Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauzeitzinsen als Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage

 

Leitsatz (amtlich)

In der Steuerbilanz als Teil der nachträglichen Herstellungskosten eines Gebäudes zu Recht aktivierte Bauzeitzinsen sind auch in die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage einzubeziehen.

 

Normenkette

HGB § 255 Abs. 2-3; InvZulG 1999 § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 27.10.2005; Aktenzeichen 5 K 285/04; EFG 2006, 366)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Gesellschafterinnen mehrere Kommunen sind. Sie bewirtschaftet, vermietet und verwaltet Wohn- und Gewerbeobjekte. Für Baumaßnahmen an einer größeren Anzahl von Mietwohngebäuden beantragte sie für die Jahre 1999 und 2000 Investitionszulage nach § 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999, die ihr unter Vorbehalt der Nachprüfung gewährt wurde.

Im Laufe einer Investitionszulagensonderprüfung beantragte die Klägerin die zusätzliche Berücksichtigung von Finanzierungskosten, die während der Baumaßnahmen angefallen waren und die sie als nachträgliche Herstellungskosten der Gebäude aktiviert hatte. Der Aufwand für die Modernisierung belief sich auf rund 1000 DM/qm und damit nach dem Vortrag der Klägerin auf annähernd 50 % der Neubaukosten. Die Baumaßnahmen hatten den Wert der Gebäude deutlich erhöht und zu anschließenden Mieterhöhungen geführt. Der ursprüngliche Zustand der Gebäude wurde entgegen einer Aufforderung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) nicht mitgeteilt.

Das FA setzte mit --aus anderen, hier nicht interessierenden Gründen geänderten-- Bescheiden vom 11. Oktober 2002 die Investitionszulage ohne Berücksichtigung der Bauzeitzinsen fest. Den Einspruch wies es als unbegründet zurück. Es stehe nicht fest, dass es sich bei den Baumaßnahmen um Herstellungskosten handele; insbesondere lasse die Höhe der Aufwendungen nicht auf die dafür erforderliche wesentliche Verbesserung der Gebäude schließen. Da die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe, müsse davon ausgegangen werden, dass die Modernisierungen als Erhaltungsmaßnahmen zu qualifizieren seien. Finanzierungskosten von Erhaltungsmaßnahmen seien nicht zulagenbegünstigt.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 366 abgedruckt ist, entschied, Bauzeitzinsen seien nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 InvZulG 1999 begünstigt, weil Finanzierungskosten keine Aufwendungen für Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten seien. Der Begriff der Herstellungskosten sei zwar aus dem Handelsrecht abzuleiten. Die Übertragung des Einbeziehungswahlrechtes in § 255 Abs. 3 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB), einer Sonderregelung für buchführende Kaufleute, auf das Investitionszulagenrecht würde aber nicht buchführende Anspruchsberechtigte ungerechtfertigt benachteiligen. Die gegenteilige bundeseinheitliche Verwaltungsauffassung (z.B. Oberfinanzdirektion Cottbus vom 28. Januar 2002, InvZ 1000 -5- St 216, InvZ 1272 -1- St 216, InvZ 1272 -2- St 216) binde die Gerichte nicht.

Dagegen richtet sich die Revision. Die Klägerin trägt vor, das FG habe den auch für die Investitionszulage nach § 255 Abs. 2 HGB zu bestimmenden Umfang der Herstellungskosten verkannt. Danach bestehe für die Finanzierungskosten während der Herstellungsphase ein Einbeziehungswahlrecht, das für die Ertragsbesteuerung und die Investitionszulage einheitlich ausgeübt werden müsse. Auch die Steuerverwaltung lasse die Einbeziehung der Finanzierungskosten während der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen in die Bemessungsgrundlage der Investitionszulage zu (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 28. August 1991, BStBl I 1991, 768, Tz. 72; vom 28. Juni 2001, BStBl I 2001, 379, Tz. 151).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Investitionszulagebescheide für 1999 und 2000 dahin zu ändern, dass die Bauzeitzinsen in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das Einbeziehungswahlrecht für Kosten der Finanzierung der Herstellung gilt auch für das Investitionszulagenrecht. Ob bzw. inwieweit die streitgegenständlichen Zinsaufwendungen den Herstellungskosten zuzurechnen sind, vermag der Senat mangels Feststellungen des FG nicht zu beurteilen.

1. Nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden werden durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 gefördert; für die Bemessungsgrundlage sind gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 die nachträglichen Herstellungskosten maßgeblich.

a) Der Begriff der Herstellungskosten wird im InvZulG nicht definiert. Er ist dem Einkommensteuer- und Handelsrecht entnommen und, da sich aus dem Zweck des InvZulG und seiner Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges ergibt, auch im Investitionszulagenrecht nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. April 1988 III R 54/83, BFHE 154, 54, BStBl II 1988, 901, m.w.N.; vom 20. Oktober 2005 III R 24/04, BFH/NV 2006, 816).

Im Einkommensteuerrecht beurteilt sich der Begriff der Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB, der auf der Steuerrechtspraxis beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteile vom 27. Januar 1994 IV R 104/92, BFHE 174, 136, BStBl II 1994, 512; vom 17. Oktober 2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349). Herstellungskosten sind danach diejenigen Aufwendungen, welche durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Auf den Zeitraum der Herstellung entfallende Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung des Vermögensgegenstands verwendet wurde, können angesetzt werden (§ 255 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 3 Satz 2 HGB); dieses handelsrechtliche Einbeziehungswahlrecht wird auch einkommensteuerlich gewährt (R 33 Abs. 4 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1999 und EStR 2003, R 6.3 Abs. 4 Satz 1 EStR 2005). Soweit auf die Herstellungszeit entfallende Zinsen zur Finanzierung der Herstellung ertragsteuerlich zulässigerweise als Teil der Herstellungskosten behandelt worden sind, erhöht sich damit auch die Bemessungsgrundlage der Investitionszulage.

b) Der entgegenstehenden Ansicht des FG folgt der Senat nicht. Sie wird auch nicht durch das BFH-Urteil vom 24. Mai 1968 VI R 6/67 (BFHE 92, 400, BStBl II 1968, 574) gestützt, denn der vom Kläger jenes Verfahrens gezahlte Abzahlungsaufschlag beruhte auf einem neben dem Kaufvertrag stehenden Finanzierungsvertrag und durfte in der Handels- und Steuerbilanz nicht in die Anschaffungskosten einbezogen werden.

Der Senat braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob sich das Einbeziehungswahlrecht auf bilanzierende Investoren beschränkt (so BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003, BStBl I 2003, 218, Tz. 39) oder ob die Behandlung von Bauzeitzinsen als Herstellungskosten bei den Überschusseinkünften durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ausgeschlossen wird (so BFH-Urteil vom 7. November 1989 IX R 190/85, BFHE 159, 439, BStBl II 1990, 460), obwohl der Begriff der Herstellungskosten für die Gewinneinkünfte einerseits und die Überschusseinkünfte andererseits grundsätzlich gleich auszulegen ist (BFH-Beschluss in BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; nach Ansicht von Wichmann, Betriebs-Berater 1991, 1835 ist das BFH-Urteil in BFHE 159, 439, BStBl II 1990, 460 dadurch überholt).

Da § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 den Begriff der Herstellungskosten verwendet, ohne ihn einzuschränken --z.B. dahin, dass Einbeziehungswahlrechte unberücksichtigt bleiben-- und eine vom Ertragsteuerrecht abweichende Auslegung durch die Zielsetzung des InvZulG nicht geboten ist, wäre die sich daraus ergebende Benachteiligung nicht bilanzierender Anspruchsberechtigter --entgegen der Auffassung des FG-- hinzunehmen. Denn es handelte sich dann um einen bloßen Reflex des ertragsteuerlichen Wahlrechtes, durch welches die Bauzeitzinsen ihren Charakter von Finanzierungsaufwendungen zu Herstellungskosten ändern (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. April 2003 I R 19/02, BFHE 202, 357, BStBl II 2004, 192 betr. Bauzeitzinsen als Dauerschuldentgelte nach § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes).

c) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich um die Finanzierung "ursprünglicher" oder nachträglicher Herstellungskosten handelt.

2. Für Erhaltungsarbeiten an Gebäuden kann eine Zulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 beansprucht werden, die sich aus den Erhaltungsaufwendungen berechnet. Bauzeitzinsen sind nicht Bestandteil der Erhaltungsaufwendungen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Höhe der Investitionszulage hängt davon ab, ob bzw. inwieweit die streitgegenständlichen Zinsaufwendungen mit der Finanzierung von (nachträglichen) Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen zusammen hängen. Da die Bilanzierung für die zulagenrechtliche Abgrenzung der Herstellungskosten vom Erhaltungsaufwand nicht bindend ist (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Januar 2003 III B 73/02, BFH/NV 2003, 657, m.w.N.) und das FG wegen seines Rechtsstandpunktes hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, wird die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1676789

BFH/NV 2007, 612

BStBl II 2007, 331

BFHE 2008, 438

BFHE 215, 438

BB 2007, 257

DStRE 2007, 626

DStZ 2007, 83

HFR 2007, 366

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