung der polizeilichen Baugenehmigung und bei Einbeziehung des Grundstücks in die Stadtplanung.

 

Normenkette

EStG § 6 Ziff. 1, § 7

 

Tatbestand

Streitig ist nur noch, ob die Betriebsgebäude am 31. Dezember 1948 und 31. Dezember 1949 auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden können, weil die Baupolizei die Baugenehmigung versagt hatte und die Möglichkeit bestand, daß das Betriebsgrundstück von der Stadtverwaltung für Straßenzwecke in Anspruch genommen wurde.

Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte vor der Währungsreform mit dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Betriebsgebäude, insbesondere auch mit dem Wiederaufbau der Werkstatt- und Lagerräume begonnen. Zur Erstellung der Gebäude wurden im zweiten Halbjahr 1948 (II/1948) 51 696,47 DM und im Jahre 1949 weitere 29 981,57 DM aufgewendet. Da der Bf. den Aufbau ohne baupolizeiliche Genehmigung begonnen hatte, wurde ihm zunächst mit Verfügung vom 31. März 1948 die Fortsetzung der Arbeiten untersagt und am 27. November 1948 die Baugenehmigung endgültig verweigert, weil das Bauvorhaben in verschiedenen Punkten nicht den maßgebenden Bestimmungen entsprach. Gleichzeitig erfuhr der Bf., daß nach der Stadtplanung mit der Inanspruchnahme seines Grundstücks für Straßenzwecke zu rechnen sei. Wegen dieser Umstände schrieb er auf die Betriebsgebäude in der Bilanz vom 31. Dezember 1948 und 31. Dezember 1949 je 1/3 der Herstellungskosten ab. Das Finanzgericht ließ wegen der Ungewißheit über den Bestand der Betriebsgebäude eine einmalige Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert zum 31. Dezember 1948 in Höhe von 10 v. H. der in II/1948 entstandenen Aufbaukosten (= 5 170 DM) zu.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragt der Bf. unter Erweiterung seines bisherigen Antrags, die Abschreibung der Werkstatt- und Lagergebäude zum 31. Dezember 1948 auf 35 195 DM und zum 31. Dezember 1949 auf 1 DM zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Betriebsgebäude als Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, sind grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG), zu bewerten (§ 6 Ziff. 1 Satz 1 EStG). Ist der Teilwert niedriger, so kann dieser angesetzt werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß er den Betrieb fortführt (§ 6 Ziff. 1 Sätze 2 und 3 EStG).

Der Bf. begründet die Teilwertabschreibung damit, daß er am 31. Dezember 1948 und 31. Dezember 1949 als vorsichtiger Kaufmann mit dem Abbruch der Werkstatt- und Lagerräume hätte rechnen müssen. Die Stadtgemeinde habe zwar im Jahre 1950 die Stadtplanung geändert; seit dieser Zeit sei das Betriebsgrundstück nicht mehr von der Inanspruchnahme für Straßenzwecke bedroht. Sie sei auch seit 1950 mehrfach mit dem Angebot an ihn herangetreten, die Baugenehmigung nachträglich zu erteilen; aber nach seiner Auffassung würde die nachträgliche Genehmigung an Bedingungen geknüpft, die er nicht erfüllen könne. Außerdem könnten diese nachträglich hervorgerufenen Umstände, die er bei der Bilanzaufstellung nicht gekannt habe, nicht auf die beiden Bilanztage zurückbezogen werden. Für einen Erwerber des ganzen Betriebs seien die Gebäude an dem Bilanztag aus den erwähnten Gründen wertlos gewesen. Als ein im Handelsregister eingetragener Kaufmann hätte er sogar die wertlos gewordenen Gebäude ganz abschreiben müssen; er wolle dem mit dem in der Rb. erweiterten Antrag Rechnung tragen.

Zutreffend gehen das Finanzgericht und der Bf. davon aus, daß es für die Bewertung von Gegenständen des Betriebsvermögens grundsätzlich auf die Verhältnisse am Bilanztag ankommt. Das Finanzgericht weist darauf hin, daß nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 18/38 vom 15. Dezember 1938 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 708) eine Wertbeeinträchtigung vorliege, wenn ein Grundstück nicht den baupolizeilichen Anordnungen entspreche. Dieser Hinweis ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil es sich in dem früheren Fall um die Einheits-Bewertung eines Fabrikgrundstücks handelte, für die andere Rechtsgrundsätze maßgebend sind; der Fall lag auch tatsächlich anders. Aus den gleichen Gründen kann sich der Bf. auch nicht auf das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil III 217/52 U vom 23. Oktober 1953 berufen, in dem der Bundesfinanzhof ebenfalls anerkennt, daß die für ein Mietwohngrundstück bestehende Abbruchsgefahr ein wertmindernder Umstand bei der Festsetzung des Einheitswerts sein kann. Es ist indes keineswegs ausgeschlossen, daß auch bei der Bewertung von Betriebsgebäuden gemäß

6 Ziff. 1 EStG die nachträgliche Versagung einer Baugenehmigung, eine drohende Abbruchsgefahr und die Einbeziehung eines Betriebsgrundstücks in die Stadtplanung zu einer Verkürzung der betrieblichen Nutzungsdauer der Betriebsgebäude oder auch zu einer Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert führen können. Es kommt dabei auf die Umstände des einzelnen Falles an, insbesondere, ob mit dem Abbruch ernsthaft zu rechnen ist, wann er voraussichtlich durchgeführt wird, ob und welche Entschädigung der Steuerpflichtige zu erwarten hat, usw. Bei der Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse sind alle Umstände gegeneinander abzuwägen. Es kann nicht einer von mehreren Gesichtspunkten überbetont werden, während andere Gesichtspunkte unangemessen zurückgedrängt werden. Wenn auch bei der Bewertung von Gegenständen des Betriebsvermögens dem Ermessen des Kaufmanns Spielraum gelassen werden muß, so dürfen doch die objektiven Grundlagen nicht verlassen werden (Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 5/47 vom 17. Juli 1947, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1947 Nr. 14). Auch bei der Bemessung des Teilwerts kann nicht die subjektive Einstellung des einzelnen, die sich in übertriebenem Optimismus oder Pessimismus ausdrückt, ausschlaggebend sein. Was die Bemessung des Teilwerts angeht, so hat der Reichsfinanzhof wiederholt betont, daß, solange nicht besondere Umstände vorliegen, eine Vermutung besteht, daß bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der Anschaffungs- oder Herstellungspreis jeweils dem Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung entspricht, weil ein Kaufmann in der Regel nicht mehr für einen Gegenstand aufwendet, als dieser ihm für seinen Betrieb wert ist (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs VI A 475/34 vom 26. Juni 1935, RStBl. 1935 S. 1496). Mit der Behauptung, daß für einen Erwerber des ganzen Betriebs ein Wirtschaftsgut wertlos sei, kann ein Steuerpflichtiger nicht gehört werden, wenn er selbst Aufwendungen auf den Gegenstand macht und nicht dartut, daß eine Fehlmaßnahme vorliegt. Denn wenn es sich nicht um eine Fehlmaßnahme handelt, würden die Aufwendungen auch für einen Erwerber, der den Betrieb unverändert fortführt, nicht wertlos sein.

Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Rechtsgrundsätzen. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts, die für den Senat bindend sind, ergibt sich, daß der Bf. an dem Bilanztage objektiv nicht mit dem Abbruch zu rechnen brauchte und subjektiv auch nicht gerechnet hat. Das Finanzgericht hat diese Feststellung insbesondere damit begründet, es sei in X in der öffentlichkeit und besonders in den interessierten Kreisen bekannt gewesen, daß die Stadtverwaltung damals von der Befugnis, nicht genehmigte Bauten zu beseitigen, nur zögernd Gebrauch machte. Der Bf. habe im übrigen den Bau auch nach den Stichtagen fortgeführt. Es ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß der Bf. trotz des Bauverbots vom 31. März 1948 die Arbeiten fortsetzte und, nachdem ihm am 27. November 1948 die Baugenehmigung versagt worden war, noch mindestens rund 24 000 DM in das Werkstatt- und Lagergebäude steckte und nachher den Aufbau eines Büro- und Ausstellungsgebäudes in Angriff nahm. Es ist auch von Bedeutung, daß mit der Versagung der Baugenehmigung nicht etwa ein polizeiliches Abbruchgebot verbunden war. Die überlegungen zur Stadtplanung, die alsbald wieder geändert wurden, waren offenbar nicht so weit gediehen, daß sie eine ernste Gefahr für die Betriebsgebäude des Bf. darstellten. Es bedeutet keinen Rechtsverstoß, wenn das Finanzgericht wegen der vom Bf. stark betonten formalen Versagung der Baugenehmigung und der vorübergehenden Einbeziehung des Grundstücks in die Stadtplanung die Betriebsgebäude an den beiden Bilanztagen nicht für wertlos hielt und die vollständige Abschreibung versagte.

Nach den getroffenen Feststellungen und den vorstehenden Rechtsausführungen ist es möglicherweise rechtsirrig, daß das Finanzgericht eine Teilwertabschreibung überhaupt dem Grunde nach anerkannte und sie nur der Höhe nach beschränkte. Der Bf. ist dadurch aber nicht benachteiligt. Der Senat glaubte von einer weiteren Nachprüfung mit dem Ziel der Verböserung absehen zu sollen. Der Antrag des Bf. auf eine weitergehende Teilwertabschreibung ist jedenfalls nicht begründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407806

BStBl III 1954, 16

BFHE 1954, 264

BFHE 58, 264

DB 1954, 32

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